Zur Jahreswende wird Bilanz gezogen und der Blick auf 2017 gewagt. Das abgelaufene Jahr war für die deutsche Wirtschaft recht erfolgreich. Mit einem realen Wachstum von fast 2 % schloss es noch besser ab als in den Jahren zuvor (2015: +1,6 %, 2014: +1,7 %). Obwohl es durchaus manche Störfaktoren gab, wirkten sich weder die Brexit-Entscheidung noch der Wahlkampf in den USA mit dem Sieg von Donald Trump, weder die Risiken in vielen europäischen Ländern noch der schwache Welthandel negativ aus.
2016 mit guter Binnenkonjunktur
Vielmehr sorgten die endogenen Kräfte, insbesondere der private Konsum, und die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für einen soliden Aufschwung und eine Rekordbeschäftigung mit fast 44 Mio. Erwerbstätigen, von denen rund 31,5 Mio. sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Die Zahl der Arbeitslosen sank auf etwa 2,5 Mio., die der offenen Stellen stieg weiter auf rund 1 Mio. an. Nicht zuletzt sorgten die staatlichen Ausgaben für Schubkraft; der Staatskonsum erhöhte sich 2016 um 4 %, insbesondere auch wegen der Ausgaben für die Unterbringung und Versorgung von einigen hunderttausend Flüchtlingen. Ebenso sprang die Bauwirtschaft wieder an; von ihr gingen deutliche Impulse für die Binnenkonjunktur aus. Wesentlich verlangsamten sich dagegen die Ausfuhren deutscher Firmen, die 2016 gerade noch um 2 % (2015: +5 %) zunahmen.
Starke Wettbewerbsfähigkeit
Moderat verlief die Entwicklung bei Löhnen und Gehältern: Arbeitgeber und Gewerkschaften vereinbarten durchweg Tariferhöhungen um rund 2 %. Da die Verbraucherpreise im Durchschnitt kaum stärker als um 0,5 % stiegen, gab es ein deutliches Plus bei den Realeinkommen. So konnte die deutsche Wirtschaft ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern: Im jüngsten Ranking des Weltwirtschaftsforums (WEF) nahm Deutschland hinter der Schweiz, Singapur, den USA und den Niederlanden Platz 5 ein. Allerdings wies das WEF auch darauf hin, dass es hierzulande Defizite bei der Infrastruktur und den institutionellen Rahmenbedingungen gibt. Insbesondere die Steuerregulierungen und die Ineffizienz der Bürokratie würden die unternehmerische Dynamik bremsen.
Chancen und Risiken in 2017
Die Perspektiven 2017 für die deutsche Wirtschaft sind durchaus positiv; allerdings müssen einige Risiken miteinkalkuliert werden. Das reale Wachstum des Bruttoinlandsproduktes dürfte mit etwa 1,5 % zwar etwas schwächer als 2016 ausfallen, doch nach wie vor deutlich über dem Niveau der meisten Volkswirtschaften im Euroland liegen. Im neuen Jahr werden der private Verbrauch und der Staatskonsum der Konjunktur nicht mehr ganz so starke Impulse verleihen. Da die Preise für Energie „made in Germany“ und für Öl-Importe ansteigen werden, muss auch mit einer höheren Inflationsrate gerechnet werden: So ist ein Plus von etwa 1,5 % bei den Verbraucherpreisen für 2017 zu erwarten.
Wohnungsbau und Infrastruktur stärken
Positiv werden sich der Wohnungsbau und die stärkeren öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur auswirken. Die außerordentlich niedrigen Hypothekenzinsen bieten gute Chancen für viele, die ein Eigenheim bauen oder eine Eigentumswohnung kaufen wollen; mit kaum 50 % ist die Quote beim privaten Immobilieneigentum gering, zumal mehr als 80 % der Menschen in unserem Lande sich „eigene vier Wände“ wünschen und diese vor allem auch als gute Altersvorsorge betrachten. Insbesondere fehlen einige hunderttausend Sozialwohnungen für Deutsche und Migranten.
Auch die öffentliche Infrastruktur ist lange Zeit vernachlässigt worden; das gilt für den Straßenbau ebenso wie für Schulen und Universitäten, für Abwasserkanäle ebenso wie für Kommunikations- und Energienetze. Allein im Schulsektor wird der aufgestaute Investitionsbedarf auf über 30 Mrd. Euro geschätzt. Der Bund stellt finanzielle Mittel zur Verfügung; die Länder und Kommunen sollten im neuen Jahr möglichst viele Projekte realisieren und Defizite bei den Planungskapazitäten überwinden. So könnten sich daraus ein gutes Konjunkturprogramm und zusätzliche Wachstumsimpulse entwickeln.
