„Wir sind kein islamisches Land“, betont Muzaffar Khodjayevga, der Reiseleiter unserer 13köpfigen Gruppe, die mit einem Bus eine 10tägige Rundreise durch Uzbekistan macht. Heißt, das Land, die Politik und die Leute sind tolerant gegenüber anderen Religionen, die rund 32 Millionen Einwohner dieses großen Landes sind zwar zu fast 90 vh Moslems, aber sie sind nicht islamistisch, sie sind nicht fanatisch, sie kennen den Koran, sie sind gläubig, sie pflegen ihre Moscheen, aber sie tragen keinen Schleier, sie trinken Alkohol(das einheimische Bier schmeckt gut, der Wein ist oft süß) und sogar Schweinefleisch ist hier in Zentralasien erlaubt. In Samarkand stehen zwei Kirchen anderer Religionen beinahe einträchtig nebeneinander: die eine für die russisch-orthodoxen Christen und das andere Gotteshaus für die Katholiken, das gerade renoviert wird.
Warum Uzbekistan, warum fahrt Ihr dahin? Lautete eine der meist gestellten Fragen im Vorfeld der Reise. Vielleicht, weil wir im letzten Jahr eine ähnliche Reise durch den benachbarten Iran gemacht haben und schon dort auf der alten Route der einstigen Seidenstraße gewesen sind, weil uns schon dort die Moscheen und Minarette verzaubert haben. Der Mythos Seidenstraße, rund 4600 Kilometer oder sechs Flugstunden von Deutschland entfernt, jener historischen und legendären Verbindung zwischen China und Europa, auf der vor einigen Tausend Jahren Waren transportiert wurden, ins Reich der Mitte und von dort in Richtung Abendland, Seide, Gewürze, Teppiche und vieles andere mehr. Diese Seidenstraße, so wird erzählt, soll in der fernen Zukunft richtig ausgebaut werden. Man stelle sich das mal vor, wenn man mit dem Auto auf einer Art Autobahn diese Strecke würde fahren können- also quasi von Bonn bis Peking.
Mitten in der Wüste historische Gebäude
Unsere Reise mit dem Bonner Veranstalter Phönix und unter sachkundiger Führung des Uzbeken Muzaffar, den wir einfacherweise Musa nennen dürfen, der selber aus dem Ort Chiva stammt und in Taschkent verheiratet ist, beginnt in der Hauptstadt Taschkent, wo aber nach einer kurzen Nachtruhe der Flieger uns Richtung Westen fliegt nach Urchench. Von dort geht es mit dem Bus nach Chiva, das mitten in der Wüste liegt. Dort, in der 2500 Jahre alten Stadt startet die eigentliche Erkundungsreise. Chiva wird dominiert durch das 28 Meter hohe „Stummelminarett“ und von einem wuchtigen Festungswall aus Lehm, mehrere Meter hoch, durch eines von vier gewaltigen Toren gelangen wir ins Innere dieser Kleinstadt, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Historische Gebäude prägen diesen Ort, das Mausoleum, die Medrese(Koranschule), das Minarett, die Karawanserei.
Man kann den Ort zu Fuß besichtigen und passiert die alten Gräber, in die die Leichen der Toten einst mit einem weißen Leintuch gelegt worden sind, Fahnenstangen machen schon aus der Ferne auf diese Gräber aufmerk-sam. Ein paar Meter weiter werden wir zu einer Brotpause eingeladen. Einheimische Frauen backen Fladenbrot und bieten es uns warm an. Kleine Werkstätten mit feinsten Holzschnitzereien fallen auf, es sind bescheidene Verhältnisse, in denen die Menschen hier leben. Sie wirken zufrieden und fröhlich.
Einen Tag lang dauert die Busfahrt mitten durch die Wüste nach Buchara, dem nächsten Ort der Tour oder soll man besser sagen der Tortour, weil die Straße voller Unebenheiten und Löcher und Risse ist, oft einer Schotterpiste gleicht. Der Reisende wird durch- und durchgeschaukelt, das Kreuz und die dazu gehörende Bandscheibe leiden mit. Aber Buchara entschädigt, das kleine, intime Hotel in der Altstadt mit dem schönen Innenhof ist ein Schmuckstück, nur ein Fußweg von den historischen Stätten und den Straßen mit den Händlern entfernt.
