Die Debatte über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks läuft gegenwärtig auf vollen Touren. Ausgelöst durch die Skandale beim Rundfunk Berlin Brandenburg vergeht kaum ein Tag, an dem nicht aus der Politik neue Vorschläge zur Zukunft des Systems kommen. Die zuständigen Medienpolitiker in den Bundesländern lassen sich in dichter Folge zu ihren jeweiligen Perspektiven, Erwartungen und Vorschlägen vernehmen, wobei sie alle die Bedeutung für unsere Demokratie betonen. Das ist Gott sei Dank kein Lippenbekenntnis, sondern gespeist aus der Sorge über die nachlassende Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor allem bei den jüngeren Nutzern. Eigentlicher Auslöser der Reformdiskussion zum jetzigen Zeitpunkt ist die anstehende Anmeldung des zukünftigen Finanzbedarfs von ARD, ZDF und Deutschlandradio bei der KEF für die nächsten vier Jahre ab 2025.
Dabei kreist die Diskussion im Kern um die Frage, ob die Finanzierung des Ganzen in der bisherigen Höhe noch zu rechtfertigen ist. Fast einhellig wird jetzt von allen Seiten und egal welcher politischen Couleur das hohe Lied von der Beitragsstabilität gesungen. Alles andere sei den Beitragszahlern nicht zu vermitteln. In Zeiten von Inflation und absehbar deutlich höheren Energiepreisen etc. heißt das dann aber nichts anderes als deutliche Einsparungen an anderer Stelle. Jahre und Jahrzehnte lang war zwar von Umschichtungen und Einsparpotentialen die Rede, aber immer nur, um nicht nur den bisherigen Bestand zu sichern, sondern vornehmlich, um weiter zu expandieren. Die vom Bundesverfassungsgericht maßgeblich definierte Bestands- und Entwicklungsgarantie sorgte dafür, dass die Programmangebote und deren Ausspielwege immer umfang- und zahlreicher wurden. Der aktuelle Medienänderungsstaatsvertrag, der sich zurzeit in den Ländern im Ratifizierungsverfahren befindet, hat dagegen erstmals eine andere Richtung eingeschlagen, beispielsweise durch die Möglichkeit der Abschaffung von Spartenkanälen.
Die Staatsferne des Rundfunks und die Organisation des Gesamtsystems erlauben allerdings keine direkten staatlichen Vorgaben, und die KEF prüft nur die Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit der Anforderungen, ohne die Definition der Aufgabenerfüllung und die dafür notwendigen Mittel oder einzelne Programme und Sender als solche hinterfragen zu können. Es sind also die öffentlich-rechtlichen Anstalten selbst, die jetzt für sich klären müssen, wie sie die Erwartungen erfüllen und Ihren Auftrag definieren bzw. welchen finanziellen Bedarf sie für die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben anmelden. Jetzt liegt der Ball in ihrem Feld, und aus dem Sumpf, in den sie durch die öffentliche Aufmerksamkeit für ihre umstrittene Ausgabengestaltung geraten sind, müssen sie sich selbst befreien. Die Landespolitiker haben relativ hehre Erwartungen geäußert. Diese sind konkreter formuliert, als es bisher üblich war. Auf der Klausurtagung der Rundfunkkommission der Länder, die am 19. und 20. Januar 2023 stattgefunden hat, wurden zuletzt explizit z. B. eine Verschlankung der Organisationsstrukturen und eine kritische Überprüfung der Tochtergesellschaften und Beteiligungen angesprochen, ebenso wie ein deutlicher Ausbau der programmlichen und verwaltungstechnischen Zusammenarbeit.
Vor diesem Hintergrund könnte man, wenn vielleicht noch nicht von einer Zeitenwende auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber zumindest von einem Richtungswechsel sprechen. Ob das schon ein Versuch ist, den Geist (Bestands- und Entwicklungsgarantie) zurück in die Flasche zu bekommen? Allerdings sind die weiteren Beschlüsse der Rundfunkkommission, etwa zur Einsetzung eines Zukunftsrates, der zeitnah Empfehlungen für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Akzeptanz erarbeiten soll, nicht dazu angetan, allzu großen Optimismus ausbrechen zu lassen. Die landespolitischen Egoismen werden sich nicht so einfach überwinden lassen. So haben die SPD-Regierung und die CDU-Opposition im Saarland in der gleichen Woche, in der die Klausur der Rundfunkkommission stattfand, unisono erklärt, dass für sie eine Fusion des Saarländischen Rundfunks mit anderen Rundfunkanstalten nicht in Frage kommt. Und in Sachsen-Anhalt haben die Regierungskoalition aus CDU, SPD und FDP zusammen mit der oppositionellen Linksfraktion die Einsetzung einer Enquetekommission zur Erarbeitung von Reformvorschlägen für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem beschlossen. Das kann also dauern, vor allem, wenn andere Landesparlamente ähnliche Beschlüsse fassen sollten. Und auch ein Zukunftsrat kann nur Empfehlungen abgeben, die nicht in die von der Verfassung garantierte Rundfunkfreiheit eingreifen und die akzeptiert werden müssen – von sechzehn Ministerpräsidenten und sechzehn Landesparlamenten. Aber man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.