Export im kleineren Gang
Auch wenn die Weltwirtschaft in 2017 wieder mehr Fahrt aufnehmen wird, die Aussichten für die deutschen Exporte dürften sich nur wenig aufhellen. Denn die Nachfrage nach deutschen Anlagen, Maschinen, Chemieprodukten, Automobilen usw. wird wohl angesichts der schwachen konjunkturellen Entwicklung in den meisten europäischen Ländern nur wenig anziehen. Allerdings nimmt die Weltwirtschaft außerhalb Europas wieder stärker Fahrt auf. In den USA sowie auch in lateinamerikanischen und asiatischen Staaten wird es aufwärts gehen. Insgesamt könnten die deutschen Ausfuhren in 2017 um rund 2 bis 3 % zulegen.
Der Euro verliert gegenüber dem Dollar
Der Fall des Euro gegenüber dem US-Dollar sorgte bereits dafür, dass deutsche Waren vor allem auf den außereuropäischen Märkten preiswerter geworden sind. Im neuen Jahr könnte schon sehr bald die Parität des Euro zu Dollar bei 1:1 oder sogar darunter liegen; im Jahre 2008 hatte der Kurs für 1 Euro bei etwa 1,50 US-Dollar gelegen. Die von der US-Notenbank FED eingeleitete Zinserhöhungspolitik wird 2017 mit weiteren Schritten fortgesetzt und zu einer weiteren Stärkung der US-Devise sorgen.
Das wird für uns zum einen zu höheren Ausgaben für Rohstoff- und Energieimporte, die in Dollar fakturiert werden, führen, zum anderen aber auch im Laufe des neuen Jahres zu einer Überprüfung der Geldpolitik der EZB Anlass geben. Denn sonst würden massive Kapitalabflüsse in Richtung USA erfolgen.
Die Rätsel des Donald Trump
Unsicherheit herrscht derzeit über den zukünftigen wirtschaftspolitischen Kurs des US-Präsidenten Donald Trump, der im Januar ins Weiße Haus einziehen wird. Vorab hat er eine starke Senkung der Unternehmens- und Einkommensteuer, wesentlich höhere Investitionen in die Infrastruktur und steigende Ausgaben für das US-Militär angekündigt. Allerdings müssen für die Realisierung dieser Vorhaben noch politische Hürden im Kongress und Senat überwunden werden, wo mit einem harten Widerstand gegen wachsende Defizite im Haushalt der USA zu rechnen ist. Risiken für die deutsche Exportwirtschaft zeichnen sich insbesondere dadurch ab, dass der neue Präsident eine Politik des „USA first“ verfolgen und dafür durchaus protektionistische Maßnahmen ergreifen will. Aus seiner Ablehnung einer transatlantischen Wirtschafts- und Freihandelszone (TTIP) ist dies mehr als deutlich abzulesen. Vor allem wird der neue US-Präsident wesentlich höhere Beiträge von den Europäern -insbesondere von Deutschland- für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik fordern.
EU auf dem Krankenbett
Die EU befindet sich zu Beginn des Jahres 2017 allerdings in einer geradezu miserablen Verfassung. Nach der Brexit-Entscheidung herrscht in Brüssel mehr oder weniger Kopflosigkeit, wie das zukünftige Verhältnis zu Großbritannien zu gestalten sein wird. Die Schuldenkrisen in Griechenland und einigen anderen US-Staaten schwelen weiter. Bei der Flüchtlingskrise gibt es kaum Solidarität und wenig Fortschritte zur Lösung der Migrantenprobleme. Eine klare Strategie zur stärkeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit -etwa bei der Digitalisierung- scheitert mehr oder weniger an nationalen Interessen, obwohl die EU gegenüber anderen Konkurrenten wie den USA und auch China bereits stark ins Hintertreffen geraten ist. Ähnlich sieht es bei einer gemeinsamen Verteidigungspolitik aus, die zwar auf dem jüngsten EU-Gipfel auf der Agenda stand, aber nicht einmal in Umrissen zu erkennen ist. Die zentrifugalen Kräfte nehmen in vielen Staaten der europäischen Gemeinschaft zu; in einigen dominieren bereits Nationalismus und Chauvinismus. Bei den 2017 stattfindenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und auch in Deutschland könnten rechtsradikale Parteien für böse Überraschungen sorgen und die Stabilität der Demokratie erschüttern – wie etwa schon in Polen und Ungarn.
