Braucht das Land einen entschlossenen Führer? Eigentlich haben wir ja die Nase voll von diesem Menschentypus. Ich denke auch, dass wir durch die Erfahrungen der Nazizeit in diesem Land ein grundsätzliches Problem mit Führung allgemein und mit Autorität im Besonderen haben. Aber, diese Frage stellt sich gerade ein Teil der deutschen Öffentlichkeit, insbesondere der veröffentlichten Meinung aus Union und Teilen der Grünen sowie FDP.
Sie verlangen vom Kanzler eine starke Führung. Damit ist der Vorwurf an Olaf Scholz verknüpft, er leite zögernd und zaudernd, ihm fehle das deutliche Handeln in der Ukrainekrise. Unzweifelhaft ist Olaf Scholz kein mitreißender Redner, seine Sprache ist staubtrocken, sein Duktus stockend-hüstelnd, oft verhaspelt er sich, macht Pausen an den falschen Stellen und seiner Rede fehlen meist die mitreißenden Schlagworte, die emotionalen Kürzel, die beim Zuhörer hängen bleiben und in den Abendnachrichten zitiert werden. Er macht im politischen Tagesgeschäft zu wenig aufmerksam auf sich, sein Politikstil wirkt hanseatisch-unterkühlt. Doch, mit seiner Bazooka-Rede zu Beginn der Coronakrise im September 2021 hat er noch als Bundesfinanzminister bewiesen, dass er das kann. Er macht also zu wenig aus sich und seiner Arbeit. Er ist kein guter Verkäufer – und trotzdem hat er die Bundestagswahl gewonnen.
Trotzdem.
Fehlt Olaf Scholz also die Führungsfähigkeit, obwohl ihm dies führende Vertreter der Ampelkoalitionäre bescheinigen? Mit Anton Hofreiter von den Grünen und mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP streiten ihm dies ja zwei bei der Kabinettsbildung zu kurz gekommene ab. Die Union, anerkanntermaßen mit ihren VerteidigungsministerInnen zu Guttenberg, von der Leyen und Kramp-Karrenbauer maßgeblich am Niedergang der Bundeswehr beteiligt, will nun mit einem eigenen Gesetzentwurf den Export schweren Kriegsgeräts in die Ukraine erzwingen.
Marderpanzer, von denen die Bundeswehr zu wenig hat und deren Munitions-Export in das Kriegsgebiet die Herstellernation Schweiz untersagt hat? Leopard Panzer, von denen 100 verrottet auf einem Industriegelände herumstehen und die der Hersteller kurzfristig nicht wieder repariert bekommt?
Sollen oder können wir Artillerie liefern, deren Munitionsvorrat hierzulande Bundeswehr ohnehin begrenzt ist?
Wer im Ernst glaubt von seinen Kritikern, befähigt die tapfer kämpfenden ukrainischen Soldaten dazu, innerhalb kürzester Zeit komplizierte Waffensysteme zu bedienen, inklusive auf dem Schlachtfeld zu warten, wenn diese beschädigt oder nahezu zerstört sind?
Können wir eine Bundeswehr, die erst einmal mit 100 Mrd. Eur. fit gemacht werden muss, alle ukrainischen Wünsche erfüllen, nur weil ihr vorlauter Botschafter den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler am Nasenring durch die Medienmanege ziehen will?
Es ist zwar nicht spektakulär, den gemeinsam mit den Verbündeten initiierten Ringtausch ehemaliger Ostblockwaffen mit der Ukraine umzusetzen, aber sinnvoll auch weil dieses Gerät sofort gegen die russischen Okkupanten eingesetzt werden kann.
Deutschland hilft der Ukraine mit Milliarden, die auch hierzulande erwirtschaftet werden müssen, unabhängig von der unglaublichen Hilfsbereitschaft der hiesigen Bevölkerung, die selbstlos die Heimatlosen aufnimmt, unabhängig auch von den Milliardeneinbußen, die das Russlandembargo auch den westlichen Staaten einbringt.
Zur Ehrlichkeit politischer Führungskultur gehört auch das Eingeständnis politischer Fehler, wie das Festhalten am russischen Energieimport, der von SPD wie Union gemeinsam betrieben wurde. Übrigens kassiert auch die Ukraine heute noch von Russland für den Transport sibirischen Gases durch ihr Land. So widersinnig und abstrus ist Politik, die sich nicht auf einfache Formeln reduzieren lässt.
Ja, das Leid in der Ukraine ist unermesslich, der russische Angriff pervers und Putin ein Verbrecher von historischer Dimension. Doch eines Tages muss über den Frieden verhandelt werden. Dies wird wohl nur mit dem Diktator gehen, einem Mann, der mit seinen Atomwaffen drohen lässt. Auch die Fragen nach der Eskalationsgefahr und einer Involvierung der Nato muss kluge politische Führung bedenken. Sie muss und darf deshalb nicht immer laut sein, auf dem Marktplatz sichtbar werden.
Führung heute basiert in der Wirtschaft vor allem auf guter Teamarbeit, gerade in neu zusammen gestellten Managementebenen, wie dies im politischen Bereich die Ampelkoalition ist. Das vor allem die CDU dies noch nicht erkannt haben will, ist vor allem wohl der Angst vor dem Machtverlust bei der Landtagswahl jetzt im Mai zuzuschreiben. Die laute Trommel schlägt nicht immer den richtigen Ton. Sie nervt auch.