Drei Tage vor dem Bundesparteitag der AfD in Köln, an dem sich die halbe Stadtgesellschaft für Kundgebungen gegen die Populisten rüstet, hat Parteichefin Frauke Petry auf die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl verzichtet. Sie will nicht einmal Mitglied im Spitzenteam sein; fordert aber einen Spitzenplatz auf der sächsischen Landesliste, um ihren Einzug in den Bundestag zu sichern. Erneut schlüpft die geschmeidige Ex-Vorsitzende, die einst Königsmörderin von Bernd Lucke war, in eine neue Rolle. Sie täuscht der Öffentlichkeit vor mit ihrem Strategieantrag, Repräsentantin einer bürgerlichen Partei zu sein, vor der besorgte Bürger keine Angst haben müssen. Dabei war es Petry, die mit Rechtsauslegern wie Björn Höcke so lange Allianzen schmiedete, bis die eigene Macht gesichert war. Die Rückkehr zu einem bürgerlichen Tonfall macht aus der AfD noch lange keine bürgerliche Partei – wie es tatsächlich in dieser AfD-Kampfgemeinschaft zugeht, verriet jetzt einer der Mitbegründer der „ Alternative für Deutschland“ in einem bemerkenswerten Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Der ehemalige FAZ-Redakteur Konrad Adam zeigt sich als ehemaliger Landes-und Bundesvorsitzender tief enttäuscht über den Zustand der AfD, von der er nicht mehr sicher ist, „ob das noch die Partei ist, die ich gewollt und mitbegründet habe.“ Den Vorstoß von Petry zu einer realpolitischen Strategie vergleicht Adam mit „Säuberungen unter Stalin.“ Petrys Ehemann Marcus Pretzell nennt er einen „ Zigeuner der Macht“. Im Folgenden einige der markantesten Antworten Adams in gebotener Kürze. Auf die Frage, ob man damals bei der Gründung im Jahr 2013 überhaupt ahnen konnte, dass es bei der Aufbruchsstimmung nicht bleiben würde, antwortet der Gefragte: „Wenige Wochen nach der Parteigründung kam ein späterer Funktionär zu mir und klagte sein Leid: Er sei Journalist, habe Sympathien für die AfD und deshalb Schwierigkeiten, seinen Beruf auszuüben, Und dann kam der schöne Satz, an den ich mich noch gut erinnere: Deswegen muss ich in den Bundestag.“ Die Tatsache also, dass er beruflich keinen Erfolg hatte, als hinreichender Grund für ein Bundestagsmandat. Das hat mich damals eher amüsiert; inzwischen ärgert es mich, weil wir von diesen Leuten viel zu viele haben. Wenn Sie sich die Listen für die Bundestagswahlen anschauen, kann man im Groben sagen, dass jeder Zweite bis Dritte von diesen Leuten nicht in den Bundestag gehört, zumindest nicht nach meiner Einschätzung.
Die Degradierung der parlamentarischen Institutionen zur schnöden Geldbeschaffungsanlage hat in der Geschichte der völkischen Rechten, die gewählte Volksvertreter gerne als saturierte Volksverräter diffamiert, eine lange Tradition. Als der „ Völkische Block“ zusammen mit den Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen am 4.Mai 1924 in zehn deutschen Wahlkreisen einen Zuwachs von über einer Million Stimmen erzielt, bekam die Hitler-Bewegung endlich Abgeordnete, die mit allen Vorzügen eines Parlamentariers ausgestattet waren und nicht nur über eine Freifahrkarte auf allen deutschen Eisenbahnen, sondern auch über politische Immunität und besonders über die ersehnten Diäten verfügten. Ein besseres Rückgrat für den Aufbau einer starken Parteiorganisation war nicht denkbar. Schon damals frohlockte Hitler: „Uns ist die Freifahrkarte der Abgeordneten die Hauptsache. Sie bietet uns die Möglichkeit, Agitatoren herum zu schicken, dient also ebenso wie die Diäten ausschließlich der Partei.“ (1)
Wollte die AfD aber nicht immer die Partei sein, die sich vorgenommen hatte, das Berufspolitikertum zu beenden? Auf diese Frage von Justus Bender gab Konrad Adam die Antwort: „Das ist einer der vielen Widersprüche, die mich in dieser Partei enttäuscht haben. Bei einer Wahlparty war es einmal Hans-Olaf Henkel, der gesagt hat: „Wir, die AfD unterscheiden uns von den Altparteien dadurch, dass wir nur im Beruf erfolgreiche Leute an die Spitze bringen.“ Das stimmt inzwischen nicht mehr. Ich muss hier keine Namen nennen. Aber wenn ich mich unter den Kandidaten umschaue, dann wird mir unwohl. Da rechnen sich enthemmte Grundschullehrer, gescheiterte Hochschulassistenten und frühere ARD-Korrespondenten schöne Plätze auf irgendwelchen Landeslisten aus und werden, wenn Prognosen in Erfüllung gehen, irgendwann als Vertreter des Volkes im Bundestag sitzen. Was Helmut Kohl Bimbes, die Grünen Knete und die anderen Parteien Kohle nennen, spielt als Motiv auch in der Afd eine Rolle. Wogegen wenig einzuwenden wäre, wenn es nicht öfter als einziges Motiv erschiene.
Konrad Adam hat nach eigener Auskunft bisher keinen einzigen Euro an der AfD verdient; im Gegenteil, so sagt er im FAZ-Gespräch, habe er aus eigenen Mitteln zugesetzt. Umso verständlicher, dass er ein sauberes Geschäftsgebaren besonders bei denjenigen anmahnt, die sich zur Führungselite zählen und die AfD im Bundestag, im Europa-Parlament oder in anderen Gremien vertreten wollen. Zählt er den Ehemann von Frauke Petry, Nordrhein-Westfalens Landesvorsitzenden Marcus Pretzell zu den finanziell Motivierten?
„Pretzell hat es darauf ankommen lassen, dass ein Parteikonto wegen seiner persönlichen Überschuldung gepfändet wurde. Den Unterschied zwischen privat und öffentlich scheint er nicht zu kennen, jeden falls macht er ihn nicht. Er sollte sich deswegen nicht wundern, wenn andere ihn auch nicht machen .Eine Wirtschaftsauskunftei rät von Geschäftsbeziehungen mit ihm ab, da ein hohes Ausfallrisiko bestehe. Ich frage mich, warum ich einen Menschen, mit dem in geschäftliche Verbindungen zu treten, mir ausdrücklich abgeraten wird, als Vertreter des deutschen Volkes nach Brüssel, Düsseldorf oder Berlin schicken soll. Ich kenne dafür keine guten Gründe. Inhaltlich steht Pretzell für alles und nichts. Er ist ein Wetterfahne, aber eine Wetterfahne sollte man sich nicht zum Wegweiser nehmen.“ Ist Pretzell so etwas wie ein heimlicher Parteivorsitzender durch seine Ehe mit Petry? „Wahrscheinlich. Pretzell ist ein Zigeuner der Macht.“
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(1) Volker Mauersberger „ Hitler in Weimar“ , Berlin 1999 , Seite 181ff.
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