Teil des UNESCO-Weltkulturerbes
Auch Buchara ist Teil des Unesco-Weltkulturerbes, 2300 Jahre alt ist die Stadt, die den Touristen fesselt. Diese Pracht in Türkis, in Blau und Gold, atemberaubend, einfach wunderschön zu sehen die Moscheen, Minarette und Mausoleen. Dazu die Festung der Stadt, renoviert und prächtig anzuschauen. Der Besucher sollte die überkuppelten Gewölbe und Handelsgassen mit den Goldschmieden sowie den Basar der Seidenstoffe und der Mützenmacher nicht vergessen. Buchara ist die Hochburg der Islam-Wissenschaften und der Erzählkunst, des Handwerks, der Holzschnitzerei. Hier entspringt die Quelle Hiobs, wenn man sie dreimal umschreitet, erfüllen sich einem die Wünsche. Na, ja, wir sind schließlich in der Region von Tausendundeinernacht.
Das weltberühmte Samarkand ist die nächste Station auf dieser Route auf holpriger Straße, nur einige Kilometer der Bahn sind inzwischen fertig. Es wird eine Betonpiste, die besonders stabil sein soll bei diesen widrigen Witterungsverhältnissen, die in diesem Land herrschen können, im Sommer kann es schon mal 50 Grad heiß werden und im Winter geht es auch weit in den Minusbereich rein.
Samarkand, glanzvolles Antlitz der Erde, in blau getauchte Stadt, haben die Dichter sie gerühmt ob der Pracht der Moscheen, Minarette und Mausoleen. Unter dem Emir und brutalen Krieger Timur, der Hunderttausende von Menschen in den eroberten Gebieten ermorden ließ, wurde Samarkand zur wichtigsten Handels- und Kulturstadt in Mittelasien. Hier liegt der Registan, der zentrale, wuchtige Platz, geprägt von drei Medresen. Leider hat Uzbekistans Präsident Karimow vor Jahren den Registan von den Springbrunnen und anderen Teilen befreien lassen, so wirkt er fast leer, wie ein Aufmarschgelände. Unesco-Weltkulturerbe auch und gerade Samarkand. Interessant das Afrosiab-Museum und die Sternwarte von Ulugbeg, man erfährt, wozu Wissenschaftler schon im Mittelalter fähig waren, ihre Berechnungen stimmen auch heute noch.
Eine Straße, die den Namen nicht verdient
Auf der Fahrt zurück nach Taschkent wiederum das Erlebnis auf einer Straße, die den Namen nicht verdient. Ein Guter hält es aus, heißt ein Volksspruch in Bayern, aber selbst der muss immer wieder die Zähne zusammenbeißen. Die Hauptstadt, groß und wuchtig, 2,5 Millionen Einwohner, nach dem verheerenden Erdbeben vor 50 Jahren wieder aufgebaut. Hier sieht man, wie ein allmächtiger Präsident, der sich ein Parlament und andere Institutionen nur als Show-Einrichtungen hält, entscheidet. Großzügig. An Geld ist kein Mangel, niemand ist im Weg, der Einsprüche tätigen könnte, also sagt Karimow, wo und wie es langgeht. Man muss sich nur mal die Regierungsbauten oder die ich-weiß-nicht-wieviele-Spuren-breiten-Straßen anschauen. Modern wirkt die Stadt, aber irgendwie ohne Historie, wie rasiert und gewaschen. Die neue Zeit, die hier 1991 begann, macht sich bemerkbar in den neuen Namen für Straßen und Plätze, Lenins Denkmal ist hier wie anderswo verschwunden.
Uzbekistan in zehn Tagen, wie es keiner kennt, so haben wir früher unsere Reiseeindrücke scherzhaft genannt, Eindrücke, die nur oberflächlich sein können und es auch sind. Wir sehen, was man uns bietet, wir können nur mit wenigen Menschen reden, weil entweder die Zeit fehlt oder die Sprachkenntnis auf beiden Seiten nicht ausreicht. In Uzbekistan spricht man uzbekisch und russisch, was verwandt sein soll. Ich weiß es nicht, der eine oder andere Tourist mit DDR-Geschichte kennt sich da besser aus.
