Sachverständige, Politiker und andere Experten verbreiten positive Stimmung für das Neue Jahr. Nach dem tiefen Einbruch der Weltökonomie und auch der deutschen Volkswirtschaft in 2020 soll es wieder aufwärts gehen. Um gut 5 % ist das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands geschrumpft. In den meisten europäischen Staaten war der Einbruch noch wesentlich stärker – etwa in Frankreich mit einem Minus von fast 10 %, in Italien mit -9 %, in Spanien mit -12 % und in Großbritannien mit -11 %. Ebenso schrumpfte das Wachstum in den USA (-3,8 %) und in Japan (-5,5 %). Lediglich Chinas Wirtschaft erholte sich bereits 2020 und expandierte um rund 2 %. Die Corona-Krise hat weltweit zu tiefen Einbrüchen geführt.
Im harten Griff der Pandemie
Nach dem ersten Lockdown im Frühsommer kam die deutsche Wirtschaft wieder recht schnell in Schwung und bewies eine hohe Widerstandskraft. Dadurch wurde die Talfahrt zumindest etwas abgebremst. Zum Herbst und Winter hin gingen die Zahlen der Inzidenzfälle und auch der Sterbefälle infolge von Corona so stark in die Höhe, dass mit einem zweiten Lockdown nochmals auf die Bremse getreten werden musste. Viele Virologen und Mediziner befürchten, dass diese Pandemiewelle kaum vor dem nächsten Frühjahr zu stoppen sein wird. Da das Virus Covid 19 auch noch zu mutieren droht, wie darüber bereits aus Großbritannien berichtet wird, ist ein dritter Lockdown auch in Deutschland nicht auszuschließen. Die ökonomischen und sozialen Kollateralschäden werden jedenfalls wesentlich größer ausfallen, als sie bisher prognostiziert wurden.
Impfaktion gegen Corona
Zur Jahreswende steht fest, dass kaum ein Staat die Pandemie mit durchschlagendem Erfolg im Griff hat. Die Volksrepublik China ist hier die große Ausnahme: Das Reich der Mitte hat kaum noch Coronafälle und konnte seine Volkswirtschaft wieder auf einen soliden Wachstumskurs bringen. Mit der Zulassung des ersten Impfstoffs von Biontech/Pfizer keimen auch in Deutschland große Hoffnungen auf, das Covid-Virus erfolgreich zu besiegen. Die ersten Impfungen beginnen bereits zwischen den Jahren. Doch dürfte es trotz aller guten Vorbereitungen der Impfprozesse bis zum Herbst oder gar Winter 2021 dauern, bis die rund 50-60 Millionen in Deutschland, die impfbereit sind, das Vakzin gespritzt bekommen haben. Sie müssen zudem exakt 21 Tage nach der ersten Impfung eine zweite Dosis des Vakzins verabreicht bekommen, das sonst die Immunisierung ausbleibt. Angesichts der großen Gefahren, die dennoch andauern und seitens der Impfgegner virulent bleiben, wird das Leben und Arbeiten im Neuen Jahr weiterhin von den AHA-Regeln, dem Homeoffice und anderen Vorsichtsmaßnahmen bestimmt werden. Die Rückkehr zur Normalität, wie sie vor der Corona-Zeit herrschte, wird bestenfalls im Jahre 2022 möglich werden.
Selbst von dem Ziel, nur noch 50 oder gar nur 10 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern zu erreichen, sind wir derzeit und wohl auch in den nächsten Monaten meilenweit entfernt. Zum Ende des Jahres 2020 bewegen sich die Zahlen zwischen 190 und 600 – recht unterschiedlich in den Ländern und Kreisen. Die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen sich also auf einen noch sehr langen Hindernislauf einstellen.
4 bis 5 % Wachstum in 2020?
Angesichts dieser großen Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Pandemie sind alle Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung mit Vorsicht zu werten. Für 2021 wird ein Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 4 bis 5 % erwartet. Nach dem Lockdown zum Ende des abgelaufenen Jahres dürfte es zu Beginn des Neuen Jahres zunächst eine Wachstumsschrumpfung, bestenfalls eine Stagnation geben. Belebende Impulse für das gesamte Jahr 2021 können vom privaten Konsum (+4 % nach -5,5 % in 2020), von den privaten Investitionen (+4 % nach -3 %) und den Staatsausgaben (+2,5 % nach +4,5 %) ausgehen. Ob das Export-Aggregat wieder voll auf Touren kommen wird, die deutschen Ausfuhren gar um etwa 10 % (nach -10 % in 2020) steigen werden, das ist mehr als unsicher. Denn die Weltkonjunktur wird weiterhin von der Corona-Krise gelähmt. Auch hier ist der einzige Lichtblick die chinesische Volkswirtschaft, für die im Neuen Jahr ein Wachstum um rund 9 % erwartet wird. Die deutschen Exporte dorthin sind bereits in den letzten Monaten 2020 kräftig gestiegen und sollten auch 2o21 zunehmen. Die großen deutschen Autofirmen machen inzwischen 30 bis 40 % ihres Geschäfts in China und setzen hier auf weitere Erfolge. China ist inzwischen der zweitwichtigste Absatzmarkt für die deutsche Industrie.
