Eines der meistgebrauchten Worte in diesen Wochen lautet: Widerstand. Beispiel Bild: „Widerstand gegen Gesetz der Kanzlerin. 5 Gründe, warum Merkels Bundes-Lockdown Murks ist.“ Oder: „Widerstand aus CDU und SPD. Kippt jetzt Merkels Ausgangssperre?“
Schaut man sich die veröffentlichten Meinungen an, dann wimmelt es nur so von Widerstands-Feststellungen und Widerstands-Forderungen. Folgen haben die bisher nicht. Ist das nur eine Art Spiel? Gespielt von den großen Jungs und Mädchen auf den Regiestühlchen der Zeitungen, Kanäle und Info-Diensten? Wird das so bleiben?
Was Widerstand ist, steht im Grundgesetz: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ So steht es in Artikel 20 GG.
Es ist ein Artikel, der alle Deutschen anspricht, er fordert also nicht den Staat auf, die Bürgerinnen und Bürger in ihren Rechten zu schützen, sondern der Artikel wendet sich unmittelbar an die Bürgerinnen und Bürger. Widerstand ist demnach Gebot, wenn alle Stricke gerissen sind, wie man sagt, keine andere Abhilfe mehr möglich ist und unsere Verfassungsordnung vor der Zerstörung steht. Davon kann aber, bei aller Kritik gegen die zeitweilige Einschränkung von Freiheitsrechten, keine Rede sein.
Das ständige Gerede vom Widerstand ist ein hysterischer Reflex während einer Krise. Unsere bundesdeutsche Erzählung von Recht, Gerechtigkeit, Verantwortung und guter Nachbarschaft verliert ihren Kern, wird zum „Medien“-Ereignis bei welchem jeder und jede mal draufhauen kann als lebten wir auf einem Rummelplatz mit kostenlosem „Haut den Lukas“. Alles und jedes was nicht grade verläuft, sich verzögert oder ausfällt wird zum „Debakel“ und zum „Chaos“, dem Widerstands- Forderungen folgen oder „Aufstands“- Feststellungen (Bild: „Niedersachsen-Aufstand gegen Laschet-Kandidatur“). Wenn stimmen sollte, was von den Gender- Jüngerinnen und –Jüngern behauptet wird, dass nämlich das Bewusstsein Schriftsprach- Gewohnheiten folgt, gehen wir bedenklichen Zeiten entgegen.
Ich kann mich an keine Phase der politischen Auseinandersetzung erinnern, während derer ein machtvoller Teil der Medien die sogenannte „Politik“ – also Verfassungsorgane und Parteien – derartig vor sich her getrieben hätte wie jetzt. Und zwar treibt man so ziemlich alles vor sich her, was im Politikbereich Rang und Namen und vor allem Einfluss hat – sieht man von Persönlichkeiten wie dem Linken- Co-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch ab, der stets grundlegende Fehler und die Demokratie in Gefahr sieht. Ähnliches gilt für den Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Die erste politische Organisation, die das wohl zu 100 Prozent geschluckt hatte, war die AfD. Die hat auf ihrem jüngsten Parteitag beschlossen: Raus aus der EU; raus aus dem Euro und zurück zur D-Mark; Zuzug aus anderen Kulturen nach Deutschland gegen Null bringen. Man nennt das in der AfD die richtigen politischen Signale setzen.
Auf einer anderen Ebene spielt der bayerische Ministerpräsident das Spiel: Eigentlich will ich ja gar nicht als Kanzlerkandidat antreten, aber mal schauen, wie weit ich mit meiner Show komme.
Mich hat völlig verblüfft, dass die SPD-Co-Parteivorsitzende Saskia Esken vor wenigen Tagen erzählte, man werde auch unter einem grün geführten Kanzleramt mitmachen. Warum sagt sie das? Welcher Sinn steckt in einer solchen Feststellung? Ich sehe da keinen. Nur Verwirrung. Vielleicht fehlten noch zwei Zeilen, um Content komplett zu machen.
Im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen zählte infratest dimap jetzt noch 28 Prozentpunkte (- neun) für die CDU, wenn am kommenden Sonntag der dortige Landtag gewählt würde. Auf die Grünen würden 26 Prozentpunkte (+2) entfallen und auf die SPD 18 (+1). Solche Werte jagen Schocks durch Parteiapparate.
Die Grünen werden in wenigen Tagen den oder die bestimmen, die nach ihrer Überzeugung Angela Merkel beerben soll. Sollten die Grünen dem ihnen eigenen Realismus folgen wollen, werden sie die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock auf den Schild heben, um das positive Echo auf 16 Jahre Angela Merkel nutzen zu können. Frau folgt Frau.
In dieser Woche wird das neue Buch der Co-Fraktionsvorsitzenden der Linken, Sahra Wagenknecht in den Buchläden liegen. „Die Selbstgerechten“, heißt es. Wagenknechts „Abrechnung“ mit der eigenen, von Champagner- und Privatschul-Linken geprägten Partei. Nun ja, Sahra Wagenknecht hat schon manche Position bezogen. Tobias Dürr erinnerte dieser Tage auf Facebook an eine ältere Wagenknecht-Position: „Und was immer man – berechtigt oder unberechtigt – gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht während eines weltgeschichtlich einzigartigen Zeitraums.“
Na so was. Demnächst wird die Spitzenkandidatin der Linken in NRW dazu aufrufen, im weißen Hemd und mit einer Kerze in den Händen die Einäscherung des Parteinamens Die Linke zu begehen. Die politische Krise hat sich jedenfalls beschleunigt – Dank der Widerstands- und Chaos- Wellen aus Medien. Auch wegen des Mittelmaßes auf vielen Spitzenplätzen heute. Wegen des Schweigens und Wegduckens von großen Teilen der Funktionseliten im Land. Erinnern Sie sich noch an Frank Bullitt, den Polizeileutnant im gleichnamigen Thriller „Bullitt“? Steve McQueen als Leutnant Bullit verlor im legendären filmischen Autorennen nur die Radkappen. Seine Kontrahenten kamen nicht so gut davon. Wenn sich die Dinge beschleunigen….
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