Wo war eigentlich Angela Merkel, als der Diesel-Gipfel in Berlin veranstaltet wurde? Warum hat sie nicht teilgenommen, warum fand die Veranstaltung nicht unter ihrer Leitung statt? Man möge mir nicht mit der Ausrede kommen, die Kanzlerin sei beim Wandern in den Alpen und auch eine vielbeschäftigte Frau wie Merkel habe das Recht auf Urlaub. Stimmt, aber einen Urlaub kann man auch unterbrechen, wenn es einen wichtigen Grund dafür gibt. Und der Diesel-Gipfel war doch einer. Warum hätten wir dieses Treffen von Politik, Industrie und Gewerkschaft sonst Gipfel genannt? Aber ein Gipfel ohne die Chefin ist eben nur ein Gipfelchen. Ich werde den Verdacht nicht los, dass Merkel bewusst dem Gipfel fernblieb, weil sie ahnte, dass dabei nur ein mieses Ergebnis herumkommen würde, das auch auf sie zurückfallen könnte. Die Kanzlerin hat sich hinter ihren unfähigen Ministern wie Alexander Dobrindt(CSU), dem Verkehrsminister, versteckt. Der kriegt jetzt die Prügel ab, die die Kanzlerin hätte einstecken müssen. Und zwar mit Recht. Es ist ja nichts Neues, dass sich die Politik von der Auto-Industrie an der Nase herumführen lässt.
Die so genannten Leitmedien in Berlin haben wie immer die Kanzlerin geschont. Das kennen wir schon, weil sie lieber den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz kurz- und kleinschreiben. Was dieses Mal nicht möglich war. Der SPD-Chef gehört der großen Koalition qua Amt nicht an, beim Diesel-Gipfel hat ihn die Umweltministerin Barbara Hendricks vertreten und zwar mit Mut und Bravour. Damit konnte zwar auch sie kein besseres Ergebnis erzielen, damit konnte auch sie nicht verhindern, dass die Autobosse sich durchgesetzt haben. Die Manager von VW, Daimler, BMW, Audi, Porsche hatten leichtes Spiel, wenige Wochen vor der Bundestagswahl wollte sich keiner der Regierungsvertreter und schon gar nicht ein CSU-Mann wie Dobrindt (Der Mann mit der Maut)mit der mächtigen Auto-Industrie anlegen. Da ging man lieber freiwillig in die Knie und akzeptierte einen Kompromiss, der im Grunde die billigste Lösung ist. Wobei Lösung das falsche Wort ist, wird doch mit der Nachrüstung der Software nicht das Problem gelöst. Der Dreck wird weiter in die Luft gepustet, macht Menschen krank, ja Tausende sterben jedes Jahr an den Folgen der zu hohen Stickoxid-Belastung.
Ist die verdreckte Luft kein Argument?
Der Kompromiss ist Flickwerk, sonst nichts. Er ist, wie die „Süddeutsche Zeitung“ kommentiert, Larifari, Klimbim. Und mit diesem Kompromiss wird wieder einmal das Versagen der Politik dokumentiert, wird belegt, wie die Politik vor den Müllers und Zetsches in die Knie geht. Der Gipfel ohne Merkel war eine peinliche Inszenierung. Gerade so, als sei die verdreckte Luft kein Argument, nach wirklichen Lösungen, die auch teuer sind, zu suchen. Dabei haben die Autobosse in der ganzen Diesel-Affäre die Öffentlichkeit belogen, dass sich die Balken bogen. Sie haben die Autofahrer angelogen, weil die im guten Glauben die VWs und Mercedes und Audis gekauft haben. Jetzt wird von Fahrverboten geredet, gerade so, als seien die Autofahrer die Sünder, die sich schämen müssten, einen Diesel zu fahren, der die Luft verpestet und vor allem die Gesundheit von kleinen Kindern angreift.
Zur Klarstellung: Der Autofahrer ist Opfer, die Täter sind die oben erwähnten Manager, die die Mogelei um den sauberen Diesel, der eben gar nicht sauber ist, zugelassen haben. In den USA hat VW dafür Milliarden Dollars an Strafe bezahlen müssen, in Deutschland gibt es keine Sammelklagen. Hier soll der betrogene Autofahrer mit ein paar Euro abgefunden werden. Dass der Diesel an Wert verliert und der Autohalter diesen Verlust wird tragen also bezahlen müssen, das ist dann eben Künstlerpech. Die teure und einzige wirkliche Lösung über die Hardware ist zu teuer, haben die Bosse der Politik gesagt. Also wird es so gemacht. 800000 Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden. Man kennt diese Argumentation von anderen Wirtschaftszweigen. Dass dadurch notwendige Reformen verhindert werden, die später viel mehr Geld kosten, wird schlicht verschwiegen.
Profi im Vertagen von Problemen
Martin Schulz hat der Kanzlerin in einem Interview mit „Spiegel-online“ vorgeworfen, sie sei ein „Profi im Vertagen von Problemen“. Merkel vernachlässige ihre Pflicht, weil sie den Wählern nicht sage, was sie vorhabe. Das trifft zu auf ihre umstrittene Flüchtlings-Politik, wo sie ja mit Horst Seehofer, dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef, vereinbart hat, dass das Thema bis nach der Bundestagswahl vertagt wird. Derselbe Seehofer, der im Wahlkampf einträchtig neben und hinter Merkel auftritt, hatte der Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik eine Herrschaft des Unrechts vorgeworfen und sogar mit Verfassungsklage gedroht. Und jetzt soll wohl das Diesel-Problem, das Millionen Autofahrer betrifft, bis auf den Herbst verschoben werden. Und wenn sich dann eine Lösung, die den Namen verdient und die des Beifalls der Leit-Medien sicher sein kann, abzeichnet, wird die Kanzlerin persönlich das Ergebnis der staunenden Öffentlichkeit lächelnd präsentieren.
Ob sich mit dieser Politik des Abwartens und Wegtauchens die Vertrauenskrise, in der die Automobil-Industrie steckt, beheben lässt, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr muss die Politik aufpassen, dass sie von dieser Vertrauenskrise, an der sie mitverantwortlich ist, nicht noch mehr angesteckt wird. Die Marke „Made in Germany“ hat durch die Betrügereien der Auto-Industrie schon genug Schatten erlitten.
Bildquelle: Wikipedia, Rudolf Simon, CC BY-SA 3.0
Lieber Herr Pieper,
Sie haben die Dinge auf den Punkt gebracht, und dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Das einzige Argument mit einer Wirkung auf die Politik von Frau Merkel wären sinkende Umfragewerte, aber da zeigen die deutschen Wähler seit Jahren außerordentlichen Langmut.
Vielleicht doch eine Frage, der Sie nachgehen könnten, warum schonen die Leitmedien Frau Merkel? Ist es die wohlige Nähe zu dieser mächtigen Politikerin, die die dort tätigen Journalistinnen und Journalisten suchen?
Weiter so, mit Ihrem Blog!
D. INgendahl