Im Kampf gegen die AfD helfen werbende Diskussionen mit den fanatisierten Anhängern der Partei nicht weiter. Gegen die Rechtsextremisten hilft einzig: klare Kante.
Die Recherchen der Correctiv-Redaktion haben das Land aufgerüttelt. Das Geheimtreffen von Rechtsextremisten in Potsdam, bei dem der Plan besprochen wurde, Millionen Menschen vornehmlich mit Migrationshintergrund aus dem Land zu jagen, hat überall in Deutschland Hunderttausende auf die Straße getrieben. Was noch vor Wochen undenkbar schien: Es gibt inzwischen einen breiten Aufstand gegen die neuen Nazis, gegen die AfD, deren Vertreter in Potsdam dabei waren. Einen Aufstand aus der Mitte der Gesellschaft. Und das ist sehr gut so.
Ist damit der AfD der politische Todesstoß versetzt? Wenden sich viele potenzielle Wähler nun mit Grauen von der Partei ab? Bröckelt der rechtsextreme Rand der Gesellschaft – und wählen viele dieser fehlgeleiteten Menschen nun wieder demokratische Parteien?
Wie erste Umfragen befürchten lassen, hatte der Aufstand der Anständigen bei den Unanständigen im Land bislang offenbar keine durchschlagende Wirkung. Die Werte der AfD sanken minimal – aber das kann auch der Gründung der Wagenknecht-Partei geschuldet sein, die in ihrem lauten Populismus teilweise kaum von der AfD zu unterscheiden ist.
Die Aufrechten im Land sind nicht naiv. Die meisten haben (hoffentlich) nicht geglaubt, dass sich die Seuche des Nazismus mit einigen Großdemonstrationen zurückdrängen lässt – so eindrucksvoll die Kundgebungen auch sein mögen. Nein, diese Demonstrationen haben in erster Linie nicht dem Niederringen der Extremisten gedient, sie dienten vielmehr der Selbstvergewisserung der Demokraten: Wir sind viele, wir sind mehr, wir geben uns im Kampf um unser Land nicht geschlagen!
„Und wie geht es nun weiter?“ Diese Frage stellt sich nach der ersten Welle der Demonstrationen, die in der Öffentlichkeit auf breite Zustimmung stieß. Denn freiwillig werden die Rechtsextremisten nicht aufgeben. Während die AfD sich weiterhin in ihren Umfragewerten sonnt und von gefälschten Zahlen und Fotos der Demonstrationen fabuliert, schütten rechtskonservative Medien Hohn und Spott über die Demonstranten aus. Da ist von „brachialem Anti-AfD-Furor“ die Rede, von „geschichtsvergessener Überspanntheit“. Demonstrierende, die vor den Parallelen zum Untergang der Weimarer Republik warnen, werden als „Nervenbündel“ diskreditiert.
Für diese die Geschichte verdrängenden Journalisten sei deshalb an dieser Stelle an eine weitere Parallele der Jetzt-Zeit zur Weimarer Republik erinnert. Damals arbeitete der Großverleger und Rechtsextremist Alfred Hugenberg, dessen Konzern die Hälfte der deutschen Presse kontrollierte, zielgerichtet auf den Untergang der Republik und der von ihm verachteten Demokratie hin, indem seine Journalisten gegen die Demokratie, gegen Linke, Intellektuelle und Juden hetzten.
Ist es „Hysterie“, in diesem Zusammenhang auf die unheilvolle Rolle zu verweisen, die heute die mächtige Springer-Presse einnimmt, indem sie permanent und jenseits aller sachlichen Kritik gegen die Ampel-Regierung in Berlin polemisiert, indem sie gegen Migranten und andere Minderheiten hetzt? Wie Hugenberg bei Historikern als Steigbügelhalter der Nazis gilt, so hat die Springer-Presse heute wieder einen fatalen Anteil am Aufstieg der AfD, die selbst von Konservativen als „Nazi-Partei“ bezeichnet wird. Gibt es bei diesen Medien keinerlei Verantwortungsgefühl, wird alles dem billigen Boulevard und dem anscheinend gewinnbringenden Populismus geopfert? Steckt dahinter gar eine verfestigte rechtsradikale Weltanschauung der so Schreibenden? Oder nur der abstoßende Dünkel einer selbsternannten Elite?
