Die Kommunen sind überfordert: Misshandlungen, Anfeindungen und menschenunwürdige Gemeinschaftsunterkünfte ohne Privatsphäre zeichnen ein Bild, das nicht zu der „Willkommenskultur“ passt, mit der Deutschland Flüchtlinge empfangen möchte.
Vertreter aus Politik, Kirche, Kommunen, Flüchtlingshilfe und Wohlfahrtsverbänden folgten am Mittwoch der Einladung nach Düsseldorf, um angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen Lösungen für eine Flüchtlingspolitik zu finden. Bereits vor einem halben Jahr tagte anlässlich der Misshandlungen von Asylbewerbern in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften und der mangelnden Unterbringungsmöglichkeiten ein Flüchtlingsgipfel in Essen. Auf 46 Millionen Euro direkte Hilfe einigten sich die Kommunen im Oktober, damit stieg der Landesetat für Flüchtlinge auf 175 Euro. Später wurde der Betrag nochmals um 45 Millionen Euro angehoben. Doch noch immer fehle es an finanziellen Mittel um die für 2015 erwarteten 60 000 Flüchtlinge in NRW aufnehmen zu können, beklagen Kommunen. Denn während Kosten für Asylbewerber von dem Etat abgedeckt werden, müssen die Städte weiter für Flüchtlinge mit abgelehnten Anträgen und sogenannte geduldete Flüchtlinge, denen eine Ausreise aus humanitären oder persönlichen Gründen nicht möglich ist, aufkommen. 36 000 Flüchtlinge wurden Ende Januar in NRW geduldet, weil sie keine Papiere besitzen, Gesundheitsprobleme haben oder Herkunftsstaaten die Rückreise verhindern; die Zahl steigt.
17 000 mehr Flüchtlinge als erwartet
In diesem Quartal nahm das Land bereits 22 000 Flüchtlinge auf, eine Steigerung von 170 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dafür stehen 7900 Regelplätze plus 2900 Notfallunterkünfte und 19 Flüchtlingsunterkünfte für die Erstaufnahme zur Verfügung. Um eine Unterbringung zu gewährleisten fordert die CDU jedoch mindestens 15 000 Regel- und 2500 Notfallplätze, anstelle der im Oktober vereinbarten 10 000 Unterkünfte. Seit dem letzten Gipfel wurden die erwarteten Flüchtlingszahlen nach oben korrigiert, 17 000 Flüchtlinge waren in das Konzept der Regierung vom Vorjahr nicht einkalkuliert.
Mit dem Ergebnis des zweiten Gipfels am Mittwoch zeigt sich die Opposition nicht zufrieden. Simone Brand (Piraten) beklagt die mangelnde terminliche Verbindlichkeit der beschlossenen Maßnahmen. Zudem umgehe die Landesregierung ihre Verantwortung, welche damit bei den überlasteten Kommunen bliebe. André Kuper (CDU) nennt das Ergebnis des Gipfels „ernüchternd“, wichtige Forderungen, wie der Ausbau der Regelunterkunftsplätze werden nicht angegangen. Bereits im Vorfeld äußerte sich CDU-Landesvorsitzender Armin Laschet kritisch zu dem Gipfel und mahnte dass dieser kein Handeln ersetzen könne.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hingegen fordert mehr Unterstützung vom Bund und räumt ein, dass es weitere Verbesserungen, wie im Bereich Sprachförderung, geben müsse. Für eine Einbeziehung des Bundes plädieren auch Krafts rheinlandpfälzische Amtskollegin Malu Dreyer (SPD) und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Sie schlugen kurz vor der Konferenz in NRW einen Flüchtlingsgipfel im Sommer in Berlin vor.