Super-Wahlsonntag, hatten einige in Anlehnung an die laufenden US-Vorwahlen formuliert. Ein Plebiszit wollte gar ein so genannter Wahlforscher in den Abstimmungen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sehen, also Volksabstimmungen über die Flüchtlings-Politik von Kanzlerin Angela Merkel. Es war weder noch. 13 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, überraschenderweise war die Wahlbeteiligung eindeutig höher als befürchtet. Immerhin, da scheint sich eine entsprechende Kampagne ausgezahlt zu haben.
Wer gewonnen hat? Die Grünen in Baden-Württemberg jubeln, während sie in Mainz und Magdeburg trauern, die SPD in Rheinland-Pfalz reißt die Arme hoch und lässt sie in Magdeburg und Stuttgart hängen, die CDU rettet ihre ohnehin nicht überragende Position in Sachsen-Anhalt und ist in Stuttgart auf den niedrigsten Wert gestürzt seit 1952 und in Mainz bleibt sie zweite Kraft. Die rechtspopulistische AfD zieht mit teils sensationellen Ergebnissen in alle Landtage ein, die FDP ist zurück im Landtag von Baden-Württemberg.
Denkzettel-Wahl
Mag sein, dass es eine Denkzettel-Wahl war. Richtig ist, dass die AfD viele Stimmen aus dem früheren Lager der Union erhielt. Aber auch Tausende Wähler, die vormals der SPD die Stimme gegeben hatten, votierten dieses Mal für diese Partei am äußersten rechten Rand. Die AfD, folgt man den Sprüchen ihrer Vorturner am Sonntagabend, sieht sich inzwischen als eine Volkspartei. Das kann sie zwar nicht begründen, aber sich darauf berufen, dass sie in Sachsen-Anhalt die SPD klar hinter sich gelassen hat. Und ihre Ergebnisse selbst in Baden-Württemberg müssen jeden normalen Demokraten beunruhigen. Gegen was wollten die Wähler in Baden-Württemberg eigentlich protestieren? Das Land hat so gut wie keine Arbeitslosen, dort verdient man gut, überhaupt steht das Land spitze da. Und auch im Land der Rüben und Raketen stehen die Dinge gut.
Zum Lachen waren die Reaktionen des CDU-Politikers Strobl. Der ist Vorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble. Von Demut ob der Niederlage keine Spur bei Strobl. Er betonte die Abwahl von Grün-Rot im Ländle als wichtiges Ergebnis und schien darüber den Absturz seiner CDU auf unter 30 Prozent verdrängen zu wollen. Mehr noch, er erweckte den Eindruck, als sollte der Wahlgewinner, der Grünen Ministerpräsident Kretschmann, abgelöst werden. Kaum vorstellbar angesichts des alle überragenden Ministerpräsidenten. Ähnlich äußerte sich Guido Wolf, der krachend die Wahl verloren hat und nach der Trauer über dieses Desaster schnell zur Tagesordnung übergehen möchte. Was sollen solche Sprüche, die niemand ernst nehmen kann.
Gesprächsbereitschaft der Demokraten
Niemand legte sich an diesem Abend fest. Kretschmann signalisierte Gesprächsbereitschaft mit allen Demokraten. Für ihn dürfte Grün und Schwarz denkbar sein, unter seiner Führung und nicht unter der der CDU.
Wenn sie nur am Wahlabend diese Sprüche ließen! Jeder, egal wie miserabel er abgeschnitten hatte, bedankte sich bei seinen Wählerinnen und Wählern. Eigene Fehler gab niemand zu, das höchste der Gefühle war das Eingeständnis, dass man seine Ziele nicht erreicht habe. Und einen guten Wahlkampf haben sie alle, selbstredend, gemacht. Nur der Wähler hat sie offensichtlich nicht verstanden. Was im übrigen auch für die Linke zutrifft.
Ernüchternd, ja enttäuschend für die CDU der Ausgang der Wahl in Rheinland-Pfalz. Sie hat ihr Ziel klar verfehlt. Hier hat die Amtsinhaberin Malu Dreyer, die vor ein paar Jahren das schwere Erbe ihres Amtsvorgängers Kurt Beck übernahm, ihre Position verteidigen können. Dabei lag sie, gemessen an Umfragen, monatelang bis zu zehn Prozentpunkte hinter ihrer Herausforderin Julia Klöckner. Für die CDU-Kandidatin hat sich der Spagat in der Flüchtlingspolitik- sie stand zwischen Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer- nicht ausgezahlt. Sie hat ihr Ziel, das Land nach 25 Jahren SPD-Regentschaft für die CDU zurückzuholen, nicht erreicht. Sie dürfte sich auch kaum Hoffnungen auf eine große Koalition machen. Wenn man Malu Dreyer richtig deutet, spricht vieles für eine Ampel-Koalition: SPD, Grüne und FDP.
Schwere Einbrüche der SPD
Die SPD hat schwere Verluste in Baden-Württemberg und in Sachsen-Anhalt zu verarbeiten. Einbrüche, die aus der einstigen Volkspartei bald eine Splittergruppe machen könnten, wenn das so weitergeht. Jedenfalls ist die SPD in beiden Ländern, auch wenn sie in Magdeburg weiter mitregieren dürfte, in einer desolaten Verfassung. Wo soll das enden?
Die Erosion der Parteien-Landschaft setzt sich fort. Die Volksparteien, von Bayern mal abgesehen, werden immer schwächer, so dass selbst eine große Koalition nicht mehr ausreicht für eine Mehrheit. So in Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg.
Die Flüchtlingsfrage hat den Ausgang der Wahlen am Sonntag entscheidend beeinflusst. Wenn die Ergebnisse jüngster Umfragen stimmen, macht sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Sorgen über die wachsende Kriminalität und über den angeblich zunehmenden Einfluss des Islam in Deutschland. Auch wenn der Alltag im Lande anders und viel ruhiger aussieht und die Sorgen von Vorurteilen gespeist werden, auch wenn diese Republik weit davon entfernt ist, aus den Angeln gehoben zu werden: Die Parteien müssen dem Bürger nicht nach dem Mund reden, aber aufs Maul sollten sie ihm schon schauen, damit sie wissen, was los ist im Land.