Noch einmal davon gekommen. Die scharfe Handgranate, die vor einer Flüchtlingsunterkunft gelandet und glücklicherweise dennoch nicht explodiert ist, zeigt allerdings, was da noch auf uns zukommen kann. Spezialisten der Polizei haben die Granate unschädlich gemacht. Seit Sommer vorigen Jahres wurden gut 900 Attacken gegen Flüchtlinge gezählt, darunter einhundert Brandanschläge gegen ihre Unterkünfte. Die Aufklärung solcher Gewalttaten tendiert gegen Null. Noch ging das ohne Todesopfer ab. Es ist nur zu hoffen, dass auch künftig der explosive Hass mutmaßlich rechtsextremer Gewalttäter ins Leere geht. Dazu allerdings bedarf es mehr als nur glücklicher Umstände. Es braucht eine Polizei, die das Gewaltmonopol des Staates auch durchsetzen kann.
Das aber ist solange nicht gesichert, so lange es nicht gelingt, den Abbau der Polizeien von Bund und Ländern durch massive Neueinstellungen rückgängig zu machen. Dabei geht es nicht nur darum, Sicherheit durch Präsenz von Polizisten an neuralgischen Plätzen in den Städten zu garantieren. Es geht auch darum, die absehbar zurückgehende Zahl von aktiven Beamten durch Erreichung der Altersgrenze aufzufangen. In den kommenden Jahren jedenfalls werden mehr Beamte in den Ruhestand treten, als derzeit eingestellt werden sollen. Zudem hat sich heraus gestellt, dass die Qualität der Ausbildung dringend verbessert werden muss. Nicht erst durch die dramatischen Fehlleistungen der Polizeien bei der Aufklärung der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes(NSU) ist das ganze Ausmaß auch eines institutionellen Rassismus im Polizeiapparat deutlich erkennbar geworden. Dadurch brauchte es zehn Jahre und Kommissar Zufall, ehe die Mörder im Milieu als Neonazis entlarvt werden konnten.
Mehr Polizei kostet mehr Geld
Mehr Polizei aber kostet Geld, das sich am Ende auch auszahlen wird. Jedenfalls muss es aufhören, dass auch in Deutschland Sicherheit käuflich wird. Immer mehr Sicherheitsfirmen bieten das Produkt „Sicherheit“an und wie sich herausstellt, oft mit Mitarbeitern, die eher im kriminellen Milieu zu finden sind oder rechtsextrem auffallen. Schnellstens ist hier Änderung notwendig und Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols angesichts der Nachricht, dass die Polizei nicht in der Lage war, Haftbefehle gegen insgesamt 370 Rechtsextremisten zu vollziehen, die nicht mehr auffindbar und damit mutmaßlich in den Untergrund abgetaucht sind. Da braut sich etwas zusammen, was den Rechtsstaat erneut herausfordern wird.
Desgleichen ist bei der Silvesternacht in Köln zu vermuten, die vor allem Flüchtlingen vor die Füße gekippt wurde, obwohl es wesentlich um junge Männer ging, die in ihren nordafrikanischen Heimatländern bereits kriminell aufgefallen waren. Durchgängig waren sie illegal nach Deutschland eingesickert. Zielgerichtete Ermittlungen waren wegen personeller Engpässe aber nur schwer durchzusetzen.
Jedes 5. Kind wächst in Armut auf
Es braucht keine hysterischen politischen Debatten, die vor allem von Bayern und der CSU angestoßen werden. Täglich neue Einfälle zur Verschärfung von Gesetzen oder der Drangsalierung von Flüchtlingen, stärken die AfD und PEGIDA und helfen nur den Rechtspopulisten. Es gilt tatsächlich, Defizite und Schwächen des Polizeiapparates aufzuarbeiten und dafür auch Geld in die Hand zu nehmen und gegebenenfalls die Länder bei Modernisierung von Polizei, Staatschutz und Verfassungsschutz auch aus dem Bundeshaushalt zu unterstützen.
Zusätzlich gilt es Mittel bereitzustellen, die die Integration fördern und zugleich die tiefe soziale Spaltung der Gesellschaft überwinden helfen. Ansonsten wird demnächst nicht wie schon jetzt jedes fünfte Kind unterhalb der Armutsschwelle in Deutschland aufwachsen. Durch Nichthandeln würde ihr Anteil nur weiter wachsen.
Bildquelle: Wikipedia, Frank Vincentz, Mahnmal Solinger Bürger und Bürgerinnen in Solingen, CC BY-SA 3.0