1. Einleitung
Nun ist sie durch, die Änderung des Grundgesetzes zur Anhebung der Schuldenbremse für Ausgaben für die „Verteidigung“. Allerdings mit einem erweiterten Verständnis von „Sicherheit“ bzw. „Verteidigung“. Angehoben wird der „Deckel“ der sog. „Schuldenbremse“ zudem lediglich in dem Umfang, wie Ausgaben für diese Zwecke in einem Haushaltsjahr 1 % des BIP in eben diesem Jahr überschreiten. Wobei das „lediglich“ mit Vorbehalt gilt. Denn es ist eine Erlaubnis, die in jedem Jahr erneut gilt. Über 12 Jahre gerechnet kann sich da einiges addieren bzw. aufsummieren.
2. Ausgangssituation in 2024
Deutschlands BIP liegt aktuell bei etwa 4.300 Mrd. €. 1% davon entsprechen somit 43 Mrd. €. Der Verteidigungshaushalt (Epl. 14, beschlossen am 31. Januar 2024) sieht rd. 52 Mrd. € vor, das entspricht 1,2 % des BIP. Hinzukommen 20 Mrd. € aus dem Sondervermögen. Zusammen sind das 72 Mrd. € oder knapp 1,7% des BIP.
In NATO-Rechnung entspricht das nach Aussagen der Bundesregierung 2,1% des BIP. Das ist ein Aufschlag um 17 Mrd. €, der anderweitige Sicherheitsaufwendungen abdeckt.
3. Situation in 2030 als Durchschnitt
Versetzen wir uns nun, nachdem der Ausgabendeckel für Verteidigungsausgaben auf Dauer abgehoben worden ist, in das Jahr 2030. Das laufende Sondervermögen aus dem Jahre 2022 sei dann auch kassenmäßig „verbraucht“. Das BIP in 2030 wird mit 5.000 Mrd. € angenommen. Für den Finanzbedarf für Verteidigungszwecke i.e.S. in diesem Jahr seien zwei Varianten angenommen
- Im Minimum-Fall werde er bei 100 Mrd. € veranschlagt – das entspräche 2% des BIP.
- Im Maximum-Fall werde er bei 250 Mrd. € veranschlagt – das entspräche 3,5% des BIP. Auf diese Höhe hat der NATO-Generalsekretär den Finanzbedarf, allerdings nur für ein Jahrfünft, für die erforderlichen Aufwendungen der NATO-Mitglieder abgeschätzt, die sich aus den Kapazitätsanforderungen ergeben, die nach Russlands Angriff auf die Ukraine von den NATP-Stäben errechnet wurden und die beim NATO-Gipfel Ende Juni 2025 in Den Haag verbindlich beschlossen werden sollen.
Von den Werten in diesen beiden Fällen sind jeweils 1 % BIP = 50 Mrd. € abzuziehen, die aus dem Bundeshaushalt mit seinen „regulären Einnahmen“ zu zahlen sind. Zur Finanzierung qua Kreditaufnahme bleiben 50 (Minimum) bzw. 200 (Maximum) Mrd. €/a.
2030 wurde als Beispielsjahr genommen. Wir gehen davon aus, dass die Neuaufstellung der Verteidigung in Europa 12 Jahre braucht, d.i. ebenso lang wie die Zeitspanne beim begleitend beschlossenen Sondervermögen.
Akkumuliert über diesen Zeitraum ergäbe sich eine zusätzliche Schuldenaufnahme in Höhe von 600 Mrd. € (Minimum) bzw. von 2.400 Mrd. € (Maximum) im Bundeshaushalt. Hinzuzurechnen sind die 600 Mrd. € aus dem Infrastrukturfonds. Dann wäre man bei einem Plus des Schuldenstandes von 1.200 bzw. 3.000 Mrd. €. Zum Vergleich: Der aktuelle Schuldenstand des Bundes liegt bei 1.700 Mrd. €, der der öffentlichen Hände insgesamt bei 2.500 Mrd. €.
Das ist gerechnet mit dem engen Begriff „Verteidigung“, wie er bis zur Verabschiedung der GG-Änderung leitend war – also als Inbegriff dessen, was in die Bundeswehr fließt. Das ist nun die untere Schranke, da die Sicherheitsaufgaben hinzukommen, welche von den Grünen – übrigens sachgemäß – in den Text der GG-Änderung hineinverhandelt worden sind. Im Detail bzw. quantitativ bestimmt wird es noch in Gesetzen festgelegt werden. Da ist auch zu klären, wie mit dem zeitlichen Hiatus umgegangen wird: Schließlich wird ein Haushalt 2 bis 3 Jahre eher konzipiert und beschlossen als das BIP des Jahres festgestellt worden ist.
Jedenfalls gilt damit: der Referenzwert für 1% wird mit dem weiter gefassten Sicherheitsbegriff nicht steigen, wohl aber der Bedarfsumfang, der durch ungedeckelte Kredite finanzierbar ist. Also werden die oben abgeschätzten Schulden-Summen eher weiter weg von 1.200 und näher an 3.000 Mrd. € zu liegen kommen.
4. Wertung: Rüstungsausgaben sind keine “Investitionen”
Das sind budgetär untragbare Größenordnungen. Es besteht also die Aufgabe, die Anforderungen der Sicherheitskreise zu beschränken. Der dadurch ausgelöste Sog, nun ein Ausnahmebereich unter der Schuldenbremse zu sein, darf nicht davon entbinden, sehr genau zu prüfen, was zu welchen Zwecken wirklich erforderlich ist und Sinn macht. Auch mit finanzieller „Entfesselung“ darf Rüstung kein Selbstläufer oder Selbstzweck werden.
Auch ökonomische Loreley-Töne dürfen den Steuermännern nicht den Sinn verdrehen. Rüstungsausgaben sind nach der Nomenklatur der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Ausgaben für den Konsum, keine „Investitionen“. Sie sind prinzipiell wachstumsschädlich, das kann nur zeitweise und solange übersprungen werden, wie zusätzliche Rüstung zur Importsubstitution führt, also nicht aus den USA oder Südkorea bezogen wird sondern durch Eigenproduktion in Europa geliefert wird.
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