Vor einer geopolitischen Neuorientierung?
In der deutschen EU-Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2020) hat sich deshalb die Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein Investitionsschutzabkommen der EU mit der chinesischen Regierung engagiert. Ob dies Anfang 2021 endgültig vereinbart wird, ist allerdings noch nicht sicher. Das Abkommen, das den Zugang europäischer Unternehmen zum großen chinesischen Markt verbessern und faire Wettbewerbsbedingungen mit den vielfach staatlich geförderten chinesischen Firmen schaffen soll, wäre strategisch und geopolitisch bedeutend. Nach der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten sollte es auch zu Verhandlungen über bessere transatlantische Beziehungen ebenso wie über das zukünftige Verhältnis der USA zur Volksrepublik China kommen. Dabei gilt es zu beachten, dass die demokratische Partei von Joe Biden, eine mindestens so protektionistische Politik verfolgt wie die Republikaner mit Donald Trump. Die geopolitischen Themen werden in 2021 auf der Agenda der EU, USA und Chinas eine große Rolle spielen. Von der Lösung der nicht einfachen Probleme hängen vor allem auch einige deutsche Wirtschaftszweige und viele global agierende Firmen ab.
Wieder steigender privater Konsum
Obwohl die Einkommen der privaten Haushalte durch die enorme Expansion staatlicher Hilfen gestützt wurden, gibt es bei vielen dennoch Einkommenseinbußen, die auch nicht durch den vereinfachten Zugang zur Kurzarbeit und die Hilfen für Soloselbständige ausgeglichen werden. Sowohl im ersten als auch im zweiten Lockdown gab es starke Einschränkungen im Einzelhandel und bei konsumnahen Dienstleistungen. Die Sparquote, die zwischenzeitlich auf über 20 % angestiegen war, hat sich inzwischen auf gut 10 % normalisiert. Für viele mittelständische Firmen könnten die staatlichen Hilfen zu spät kommen. Nicht wenige klagen darüber, dass die Auszahlung zu langsam erfolgt; viele Klein- und Mittelbetriebe stehen unmittelbar vor der Insolvenz.
Geplagter Einzelhandel
Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich das Verbraucherverhalten stark verändert: Immer mehr Konsumenten kaufen online ein – bei den großen Anbietern, aber auch bei regionalen und lokalen Lieferanten. Dieser Trend wird sich 2021 verstärken; davon profitieren Giganten wie Amazon ebenso wie innovative „Kiez-Kaufhäuser“, bei denen online-Bestellungen den Kunden mit lokalen Waren ins Haus geliefert werden. In einigen Handelssparten macht das online-Geschäft bereits 30 bis 50 % aus.
Diese Veränderungen im Einzelhandel wird Folgen für die Struktur in den Innenstädten haben. Ohnehin drohen hier viele Pleiten von Händlern, Restaurants und Anbietern verbrauchernaher Dienstleistungen im Laufe des Neuen Jahres. Nicht wenige Geschäftsinhaber mussten bereits ihre Läden zum Ende des abgelaufenen Jahres Hilfen schließen, weil es ihnen an finanziellen Rücklagen fehlte. Das gilt in gleicher Weise für manche Restaurants, Hotels oder Kneipen – vor allem für die, deren Eigenkapitaldecke bereits seit einiger Zeit zu kurz geworden war.
Insgesamt dürfte der private Konsum im Neuen Jahr wieder um rund 4 % über dem Niveau von 2020 liegen. Die Mehrwertsteuer wird ab dem 1.1.2021 zwar wieder auf den üblichen Satz ( 19%/ 7 %) angehoben, doch wird der dann entfallende Solidaritätszuschlag für geringe und mittlere Einkommensbezieher ein kleiner positiver Impulsgeber sein. Die Energiepreise werden weiter steigen, doch wird sich die Inflationsrate nur auf gut 1 % (2020: +0,3 %) erhöhen. Die Tarifabschlüsse sollten mit einem Plus von etwa 1,5 % abschneiden. Die Rentner werden mit einer Null-Runde rechnen müssen. Die Beiträge zu den Sozialversicherungen werden durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen erhöht.
Spuren auf dem Arbeitsmarkt
Auf dem Arbeitsmarkt hat die Corona-Krise bereits 2020 einige Spuren hinterlassen. Im Verlauf des Neuen Jahres ist mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahlen und mit einem deutlicheren Rückgang der Beschäftigtenzahl zu rechnen. Zwar bietet die Kurzarbeiterregelung eine Brückenfunktion, doch muss eine steigende Zahl von Firmeninsolvenzen im Verlauf des Jahres erwartet werden; das wird sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken. Hinzu kommt der Strukturwandel in manchen Branchen – von der Autoindustrie und deren Zulieferern bis hin zum Kreditgewerbe -, in denen viele tausend Stellen wegfallen. Gewerkschaften und Arbeitgeber sehen deshalb die größte Herausforderung darin, Arbeitsplätze und Beschäftigung soweit wie möglich zu sichern. Die Lohn- und Gehaltssteigerungen werden sich deshalb zwischen 1 bis 2 % bewegen.