Die Menschen sind freundlich, sie begegnen uns offen, wollen ein Foto, suchen das Gespräch, wollen wissen, woher wir kommen. Deutschland, das ist ein gutes Wort hier, das Erstaunen auslöst, Bewunderung. Warum wir hier sind, wollen sie wissen und was wir von ihrem schönen Land gesehen haben und was wir davon halten. Und sie sind höflich gegenüber ausländischen Touristen. Als wir in die U-Bahn der Hauptstadt Taschkent einsteigen-angeblich die schönste der Welt- stehen ein Dutzend Uzbeker auf und machen für uns die Plätze frei. Und wir sahen nicht so aus, als wären wir müde vom Wandern oder irgendwie fußlahm.
In den Basaran muss gefeilscht werden
In den Basaren und überhaupt bei allen Käufen auf der Straße muss man handeln. Ein Bild kostet zunächst 20 Euro oder Dollar. Wenn man sich abwendet, verlangt der Käufer nur noch 15, dann bietet er zwei Bilder für 14 Euro an. Am Ende fragt er, wieviel man zahlen will. Es gehört dazu, es ist ein Ritual, ganz und gar nicht beleidigend. Ja, sie wollen natürlich ihre Souvenirs verkaufen, laufen einem schon mal hinterher, aber sie bedrängen einen nicht, wie man das aus Ägypten kennt.
Dieses Land hat in seiner langen Geschichte vieles erlebt und erlitten, die Nomaden zogen durch, die Griechen waren hier und Alexander der Große, die Araber haben sich breit gemacht, dann kamen die Mongolen mit Dschingis Khan und haben alles zerstört. Man hört es immer wieder, die Geschichte von der Fremdherrschaft über ihr Land, das es in dieser Form erst gab durch Beschluss der Sowjetunion in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Wieder waren sie fremdbestimmt, mussten am Zweiten Weltkrieg teilnehmen, insgesamt 1,5 Millionen uzbekische Soldaten, von denen 400000 Soldaten ihr Leben verloren. Erst 1991 wurde das Land unabhängig.
Die Sowjet-Zeit ist immer noch zu sehen und auch zu spüren. So in den Plattenbauten, die damals gebaut worden sind und die heute noch stehen. Etwas armselig schauen sie aus, wenn man sie mit westlichen Augen betrachtet. Was innen ist und wie sich darin lebt, wir wissen es nicht. Die Sowjets haben ihnen die Baumwoll-Produktion aufgezwungen, Stalin war es, der entschied, dass Uzbekistan diese Monokultur übernehmen müsste. Die Folge: Wasser- und Bodenprobleme an vielen Stellen des großen Landes. Die Folge auch: Die Umwelt-Katastrophe mit dem Aral-See, der zumindest auf uzbekischer Seite vertrocknet ist, weil man ihm die Zuflüsse genommen hat, deren Wasser man für die Baumwoll-Bewässerung brauchte.
Es geht langsamer zu in diesem Land
Man braucht Geduld in diesem Land, wo es langsamer zugeht als daheim. Schon am Flughafen ist das zu merken. Der Mann an der Paßkontrolle scheint den Ausweis auswendig lernen zu wollen. Es knubbelt sich in der Schlange vor dem Schalter, minutenlang geht nichts mehr, dann schiebt es sich vorwärts und plötzlich ist alles erledigt. Geht doch.
Das Land gilt als sicher. Aber was heißt das schon. Seit Jahr und Tag gab es keine Terror-Anschläge. Die letzten Unruhen in Andijan vor zehn Jahren wurden blutig niedergeschlagen. Offiziell hält man die Opfer-Liste niedrig, Amnesty International sprach damals von bis zu 700 Toten.
Sicher heißt auch, das Regime Karimow lässt keine Opposition hochkommen. Im Parlament herrscht Einstimmigkeit. Was der Präsident Karimow(78)will, wird gemacht. So oder so. Notfalls mit dem Knüppel oder dem Gewehr. In den Gefängnissen sollen politische Gefangene sitzen, Amnesty International spricht von Tausenden von politischen Gefangenen, die erst durch entsprechende Folter die gewünschten Geständnisse lieferten. Presse- und Meinungsfreiheit ist hier ein Fremdwort, rund zehn Journalisten sollen hinter Gittern sein. Uzbekistan nimmt auf einer Liste von 180 Ländern einen der hinteren Plätze ein. Von alledem merkt der Tourist nichts, er reist unbehelligt durch das Land, niemand stört ihn, belästigt ihn.
