Ist Wasser zu billig? Ja, erklärten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Umweltminister Thomas Glauber (Freie Wähler). Beide wollten bis vor zwei Jahren die Wasserentgelte im Freistaat erhöhen. Söder kündigte im Sommer 2021 an, Bayern werde (als eines der letzten Bundesländer) ein Entgelt für die Entnahme von Wasser aus der Natur erheben – das Wasserrentnahmentgelt. Söder nannte es den „Bayerischen Wassercent“. Privathaushalte, Gewerbebetriebe, Industrie und im Idealfall auch Landwirte zahlen in anderen Bundesländern zwischen fünf und dreißig Cent für die Wasserentnahme aus der Natur – für 1.000 Liter. Umweltminister Glauber erklärte vor 200 Bürgermeistern und Wasserversorgern im Mai 2019 im bayerischen Erding, Trinkwasser aus der der Leitung müsse künftig 5 Euro kosten – und zwar ebenfalls für 1.000 Liter.
Wasserwerke müssen modernisiert werden, neue Transportleitungen – Söder nannte sie in Anlehnung an die Römer „Aquädukte“ – müssen Wasser dorthin bringen, wo die Quellen versiegt sind, und überalterte Rohrnetze sind zu erneuern. Aber das ändert nichts daran, dass die bayerischen Wasserpreise und -gebühren bundesweit durchschnittlich mit die niedrigsten sind. Seit Jahren schon fordern Experten kostendeckende Entgelte, um die Infrastruktur zu erneuern. Besonders laut sind die Rufe in Bayern.
Wasser wird immer knapper in einigen Regionen Deutschland. Ganz vorn: Bayern. Die Kosten für die Erhaltung der Gewässer steigen kontinuierlich an. Das europäische Recht, die Wasserrahmenrichtlinie, fordert, dass diese Kosten von den Wassernutzern mitgetragen werden. Zudem soll das, was einen Wert hat und knapp ist, auch etwas kosten. Also hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung zum Klimawandel am 21. Juli 2021 die Einführung eines Wasserentnahmeentgelts als Projekt seiner Regierung angekündigt. „Wasser ist ein kostbares Gut. Deswegen werden wir einen Bayerischen Wassercent einführen. Das ist ein kleiner Beitrag, der einen Anreiz setzt, mit Wasser schonend und sparsam umzugehen. Zugleich finanzieren wir damit den Wasserschutz„, so der Ministerpräsident vor weniger als zwei Jahren. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch handle es sich um fünf Euro pro Person und Jahr. Der Bayrische Wassercent wäre somit das ideale Instrument für ein nachhaltiges Wassermanagement. Zu früh gefreut! Anders, als vom Ministerpräsidenten angekündigt, ist aus der Einführung seines Wassercents nichts geworden. Denn wieder er steht eine Wahl an – diesmal die Landtagswahl in Bayern. Da kann Söder mit dem Wassercent nicht punkten, denn den fordern seit Jahren seine Widersacher: die GRÜNEN im bayerischen Landtag. Geht es nach ihrem Willen, kostet das Wasser aus Flüssen 0,025 Euro je Kubikmeter und Grundwasserentnahmen 0,08 Euro. Landwirte sollen auch zur Zahlung herangezogen werden, so sieht es ein Gesetzentwurf der GRÜNEN-Landtagsfraktion aus 2021 vor – der schon damals abgelehnt worden war. Wenige Monate später kam dann Söders Ankündigung.
Seitdem war es still in der Staatskanzlei. Jetzt kam die Kehrtwende. Plötzlich fürchtet der Ministerpräsident die Wut der Bürger. Ob die es gemerkt hätten? Wäre sie spürbar, eine Erhöhung der Wasserpreise um gerade mal 5,00 Euro im Jahr? So viel hätte die Einführung des Wassercents in Bayern gekostet. Vielleicht scheut er aber auch die Diskussion mit der Industrie und schlimmer noch: mit den Landwirten. Denn die entnehmen ja auch Wasser für die Beregnung und müssten dann auch zahlen. Vorausgesetzt, sie wären nicht befreit worden von der Zahlung. Dann doch besser abwarten bis nach der Landtagswahl.
Und auch der Umweltminister, der vor 2019 noch 5,00 Euro je Kubikmeter als sachgerechten Wasserpreis ansah, macht jetzt bei 0,05 Euro je Kubikmeter einen Rückzieher. Den Grund dafür erklärt mir der Pressesprecher des bayerischen Umweltministers ein Dreivierteljahr vor der Wahl: “Umweltminister Thorsten Glauber bekräftigte in der Sitzung des Umweltausschusses des Bayerischen Landtags am 26. Januar die Bedeutung eines Wassercents und betonte, dass dies ein Projekt für die kommende Legislaturperiode ist. Der Grund dafür liegt in der aktuellen Belastung der Bürger und den Herausforderungen der globalen Krisen wie den Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine.” Also derselbe Minister, der angekündigt hatte, dass die Wasserpreise in Bayern von durchschnittlich 1,80 Euro auf 5,00 Euro je 1.000 Liter steigen müssten, erklärt vier Jahre später, dass 5,00 Euro Mehrkosten im Jahr für einen Haushalt zu viel seien.
Übrigens sind die Einnahmen nicht für den Finanzminister bestimmt. Mit dem Geld werden in anderen Bundesländern unter anderem Hochwasserschutz und ökologische Maßnahmen an Flüssen bezahlt. Das bedeutet also, dass jene, die das Wasser nutzen auch dafür bezahlen müssen, dass es vorhanden und nutzbar ist. Wir befinden uns aktuell im dritten Bewirtschaftungsplan zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und alle Bundesländer stöhnen unter Personalmangel und steigenden Kosten, wenn es um die Maßnahmen geht. Also müssen in Bayern alle Steuerbürger für die Kosten allein aufkommen.
Die Landtags-Grünen machen jetzt Druck auf die Staatsregierung. Sie wollen den angekündigten «Wassercent» noch vor der Landtagswahl im Herbst. Sie wollen acht Cent pro Kubikmeter erheben. Mit entsprechenden Anträgen für die abschließenden Haushaltsberatungen wollen die Grünen erreichen, dass der «Wassercent» rasch kommt. Vielleicht führen die Wahlen ja zu einer schwarz-grünen Koalition…
Quellen / Weiterführendes
- Klimaland Bayern, Regierungserklärung, Ministerpräsident Dr. Markus Söder, 21. Juli 2021
- Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Haushaltsgesetz 2021; hier: Einführung eines Bayerischen Wasserentnahmeentgeltgesetzes (Drs. 18/11600), Landtagsfraktion Bündnis90/Die Grünen, 2021
- Trinkwasser müsse 5 Euro kosten, sagt Bayerns Umweltminister Glauber, LebensraumWasser, 2020