Steigende Staatsverschuldung
Mit großer Entschlossenheit hat der Staat die riesigen Herausforderungen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie angenommen. Vor allem ging und geht es darum, die riesigen Kollateralschäden zu verringern – mit Überbrückungshilfen und Beteiligungen für Unternehmen, mit dem Kurzarbeitergeld, mit der Unterstützung des Handels, der Gastronomie und der Soloselbständigen und von vielen anderen Bereichen. Auch die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen gegen das Corona-Virus wurden massiv vom Bund gefördert. Die anlaufende Impfaktion wird weitere Milliarden Euro kosten – ebenso wie die kostenlose Vergabe von Masken und anderen Schutzausrüstungen.
Die Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2021 wird auf rund 180 Mrd. Euro steigen. Die Gesamtschulden des Bundes werden sich damit auf 1.529 Mrd. Euro erhöhen. Dieser finanzpolitische Kurs ist jedoch richtig, um weitere wirtschaftliche Einbrüche zu vermeiden, um Firmen und Arbeitsplätze zu retten, um den ökonomischen Strukturwandel – Digitalisierung, Wasserstofftechnologie, Quantencomputer usw. – zu fördern. Statt auf die Schuldenbremse muss auf’s Gaspedal getreten werden. Denn nur die Rückkehr auf einen Wachstumskurs bietet den besten Ausweg für die Wirtschaft, die Beschäftigung und die Staatsfinanzen. Bei einer Staatsquote von knapp 50 % bringt nämlich jedes Wachstumsprozent viele Milliarden in die Steuer- und Sozialkasse. Nur so wird auch wieder das Erreichen der „Schwarzen Null“ in den nächsten Jahren möglich werden. Dabei hat der Bundesfinanzminister derzeit das große Glück, dass er seine Anleihen zum Minuszins auf dem Kapitalmarkt platzieren kann. Dank der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist das möglich. Und das Zinsniveau wird noch eine längere Zeit sehr niedrig bleiben, was Sparer bedauern, Kredit- und Hypothekennehmer freuen wird.
Vor einem spannenden Wahljahr
2021 wird mit der Bundestagswahl Ende September und 6 Landtagswahlen ein Superwahljahr. Im Vordergrund dürften dabei das Covid 19-Krisenmanagement, die Wirtschafts- und Finanzpolitik für den Weg aus der Krise sowie die Umweltpolitik stehen. Die demoskopischen Umfragen zur Jahreswende sehen die CDU/CSU mit 35-37 % weit vorn, wenn am nächsten Sonntag die Bundestagswahl wäre. Die SPD liegt bei 16-17%, die FDP bei 5-7%, die Linke bei rund 7 %, die AfD bei 9-10 %, während die Grünen auf 17-19 % kommen. Die CDU wird am 16. Januar ihren neuen Bundesvorsitzenden wählen. Für wen (Norbert Röttgen, Armin Laschet, Friedrich Merz) sich die 1001 Delegierten mehrheitlich entscheiden werden, ist ziemlich offen. Nach dieser Wahl wollen die Schwesterparteien CDU und CSU den Kandidaten für die Kanzlerwahl bestimmen. Wer es dann auch immer sein mag, er wird zur Bundestagswahl ohne den Amtsbonus, den Angela Merkel zuvor hatte, antreten müssen. Zwar trauen zur Zeit über 40 % der Bevölkerung der Union, der SPD oder den Grünen kaum 10 % die Lösung der schwierigen Probleme zu, doch kann sich das im Verlauf des Jahres noch ändern, wenn die schlechten Nachrichten über Firmeninsolvenzen, wachsende Arbeitslosigkeit, Defizite bei dem Management der Covid-Krise, Schultern der Krisenkosten, Steuererhöhungen u. ä. den Wahlkampf bestimmen werden. Das Jahr 2020 war eines der schlechtesten seit langem. Die akute Bedrohung durch das Corona-Virus ist auch nach den zwei ungewöhnlichen Lockdowns noch nicht gebannt. Die am 27. Dezember gestartete Impfaktion wird 2020 voll in Gang kommen, jedoch nicht einfach sein. Die Herausforderungen an den Staat, die Gesellschaft und die Wirtschaft werden auch 2021 groß bleiben und müssen möglichst solidarisch gemeistert werden. Die Bundeskanzlerin hat sich in ihrer jüngsten Rede vor dem Bundestag als Mutmacherin in diesen Pandemiezeiten versucht und gesagt: „Ich sehe in dieser Corona-Krise Licht am Ende des Tunnels“. Sie hoffte auf die Impfungen, riet aber zu Realismus. Denn niemand weiß, wie lang der Tunnel ist und ob das Licht nur eine flackernde Kerze ist, die schon beim nächsten Windstoß ausgehen wird.
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