Gewiss, das war dramatisch und für seine Freundin auch traumatisch – als der dänische Profi Christian Eriksen bei der Fußball-Europameisterschaft zusammenbrach. Aber die aufgeregten und aufgebrachten Reaktionen in deutschen Medien darüber, dass nach Unterbrechung die Partie der Dänen gegen Finnland fortgesetzt wurde, kann man eigentlich nur komisch, verlogen, naiv oder auch heuchlerisch nennen.
Ein paar Kostproben: „Nach dem Kollaps von Christian Eriksen zeigt der Profi-Fußball seine ganze Unmenschlichkeit“. Oder: „Die Uefa hat ihre Fürsorgepflicht verletzt“. Der ganze Vorgang belege, „dass im Profi-Fußball einiges aus den Fugen geraten ist“.
Als wäre Unmenschlichkeit nicht geradezu ein Merkmal des Profifußballs, in dem Kicker – bekanntlich Menschen !!! – wie Waren meistbietend verhökert werden. Als sei der Profi-Fußball nicht längst insgesamt aus den Fugen geraten, wenn korrupte Funktionäre Weltmeisterschaften verschieben, wenn für einen einzigen Spieler hunderte Milionen gezahlt werden, milliardenschwere Scheichs ganze Profi-Clubs kaufen oder Spitzenclubs sich obszön und verantwortungslos verschulden, weil sie unbedingt mithalten wollen. Und den Funktionären wie im Fall Eriksen eine „Verletzung der Fürsorgepflicht“ vorzuwerfen, unterstellt ja, dass die überhaupt wissen, was Fürsorgepflicht ist.
Funktionären, die die nächste Weltmeisterschaft nach Katar vergeben haben; ausgerechnet Katar, wo für den Bau protziger Spielstätten nach Recherchen des britischen Guardian mehr als 6.500 asiatische Arbeiter starben. Ausgerechnet Katar, ein Austragungsort, der für seine massiven Menschenrechtsverletzungen berüchtigt ist. Ausgerechnet Katar, wo die Weltmeisterschaft in die nicht ganz so heiße Vorweihnachtszeit verlegt werden muss, damit während des Turniers nicht noch mehr Sportler kollabieren wie jetzt der bedauernswerte Christian Eriksen. Fazit: Der Profifußball ist so oder so aus den Fugen, er ist so oder so unmenschlich – egal wie lange ein Spiel nach dem Zusammenbruch eines Kickers unterbrochen wird. Was also sollte diesmal die ganze Aufregung?
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Den Einschätzungen von Christoph Lütgert möchte ich hundertprozentig zustimmen. Um so stärker bestätigt sich einmal mehr meine Ratlosigkeit im Blick auf die Beliebtheit und Anziehungskraft dieser Sportart als globales sozialpsychologisches Phänomen. Es ist mir jedesmal ein Rätsel, warum Millionen, wenn nicht Milliarden weltweit, auf allen Kontinenten schier aus dem Häuschen geraten, wenn ein Turnier ansteht und seinen Gang geht. Ist das nicht alles ebenfalls alle künstliche Aufregung?