Knallhart gegen jede Form des Extremismus, gegen Islamismus und den damit befürchteten Terror, das ist die Maxime des Präsidenten. Der Westen hat früher mal dagegen protestiert, Sanktionen über das Land verhängt. Das ist vorbei. Karimow hat Deutschland jahrelang einen Flughafen zur Verfügung gestellt, damit dort die Maschinen der Bundeswehr, die in Afghanistan im Einsatz waren, landen und betankt werden konnten. Der Präsident weiß um seine Bedeutung und sein Erpressungspotential.
Eine McDonalds-freie Zone
Uzbekistan ist ein McDonalds-freies Land. Heißt es. Warten wir ab, wie lange das so ist in einer Region, in der man gern und gern viel isst. Aber Vorsicht ist geboten für den Touristen, der nicht nur mit dem Trinkwasser und dem Eis aufpassen muss, sondern auch bei den Speisen. Auf eine Art medium-Kochweise sollte er besser verzichten, es muss durch und durch gebraten sein. Wasser nur aus verschlossenen Trinkflaschen. Kein Salat!
Der Uzbeke lebt in bescheidenen Verhältnissen, zumindest gilt das für den Normalverbraucher. 400 Euro soll der Durchschnittslohn betragen im Monat. Wenig genug, auch wenn man angeblich keine Miete bezahlt. Jeder Uzbeke, heißt es, lebe in den eigenen vier Wänden. Der Staat stelle das Grundstück bereit und der künftige Wohnungs- oder Hausbesitzer leihe sich ein paar Zigtausend Euro/Dollar für den Bau. Das Geld müsse er in den nächsten 20 Jahren zurückzahlen. Im übrigen herrsche im Land eine weitgehende Nachbarschaftshilfe. Jeder hilft jedem. Man sieht es, wenn man die Dörfer, die entlang der Autostraße liegen, passiert. Nagelneue Reihenhäuser sind entstanden, wenn sie noch im Bau sind, sieht man die Menschen auf den Dächern arbeiten, Hand in Hand geht das.
Es werde jung geheiratet, unter 20 schon heirate der Sohn, werde erzählt. wobei der Älteste das Vorrecht dazu habe. 500 Gäste für die Feier seien keine Seltenheit. Freunde, Verwandte und wer sonst noch alles kommen zu der Feier. In jedem Ort gibt es dafür die Hochzeitspaläste. Wir erleben das mitten in Zentralasien, irgendwo zwischen zwei Dörfern an der Autostraße Richtung Samerkand. Schon früh stehen da die Mütter herum und ihre Töchter, getrennt davon die Männer-Runden. Sie warten darauf, dass es losgeht. Als wir mit ihnen ins Gespräch kommen, wollen sie uns gleich die letzten Bundesliga-Ergebnisse mitteilen.
Der Boden ist sehr salzhaltig
Wasser ist in bestimmten Teilen des Landes knapp. Es ist knapp, weil der Boden salzhaltig ist. Und weil das so ist, muss dieser Boden mit anderem Wasser ausgewaschen werden, damit auf dem gesäuberten Boden etwas wachsen kann, zum Beispiel Winterweizen. Die Probleme mit dem Salz sehen wir entlang der Autostraße. Da ist der Boden weiß wie im Winter, aber wir haben 25 Grad. Das Grundwasser ist so hoch, dass der Boden von der Sonne ausgetrocknet wird mit den zu besichtigenden Folgen.
Auf den riesigen Feldern sehen wir wenige Maschinen, kaum Traktoren, aber immer wieder einzelne Frauen und Männer mit Hacken und Harken. Mitten in Asien, wir sind nicht im Münsterland. Pfleglich gehen sie mit ihren Grünflächen rund ums Haus um. Da scheinen sie jeden Grashalm und jede Blume einzeln zu behandeln. Und das Pflaster vor dem Haus wie vor den Hotels und hin und wieder auch Straßen werden mit Besen aus zusammengebundenem Reisig gefegt. Sauber ist es. Wir haben während der ganzen Fahrt eine einzige Graffiti-Wand gesehen, die aber bunt aussah, nicht verschmiert. Nirgendwo klebte ein Kaugummi auf der Straße.