Diese politischen Risiken dürften nicht ohne negative Wirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung bleiben. Vor allem für Deutschland, das von möglichst viel Freihandel in der globalisierten Welt abhängig ist, bedeutet jede Renationalisierung eine große Gefahr. Ohnehin sind alle großen Herausforderungen nicht mehr national zu meistern – weder die Flüchtlingskrise noch die Umweltprobleme, weder die Bekämpfung des Terrorismus noch die Währungs- und Handelsprobleme. Allerdings wird es in der postfaktischen Welt immer schwieriger, mit Realitäten gegen Gefühle und Angstmacherei zu punkten.
Das Superwahljahr 2017
2017 wird ein wichtiges Wahljahr in Deutschland sein. Die CDU und CSU werden mit Angela Merkel als Kanzler-Kandidatin bei der Bundestagswahl im September antreten. Die SPD ist derweil noch im Findungsprozess, dürfte jedoch Sigmar Gabriel zu ihrem Kandidaten küren – wenn er es denn wirklich will. Die Themen kristallisieren sich heraus: Terrorismus, Flüchtlinge, innere Sicherheit, Renten, soziales Gefälle, Energie und Umwelt. Folgt man den Umfragen, die zur Jahreswende vorlagen, werden im 19. Bundestag 7 Parteien vertreten sein; CDU und CSU dürften allen Störfeuern aus Bayern zum Trotz jedoch wieder eine Fraktion bilden, selbst wenn zuvor keine Einigung über eine Obergrenze bei Flüchtlingen erzielt werden sollte. Derzeit liegen die demoskopischen Befunde bei 32 bis 38 % für die CDU/CSU, bei 20 bis 23 % für die SPD, bei 10 bis 11 % für die Grünen, knapp 10 % für die PDS, rund 12 % für die AfD und bei 5 bis 6 % für die FDP. Auf die Frage, welche Partei die Probleme in Deutschland am besten meistern würde, nannten jüngst 28 % die Union, nur 8 % die SPD. 54 % trauten es keiner Partei zu!
Nach dem Stand zu Anfang des Jahres 2017 könnte Angela Merkel mit der CDU/CSU zum einen die Große Koalition mit der SPD fortführen; allerdings gibt es bei den Sozialdemokraten zum Teil heftigen Widerstand dagegen. Alternativ wäre eine Koalition der CDU/CSU mit den Grünen und, wenn dies nicht ganz reichen sollte, ein Bündnis CDU/CSU plus Grüne und FDP möglich. Angesichts der Spaltung der Grünen in Realos und Fundis wird eine schwarz-grüne Koalition in weiten Teilen der Wirtschaft als zu risikoreich abgelehnt. Die SPD will raus aus der schwarzen Umarmung und strebt notfalls eine rot-rot-grüne Mehrheit an – nach dem jetzt in Berlin praktizierten Modell. Wenn es auch derzeit als sehr unwahrscheinlich gilt, dass die SPD in einem solchen Bündnis den nächsten Bundeskanzler stellen wird, die Zeit bis zum Wahltag ist noch sehr lang; angesichts der labilen politischen Entwicklungen sind Überraschungen nicht auszuschließen. Vor allem könnte das Ergebnis für die AfD zu einem ähnlichen Paukenschlag wie bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern führen.
NRW wird der Text für den Bund
SPD und Grüne werden im Wahlkampf insbesondere das Thema „soziale Gerechtigkeit“ intonieren und konsequent für höhere Steuern auf hohe Einkommen, Erbschaften und Vermögen plädieren. Dass damit bei Firmen und Unternehmern wenig Gegenliebe zu erwecken sein wird, ist schon heute klar. Ob eine massive Neiddiskussion in den Mittel- und Unterschichten der Bevölkerung zu größeren Stimmengewinnen führen könnte, das bleibt abzuwarten und ist gewiss nicht garantiert. So gesehen wird 2017 politisch und wirtschaftlich ein spannendes Jahr voller Chancen und mit vielen Risiken. Die in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai stattfindende Landtagswahl wird der wichtigste Test für die Wahl im Bund sein.
Bildquelle: Wikipedia, Arnoldius, CC BY-SA 3.0