„Wer zuerst zuschlägt ist im Vorteil.“ Das sagte Wladimir Putin im Rückblick auf seine Petersburger Jugend als Chef einer Jugendbande. Lässt diese lebensgeschichtliche Aussage Rückschlüsse auf sein gegenwärtiges Verhalten als Oberbefehlshaber der russischen Armee im Konflikt um die Ukraine zu? Dazu muss man den Menschen genauer unter die Lupe nehmen.
Der Rechtswissenschaft studierte Leiter des russischen KGB in Dresden blieb als Offizier eher unauffällig. Als der ostdeutsche Staat in Agonie lag, verwehrte er mit der Maschinenpistole den ostdeutschen Demonstranten den Zutritt zu den Gebäuden.
Später schon in seiner ersten Amtszeit als Präsident ließ er sich einen ganzen Tag lang vom russischen Fernsehen begleiten. Das Team hatte Zugang zur privaten Wohnung, filmte die Kinder beim Spielen und die Familie beim Essen. Der Drehbuchautor fragte Putin gegen Abend, einem nachdenklichen Präsidenten, nach seinem Wunsch für die Zukunft ab. Er antwortete: “ Ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder in der Moskauer Innenstadt alleine mit meiner Familie bummeln gehen kann.“
In der chaotischen wirtschaftlichen Lage in der Jelzin-Ära entmachtete er jene Oligarchen, meistens ehemalige Funktionäre, die sich Staatseigentum unter den Nagel gerissen hatten. Das brachte ihm Respekt in großen Teilen der russischen Bevölkerung ein. Auch der in der Ostukraine.
Gegenüber dem Westen war er zunächst ziemlich offen. Auf dem G8 Treffen in Heiligenhafen machte er noch Vorschläge zur gemeinsamen Energieversorgung und während der Sicherheitskonferenz 2007 in München brachte er Ideen zur europäischen Sicherheitspartnerschaft ein. Der Westen ging fahrlässigerweise nicht auf seine Vorschläge ein. Hätte man ihn beim Wort genommen, sähe die Lage in Europa heute vielleicht anders aus.
Putin und Ex-Bundeskanzler Schröder heckten zusammen die Gas Pipeline Nord Stream 1 aus. Schröder nannte den russischen Präsidenten einen “ lupenreinen Demokraten“ und zog schon damals die Lächerlichkeit auf sich.
In den westlichen Medien erschienen Putin Fotos als Jäger mit bloßem Oberkörper in der sibirischen Taiga und Pilot einer russischen Mig 19. Im Subtext hieß das: ein gefährlicher Macho.
Später bezeichnete ihn der US-Präsident Barack Obama als „Führer einer Regionalmacht“. Für den Präsidenten der größten Landmacht der Erde eine Kränkung, die Folgen hatte. Der nationalistische Autokrat wendete sich vom Westen ab und verfolgt seither das Ziel die russischsprachigen Minderheiten nach dem Zerfall der UdSSR, notfalls mit Gewalt nach Russland zu integrieren.
Der misstrauischer Mann an der Spitze Russlands zeigt bei der Anwendung von Gewalt keinen Skrupel. Das belegen die Bomben auf Syrien, die Eroberung der Krim und die Unterstützung der Aufständischen in der Ukraine seit fast 8 Jahren. Der Mensch ist, wie Sartre sagt, „nicht mehr und nicht weniger als die Summe seiner Taten“ (wozu auch seine Leiden gehören).
Der Schachspieler Putin hat den Westen in eine Sackgasse manövriert.
Noch nicht ganz, denn die russische Bevölkerung will keinen Krieg. Eine weitere Schwachstelle für ihn ist auch, dass er Schweden und Finnland ungewollt in die NATO treibt.
Ganz Europa hängt vom russischen Öl und Erdgas ab. Ersatz gibt es zu wenig. Der Westen wird unter Führung des schon etwas tattrigen US- Präsidenten Joe Biden Konzessionen machen müssen. Wirksam ist ein großes Protokoll in Washington. Das ist Balsam für Putins Seele. Denkbar wäre auch, dass man ihn zum Grab des Präsidenten J.F. Kennedy begleitet. Der 70jährige wird begreifen, dass er auch sterblich ist.
Bildquelle: World Economic Forum, swiss-image.ch/Photo by Remy Steinegger