Merkwürdigkeiten begegneten uns zuhauf in diesem Land. Hier gibt es Gas und Öl im Überfluss, gleichwohl müssen sie im Winter sparen, ja frieren, weil das Gas verkauft wird ins Ausland. Wasser ist knapp in Asien, auch wenn es große Flüsse gibt. In Chiva konnten sich die Menschen Wasser aus einer bescheidenen öffentlichen Zapfstelle nur zu einer ganz bestimmen Zeit holen. Dann sah man sie mit ihren Behältern vor der Wasserstelle.
Kaum VW, Mercedes, BMW, Audi, dafür Chevrolet
Man fährt Chevrolet in Uzbekistan. Der US-Autobauer war frühzeitig im Land und hat in den 90er Jahren eine Fabrik gebaut kurz nach der Unabhängigkeit. Dort werden die Autos produziert. Wir sahen kaum VW auf den Straßen, hin und wieder einen alten Mercedes, dann einen Audi-Q7 aus Kasachstan. In der Hauptstadt fuhren ein paar Mercedes-M-Klasse, aber kein Porsche, kein BMW war zu sehen. Dabei ist der Verkehr in Taschkent lebhaft wie in jeder Metropole, Auto reiht sich an Auto, es ist laut, es wird gehupt und nicht gerade langsam gefahren. Der Fußgänger ist gut beraten, sich auf Zebrastreifen allein nicht zu verlassen.
Uzbekistan gilt als Land, in dem Bestechung zum Alltag gehört. Wer Medizin studieren will, braucht den richtigen Vater mit Geld, damit die Immatrikulationsgebühren über einige Tausend Euro bezahlt werden können. Und wer seinen Doktor machen will als Arzt, muss ein Vielfaches hinlegen. Was die meisten nicht können, denn sie verdienen nicht viel in diesem reichen Land. Ja, Reich und Arm, die Unterschiede sind hier deutlicher zu sehen, westliche Maßstäbe sollten wir besser nicht anlegen. Wir kennen die Mentalität der Menschen nicht.
Aber bleiben wir noch beim Stichwort „Reich“. Präsident Karimow hat zwei Töchter, eine lebt in Amerika, die andere in Taschkent und dort, wie es heißt in Ungnade beim Papa. Sie hat ihr ausschweifiges Leben und ihr autoritäres Verhalten gegenüber ausländischen Firmen wohl übertrieben. Ihr Konto soll millionenschwer sein. Eine Weile fungierte sie als Botschafterin des Landes bei der UNO in Genf, wo sie in der eigenen Villa wohnte. Wie gesagt, der Präsident entscheidet hier, als wenn ihm das Land gehörte.
Kürzlich weilte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Taschkent. Wie es später hieß, habe er die Beachtung der Menschenrechte und der Presse- und Meinungsfreiheit in Uzbekistan angemahnt. Was immer das bedeutet. Berlin ist froh, dass die Lage in Uzbekistan so ruhig ist und stabil in einer Region, die man als strategisch wichtig bezeichnet. Und wo man jederzeit befürchten muss, dass Islamisten irgendwo ein Feuer legen, das dann nur schwer einzudämmen ist. Einer der Nachbarn ist übrigens Afghanistan.
Kontrollen an strategisch wichtigen Stellen
Das Bemühen um Sicherheit wird auf der Autostraße demonstriert. Vor allem an Brücken, die über die Straße führen, werden Autos und ihre Fahrer von Polizisten kontrolliert. Strategisch wichtige Punkte seien das, von uns als solche nicht zu erkennen. Hier herrscht absolutes Fotografierverbot, wer sich nicht dran hält, bekommt es mit der Obrigkeit zu tun. Kontrolliert werden auch die Eingänge zur U-Bahn in Taschkent, Frauen müssen ihre Einkaufstaschen öffnen.