Zurück zur Frage: Wie weiter im Kampf gegen Rechts? Man solle das Werben um potenzielle AfD-Wähler nicht aufgeben, raten gutmeinende Beobachter, Politiker und Journalisten. Gerne verweisen sie auf Studien, nach denen rund 70 Prozent der AfD-Wählenden kein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben.
Mit diesen Menschen also soll ich diskutieren? Ich soll sie mit guten Argumenten davon überzeugen, dass es falsch ist, der AfD die Stimme zu geben, dass sie doch bitte bitte an einer anderen Stelle des Wahlzettels ihr Kreuzchen machen sollen?
Für wie unterbelichtet halten wir denn die AfD und ihre Wähler? Und für wie harmlos?
Nein, wer nach Potsdam nicht verstanden hat, was die AfD ist und was sie will, der ist nicht zu überzeugen. Wer bewusst Faschisten wählt, muss sich gefallen lassen, selbst als ein solcher bezeichnet zu werden. Nichts – keine schwere Kindheit, kein Leben in der DDR, keine Corona-Maßnahme, keine Zuwanderung und kein Gender-Sternchen rechtfertigen eine Stimmabgabe für die Totengräber der Demokratie. Ich weigere mich, in einer Art verstehensorientierter Pädagogik auf die Anhänger der Rechtsextremen einzugehen. Nein, ich kann und will kein Verständnis haben für Faschisten, ich will und kann nicht mit ihnen diskutieren nach dem Motto: „Ich verstehe deine Probleme ja – aber geht es vielleicht mit etwas weniger Faschismus?“ So mag man mit unreifen Kindern sprechen – aber doch nicht mit erwachsenen Extremisten.
Das bedeutet nicht, gegenüber AfD-Anhängern lieber zu schweigen. Ich persönlich sage ihnen: Ihr plant also, Menschen mit Migrationshintergrund zu deportieren? Ein Teil meiner Familie wäre davon betroffen. Dutzende Freunde und Nachbarn, die irgendwann einmal zugewandert sind und deren Kinder und Enkel in den vergangenen Wochen sichtlich verängstigt reagieren, fühlen sich in diesem Land nicht mehr sicher. Das ist das, was ihr wollt! Und dafür verachte ich euch, ich verabscheue zutiefst eure Propaganda.
Und dann werde ich aufstehen – und weggehen. Ich werde nicht mit Menschenfeinden diskutieren – und Hassprediger dadurch adeln, dass ich mich auf sie einlasse. Wer das für zu ideologisch hält: Ich habe noch keinen Politiker oder Wissenschaftler von Rang gehört, der fordert, mit den islamistischen Halsabschneidern des IS oder deren Anhänger zu diskutieren, um diese zu bekehren. Man gebe sich da keiner Illusion hin: Die Höcke-AfD ist nicht deshalb harmloser als die alten Nazis, weil sie noch keine Verbrechen in großem Stil begangen hat. Sie hatte bislang schlicht keine Gelegenheit dazu, ihre verbrecherische Potsdam-Ideologie exzessiv auszuleben. Alle Demokraten sollten dafür sorgen, dass das so bleibt.
Die Zeit des Verharmlosens und des Abwiegelns ist endgültig vorbei. Überall, wo AfD-Anhänger sich zu erkennen geben, müssen sie also laut und deutlich auf Widerspruch treffen: Im Bus, am Arbeitsplatz, beim Sport, in der Familie. Was sie vertreten, ist keine Meinung neben vielen anderen im demokratischen Diskurs, es ist widerliche Menschenverachtung.
Im Kampf gegen rechts hilft kein pädagogisches Verständnis, kein psychologisches oder soziologisches Ergründen. Keine Diskussion „auf Augenhöhe“. Da hilft nur klare Kante.