Die FDP ist der kleinste Koalitionspartner, mit großem Abstand zu den beiden anderen Koalitionären. Dieser Umstand hindert sie nicht daran, sich als Zuchtmeister und Erstbestimmer der Koalition aufzuführen. Die extreme Konsens-Mentalität des Kanzlers und die puddingweiche Nachgiebigkeit des grünen Vizekanzlers ermöglichen ein Szenario des permanenten öffentlichen Streits, der meistens zu Gunsten des FDP – Winzlings entschieden wird.
Dem hat sich die Familienministerin Lisa Paus bei dem Streit um Grundsätze und Finanzierung der Kindergrundsicherung entgegen gestellt. Mit ihrem Veto zu Lindners Wachstumsgesetz, ein Lieblingsprojekt der FDP, die sich sonst bisher nicht mit eigenen Projekten in der Koalition hervorgetan hat, hat sie eine Diskussion über das sozialpolitisch und gesellschaftlich enorm wichtige Anliegen der Kindergrundsicherung erzwungen. Der Versuch Lindners, mit seinem Alternativvorschlag die Debatte auf das Migrantenproblem und seine Integrationsfolgen umzulenken, ist allzu durchsichtig und allenfalls ein Projekt für die mittlere und fernere Zukunft. Denn mit verbesserter Sprachschulung und sonstigen intensiveren Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge aus dem Sturmjahr 2015 können Kosten für eine anständige Bekleidung, ordentlicher Ernährung, Schulmaterial usw. für Kinder nicht ersetzt werden. Und diese Kosten sind jetzt relevant und nicht erst in vielen Jahren, wie bei Lindners Idee. Außerdem hat sein Vorschlag noch einen besonders perfiden Hintergrund: Integrationskosten werden vom BAMF ( Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge ), das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist und in dessen Haushaltshoheit fällt, vorwiegend getragen. Eben dies würde Bundesfinanzminister Lindner von zusätzlichen Zahlungen für die Kindergrundsicherung befreien. Ein Schelm, der sich dabei Böses denkt. Bei der Kabinettsklausur in Meseberg in wenigen Tagen wird sich zeigen, ob Wirtschaftsinteressen soziale Notwendigkeiten verdrängen dürfen.