Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster(63), ist auf Distanz zur rechtspopulistischen AfD gegangen. In einem Interview mit dem „Bonner Generalanzeiger“(18. Mai) bezeichnete Schuster die Behauptung der AfD, an der Seite der Juden zu stehen, „als geheuchelt.“ Wörtlich erklärte der Vorsitzende: „Diese These leitet die Partei daraus ab, dass sie sich sehr heftig gegen Muslime wendet. Aber die Rechnung, „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, geht nicht auf. Wir sehen Muslime nicht als unsere Feinde. In der Flüchtlingshilfe zum Beispiel sind bis heute auch jüdische Gruppen aktiv. Gerade erst hat sich der Zentralrat der Juden mit dem Zentralrat der Muslime in einem gemeinsamen Seminar darüber ausgetauscht.“
150000 Juden stehen Millionen Muslime in Deutschland gegenüber, so steht es weiter im Bonner Generalanzeiger. Schuster sieht das sehr gelassen. „Diese Situation kennen wir ja nun seit Längerem.Ich würde im Großen und Ganzen von einem friedlichen Nebeneinander sprechen. Was unserer Gemeinschaft allerdings seit 2015 Sorgen bereitet, ist der Fakt, dass unter den als Flüchtlinge nach Deutschland gekommenen arabischen Muslimen viele sind, die in ihrer Heimat über Jahrzehnte antisemitisch indoktriniert wurden. Umso größer ist jetzt die Herausforderung, diesen Menschen die Werte nahezubringen, die unser Zusammenleben in Deutschland bestimmen- vom Existenzrecht Israels bis zur Gleichberechtigung von Mann und Frau.“
Empörung wegen Äußerungen zum Mahnmal
Schuster hält der AfD vor, ihren Verantwortlichen sei es bisher nicht gelungen, sich von Parteimitgliedern, die sich antisemitisch geäußert haben, etwa in Baden-Württemberg zu distanzieren. Auch die Entscheidung, Herrn Gauland als Spitzenkandidaten der AfD zu benennen, sieht Schuster eher als eine Stärkung von Herrn Höcke denn eine Schwächung an. Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen, hatte vor Wochen mit abschätzigen Bemerkungen über das Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor in Berlin Empörung ausgelöst. Wörtlich hatte Hocke gesagt: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ AfD-Vize Gauland hatte mit Verständnis auf Hockes Auslassungen reagiert, andere vergeblich seinen Parteiausschluss gefordert. Ferner hatte Höcke eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur verlangt. Dazu Schuster: „Ich bin mir sicher, dass er damit ganz gezielt auf Stimmenfang am äußersten rechten Rand geht.“ Zu der von der AfD den Juden angebotenen Freundschaft meinte Schuster: „Wenn wir Juden darauf wirklich angewiesen wären, gehörte ich zu den ersten, die empfehlen würden, Deutschland zu verlassen.“
Gauland nennt Merkel Feindin der AfD
Höcke hatte sich auch über Bundeskanzlerin Angela Merkel negativ geäußert, ihre Regierung ein Regime genannt und sie selber mit Honecker, dem letzten DDR-Staatschef, verglichen. Auch AfD-Vorstand Gauland hat sich vor wenigen Tagen über die CDU-Vorsitzende Merkel geäußert. Nach der Wahl in NRW bezeichnete er sie als „die eigentliche Feindin der AfD“. Gerade so, als wäre Gauland im Krieg. In der Demokratie spricht man politischen Gegnern, von der Konkurrenz im parteipolitischen Wettbewerb, aber nie von einem Feind oder einer Feindin.
Kirchen gingen vor Wochen auf Distanz
Vor Wochen schon waren führende Vertreter der christlichen Kirchen auf Distanz zur AfD gegangen. Der Vorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm zeigte „klare Kante“ gegen die AfD und deren völkische und rechtsextremistische Kampfrhetorik. Ein Nationalismus, der sich gegen andere wende, sei unvereinbar mit dem christlichen Glauben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hatte in einem Spiegel-Interview den Bischöfen geraten, „rote Linien zu definieren“. Ein Christ, so Marx, sollte „höchste Vorsicht walten lassen, wenn Politiker wieder dem Nationalismus das Wort reden, wenn sie Fremdenfeindlichkeit schüren oder eine ganze Religion zum Feind erklären.“ Wenn solche Fahnen aufgezogen würden, dürfe man als Christ nicht einfach hinterherlaufen.
Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei