Der so viel gelobte ehemalige ZDF-Redakteur Claus Kleber hat durchaus auch Kritik verdient. Vor kurzem verkündete er etwa dies:
“Es geht um die Rente für Menschen, die heute 20, 30, 40 Jahre alt sind. Viele von denen glauben ja immer noch, dass sie mit den saftigen Beiträgen, die ja auf dem Lohnzettel abgezogen werden, einen Batzen auf die hohe Kante legen, der dann später verzinst zurückkommt. Weit gefehlt – von wegen hohe Kante! Was die jungen Leute heute einzahlen, ist sofort weg. Es geht an die Rentner von heute. Und für ihre Beiträge bekommen die heutigen Beitragszahler nur die Aussicht, dass eines Tages die dann Jungen für sie genauso wieder zahlen. Das ist ein Kalkül, das zunehmend weniger aufgeht.”
(Quelle: ZDF, 20‘09‘‘)
Und etwas später:
“So sind die Jungen bereits beim Start ins Leben Verlierer im Rentensystem” und “umso wichtiger wäre es für sie vorzusorgen, […] doch in Zukunft bleibt ihnen bei steigenden Rentenbeiträgen eben immer weniger dafür übrig.”
Der Lobbyist Bernd Raffelhüschen warnte gar: „Das Rentensystem steht vor dem Ruin.“
Das ist konzertierte Werbung für die Versicherungswirtschaft.
Denn was sagt die Deutsche Rentenversicherung dazu?
„Mit spekulativen Rechnungen die Rentenversicherung zu diskreditieren, halten wir für unverantwortlich. Die Rentenversicherung wird auch den jungen Menschen eine stabile Rente zahlen können.“
Andere Ökonomen sehen auch keinen Grund zur Panik:
„Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, sieht allerdings keine Notwendigkeit für eine jetzige Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter. ‚Mir ist nicht ersichtlich, warum man jetzt schon darüber reden sollte, was danach in den 2030er-Jahren mit dem Renteneintrittsalter passiert. Ob jemand in den 2030ern einen Monat früher oder später in Rente gehen darf, muss niemand zur Planungssicherheit bereits heute wissen‘, sagte Dullien den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Annahmen zur Entwicklung der Bevölkerung und Rente mit mehr als zehn Jahren Vorlaufzeit hätten sich in der Vergangenheit oft als falsch herausgestellt.“
Der Öffentlichkeit wird eingeredet, die Rente sei vom Umlageverfahren nicht mehr zu schultern und jeder müsse für sich selbst vorsorgen. Dabei sind alle Akteure selbstverständlich über das Mackenroth-Theorem im Bilde:
„Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein ‚Sparen‘ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand […] Kapitalansammlungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.“
Ist dieser Zusammenhang gar nicht mehr zu leugnen, dann wird gerne behauptet, die private Altersvorsorge steigere die Sparquote und damit Wachstum und Wohlstand. Auch das ist falsch:
„Allerdings haben empirische Studien ergeben, dass die Sparquote in Ländern mit einem Rentensystem im Kapitaldeckungsverfahren nicht höher ist als in Ländern mit einem Rentensystem im Umlageverfahren. Ein Zusammenhang zwischen der Art der Organisation des Rentensystems und der Höhe der Sparquote konnte also nicht hergestellt werden. Damit konnte auch nicht belegt werden, dass eine kapitalgedeckte Altersvorsorge zu höheren Wachstumsraten führt.“ (Quelle: dito)
In anderen Worten: Private Altersvorsorge hilft gegen das Demographie-Problem nullkommagarnichts!
Deutsche Rentner haben deutlich geringere Bezüge als Österreicher und Niederländer, weil die Öffentlichkeit in Kampagnenform hinters Licht geführt wurde – und wird. Angeblich sollte die Altersvorsorge robuster gegen die demographischen Veränderungen gemacht werden. Tatsächlich wurde die gesetzliche Rente gekürzt, um einen Teil der Sozialabgaben in den Markt für Versicherungs- und Anlageprodukte umzuleiten:
„Es ist so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln.“
(Carsten Maschmeyer, vormaliger Chef des Finanzdienstleisters AWD)
Ein Ländervergleich der Bundeszentrale für politische Bildung kommt zu einem eindeutigen Fazit:
„Die aufgezeigten Ländervergleiche könnten so gesehen summarisch dahingehend interpretiert werden, dass eine noch stärkere Orientierung auf eine kapitalmarktabhängige Alterssicherung sich als zweite und dritte Säule für Deutschland angesichts einerseits des negativen Beispiels Vereinigtes Königreich und andererseits des positiven Beispiels Österreich verbietet …“ Weitere Infos hierzu gibt’s in der Anstalt: Einmal hier und einmal dort.
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O.K. Das Umlageverfahren. Vorhandenes Volksvermögen wird umgelegt. Aber eben nur dasjenige der Beitragszahler. Wenn es davon zu wenige gibt, die zu wenig einzahlen (prozentual aber immer mehr) und auch noch immer älter werden, dann klappt zwar das Umlageverfahren noch immer hervorragend, nur es kommt betragsmäßig nichts zum Leben dabei heraus. Da hat Herr Kleber uneingeschränkt Recht. Ob das gleich als Werbung für die Versicherungswirtschaft gelten muss? Ich bin jedenfalls froh, dass meine Altersvorsorge nicht nur aus Beiträgen und Erträgen des Umlageverfahrens gespeist wird.
„Vorhandenes Volksvermögen wird umgelegt.“
Falsch!
Nicht das Vermögen, sondern das Einkommen wird umgelegt.
Doch das ist lt. Mackenroth immer so: „Kapitalansammlungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.“
Grund: Mit der Kapitalanlage kann man weder Miete zahlen noch Brötchen kaufen. Die muss man erst einmal in Kaufkraft umrubeln, sich also von jemand anderem dafür Geld geben lassen. Dazu müssen genügend viele andere dieses Geld gerade verfügbar haben.
Darum hilft private Altersvorsorge auf volkswirtschaftlicher Ebene gar nichts. Die Volkswirtschaft kann nicht „in die Zukunft sparen“.
Und darum ist es auch völlig unsinnig, dass Politiker mit der Förderung von mehr privater Altersvorsorge im Grunde bloß die Kosten erhöhen, also Beiträge in Provisionen umleiten.
Der einzelne Mensch kann natürlich schon privat sparen. Damit erhöht er seinen späteren Anteil am Volkseinkommen – relativ zu allen anderen Rentnern. Das ist ein Kampf von jedem gegen jeden. Wenn dies alle tun würden, hätte niemand etwas davon – außer die Verkäufer der Produkte zur privaten Altersvorsorge.