Irgendwo auf einem Platz vor einer Moschee treffen wir auf eine Schulklasse, die Kinder müssen so um die 15, 16 Jahre alt sein. Sie kommen auf uns zu, machen Fotos mit uns. Und am Ende singen sie ihre Nationalhymne. Und dies mit einer Inbrunst, die uns fremd ist. Alle singen mit, aus voller Kehle, sie freuen sich, keiner verweigert sich. Eigentlich schön, diese Art der Identität mit dem noch jungen Staat.
An einer anderen Stelle stoßen wir auf eine Platte mit einer Inschrift. „Wir werden nie vergessen“, beginnt der Text, der den 4000 Gulag-Opfern des Stalinismus an diesem Ort gewidmet ist, nie vergessen die Leiden der Menschen, das, was man ihnen angetan hat. Unterschrieben hat den Text: Präsident Karimow.
Es ist eine andere Welt, der wir hier immer wieder begegnen. Das Plumps-Klo gehört genauso dazu wie der Esels-Karren auf der Straße oder uralte Fahrräder, die bei uns nie zugelassen wären, und auf denen sie zentnerschwere Säcke transportieren. Selbstverständlich fahren sie auf der Autostraße, die gelegentlich von Fußgängern überquert wird. Und auch das gehört zu Uzbekistan: Hier musst Du immer gesund sein oder sterben, lautet ein Sprichwort. Die Krankenversorgung ist miserabel, auch hier muss geschmiert werden, ehe etwas geht. Ein Beispiel, das uns erzählt wird, das wir aber nicht überprüfen können: Eine ältere Frau erkrankt an Krebst, kein Krankenhaus nimmt die Frau auf, man verweigert ihr die Behandlung. Die Kinder pflegen die Mutter zu Hause. Zwei Monate später ist sie tot.
Präsident Karimow entscheidet
Der Präsident entscheidet. Man merkt seiner Politik seine eigene Vergangenheit an, er war bis zur Wende 1990/91 schon Chef der KP in Uzbekistan und übernahm dann praktischerweise die Präsidentschaft, zu deren Verlängerung er einfach die Verfassung ändern ließ. Die Parolen an den Brücken über den Straßen erinnern an die kommunistische Zeit. So heißt es an einer Stelle: „Die Heimat ist genauso heilig wie Mekka“. Wenn der Präsident sich etwas in den Kopf setzt, wird binnen kurzer Zeit ein ganzes Viertel mit einfachen Häusern einfach dem Erdboden gleichgemacht, an die Stelle werden Häuser für Geschäfte errichtet, mit grünen Wiesen, Blumen, breiten, neuen Straßen. Das geschieht innerhalb von drei Jahren. Wo die ehemaligen Bewohner geblieben sind? Sie hätten andere Grundstücke angeboten bekommen und dort neu gebaut. Wir haben das nicht sehen können.
Timur ist das große Vorbild des Präsidenten. Das Denkmal dieses Herrschers aus dem 15.Jahrhundert ist wie auch sein herrliches Mausoleum in Samarkand zu besichtigen. 12 Meter hoch thront der Mann in Bronze über der Straße. Er hat das Reich damals vom Ganges bis zum Mittelmeer ausgedehnt. Ein Menschenfreund war dieser Timur, der auch als Tamerland bekannt ist und aufgrund körperlicher Einschränkungen als der Lahme beschrieben wird, aber weiß Gott nicht. Er hat alles, was sich ihm in den Weg stellte, aus demselben geräumt. Und zwar mit tödlicher Gewalt.
Eindrucksvoll die Totenstadt von Samarkand, das Heiligtum für Moslems. Hier sind Feldherrn, Generäle und Freunde von Timur beerdigt. Hierher pilgern die Einheimischen, verharren schweigend vor den Gräbern oder sitzend auf einer Bank im Gebet. Über dem Grab des Neffen des Propheten Mohammed steht geschrieben: „Die Tür zum Paradies steht für alle Gläubigen offen.“ Also nicht nur für Moslems. Man könnte es als Leitbild für den Umgang mit anderen Religionen betrachten.
Als Erholungsurlaub kann man die Rundreise durch Uzbekistan nicht bezeichnen. Sie ist anstrengend, die Hitze-in Taschkent waren es jetzt schon knapp 40 Grad-setzt einem zu, man sollte auch gut zu Fuß sein, aber das Land ist eine Reise wert.