„In welchen Urlaubsregionen kann ich Leitungswasser unbedenklich trinken?“ Es dürfte der Reisezeit und dem nervigen Clickbaiting geschuldet sein, dass diese Frage auf Social Media trendet. Antworten darauf gibt es viele, aber nur wenige dürften einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten. Eine davon möchte ich vorstellen. Bei dieser steht Deutschlands Trinkwasser an 5. Stelle der weltweit gesundheitlich unbedenklichsten Wässer. Um es positiv zu formulieren: Deutschlands Trinkwasser gehört weltweit somit zur Spitzengruppe der besten Trinkwasser.
Eine Reise kann ein jähes Ende finden, wenn man zu sorglos zum Leitungswasser greift. In manchen Ländern reicht schon der Eiswürfel im Cocktail oder der mit Leitungswasser gewaschene Salat. Und schon muss das ersehnte Sonnenbad am idyllischem Strand dem Daueraufenthalt auf der Toilette weichen – bestenfalls. Daher ist es gut zu wissen, in welchen Regionen man statt dem Trinkwasser besser dem Flaschenwasser vertrauen sollte. Aber wie kann man beurteilen, ob Wasser unbedenklich ist? Und überhaupt: Kann überhaupt eine Bewertung des Trinkwassers für einen ganzen Staat vorgenommen werden?
Die Qualität des Wassers wirkt sich auf die allgemeine Volksgesundheit aus
Eine seriöse Quelle für die Beantwortung der Frage, wo unbedenklich Trinkwasser getrunken werden kann, dürfte der Environmental Performance Index (EPI) des Yale Center for Environmental Law & Policy sein. Der EPI ermittelt 58 Umweltindikatoren in 180 Staaten der Erde, unterteilt in die Rubriken „Klimawandel“, „Ökosystemvitalität“ und „Umweltgesundheit“. In dieser sehr umfassenden und auch aus anderen Gründen aufschlussreichen Studie „Environmental Performance Index 2024“ zählen die Kategorien „unsicheres Trinkwasser“ (unsafe drinkingwater) und „unsichere Sanitärbedingungen“ zur „Umweltgesundheit“. Für jede der 58 Kategorien gibt es eine Ranking der 180 Staaten, die wissenschaftlich mit umfassenden Studien und Statistiken aufbereitet worden sind.
Die Frage, wo Trinkwasser nicht unsicher ist, also unbedenklich getrunken werden kann, wurde anhand von medizinischen Statistiken und Methoden, in die durch Tod oder Krankheit bedingte „Anzahl der verlorenen Lebensjahre pro 100.000 Personen“ (DALY-Rate) aufgrund des Kontakts mit unsicherem Trinkwasser einfließen, beantwortet. Je mehr Menschen in einem Land wegen unsicherem Trinkwasser erkranken oder sterben, desto unsicherer ist verständlicherweise das Wasser.
Die Länder mit den höchsten Bewertungspunkten dürfen sich der gesundheitlich besten Wasserqualität erfreuen. Deutschland zählt mit einem Score von 98,1 zur Spitzengruppe. Die Ergebnisse für 180 Staaten sind über den Link in den Quellenangaben des EPI einsehbar. Die Frage, weshalb ausgerechnet die USA an erster Stelle steht und das gefolgt von Italien, konnte ich bisher noch nicht klären. Bemerkenswert ist das auch deshalb, weil sich in der letzten Studie aus 2021 die Spitzengruppe noch anders zusammengesetzt hatte. Den Höchstwert von 100 erreichten damals neben Österreich, Finnland, Griechenland, Island, Irland, Malta, der Niederlande, Norwegen, Schweiz und Grossbritannien. Deutschland hatte auch damals die 100er-Marke knapp verfehlt.
Die Daten für die Ermittlung der DALY-Rate stammen von einer weiteren in den USA angesiedelten wissenschaftlichen Organisation, dem Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME). Dies ist eine unabhängige Forschungsorganisation für Bevölkerungsgesundheit an der medizinischen Fakultät der University of Washington. Sie erstellt mit Partnern aus der ganzen Welt die renommierte Global Burden of Disease Study (GBD) in die eine schier unglaublich umfassende Ereignisdaten zu den unterschiedlichsten Krankheits- und Todesursachen aus den Statistiken der Staaten erfasst und nach verschiedenen Variablen ausgewertet.
Die ärmsten Länder müssen mit dem schlechtesten Wasser leben
Es ist wie in den meisten globalen Vergleichen, bei denen es um Gesundheit oder Lebensqualität geht. Während am oberen Ende der Rangfolge die wohlhabenderen Industriestaaten angesiedelt sind, bilden die Ärmsten des globalen Südens die Schlusslichter. Nicht anders bei Trinkwasser. Der die Staaten des globalen Südens weisen die höchsten Raten der Todesfälle infolge verunreinigten Trinkwassers auf. In diesen Ländern wie dem Tschad (Rang 180), der Zentralafrikanischen Republik (179), Nigeria (178) oder Bukina Faso kann zumindest für die den größten Teil der Bevölkerung von Trinkwasser, zumal aufbereitet nach hiesigen Standards keine Rede sein. Das Trinkwasser, wenn es überhaupt so bezeichnet werden darf, muss Bohrlöchern oder offenen Gewässern entnommen werden, in denen auch das Abwasser mündet. Trinkbares Wasser ist dort seltener und unzugänglicher als manch anderes Gut des täglichen Lebens. Und es ist teuer. Vielfach muss es von fahrenden Wasserhändlern gekauft oder mit Kanistern über lange Wege zumeist von Frauen oder Mädchen transportiert werden.
Es ist dem westlichen Wohlstand, der weitgehenden Verteilungsgerechtigkeit und den weitreichenden Gesetzen zu verdanken, dass sich die Wasserinfrastruktur in einem derartig guten Zustand befindet und gesundheitlich hochwertiges Trinkwasser liefert. Die Sicherung der natürlichen Ressourcen und der Erhalt der Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen ist eine Daueraufgabe, der sich die Gesellschaft uneingeschränkt widmen muss.
Quellen / Weiterführendes
- Environmental Performance Index, Yale Center for Environmental Law & Policy, 2024
- EPI Category „Unsafe drinking water“, Yale Center for Environmental Law & Policy, 2024
- Global Burden of Disease (GBD) Study Institute for Health Metrics and Evaluation, August 2024 (jeweils Abruf 1.9.2024)
- WELTFRAUENTAG – Weshalb das Fehlen einer Wasserversorgung die Frauen benachteiligt, LebensraumWasser, 7.3.2020
- Isländer starten Kampagne für ihr „bestes Wasser der Welt“, LebensraumWasser, 10.6.2019