Oh, wie schön ist Jamaika, überschreibt Heiko Sakurai, einer der besten deutschen Karikaturisten, sein Cartoon-Buch des Jahres. In der Tat sah alles wochenlang so aus, als sei die Sonneninsel das Ziel deutscher Politik, als steuere Angela Merkel mit Horst Seehofer, Christian Lindner und den Grünen Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt gerade auf Jamaika zu. Was der Zeichner zu der Zeit, als das Buch gedruckt wurde, nicht wissen konnte, dass Merkel den Hafen nie erreichte, sondern das Jamaika-Schiff durch Lindner zum Kentern gebracht wurde. Mit Cartoons und Sakurai durchs Jahr, das ist ein Spaziergang wie im Märchen, man schmunzelt, wie Politikerinnen und Politiker, allen voran die Kanzlerin, mit der Feder aufgespießt werden von Sakurai.
Die Kanzlerin des Ungefähren ist ebenso sein Thema wie der Hype um Martin Schulz, der zunächst wie ein Erlöser für die SPD daherkommt und dann sein böses Erwachen hat, sein Absturz bei vier Wahlen. Die Erosion hat begonnen bei Angela Merkel, trotz des Wahlsiegs ist die CDU-Chefin geschwächt. Der neue US-Präsident Trump, für Karikaturisten natürlich ein Hit. Selten hat ein amerikanischer Präsident, immerhin der mächtigste Mann der Welt, den Zeichnern so viele Motive geliefert, die die Blamage mit Trump deutlich machen. Oder nehmen wir Erdogan, den Türken, der nach dem gescheiterten Aufstand der Demokratie in Ankara an die Gurgel geht. Erdogan wird mit einem Dobermann-Blick gezeigt, wie er über die Todesstrafe nachdenkt und die Demokratie am Galgen baumeln lässt. Natürlich ist das nicht alles lustig, soll es auch nicht sein.
Karikatur ist der 2. Leitartikel
Die Karikatur ist der zweite Leitartikel, so haben wir es oft verstanden, neben den drei geschriebenen Kommentaren. Richtigerweise steht die Zeichnung oben, gleich neben dem ersten „Leiter“, in vielen Zeitungen auf der Seite zwei oder in der SZ zum Beispiel auf der Seite vier. Karikaturen zu zeichnen ist Schwerstarbeit. Wer glaubt, dem Zeichner fallen die Themen vom Himmel, täuscht sich. Ich habe damals einige Jahre mit Heiko Samurai zusammengearbeitet, wir telefonierten am Vormittag, um das Thema des Tages zu besprechen. Der Karikaturist muss sich täglich über alle wichtigen Nachrichten in der Politik, Kultur, der Wirtschaft und im Sport informieren. Er muss die Zeitung, für die er zeichnet, kennen und die Vorlieben der Redaktion und des verantwortlichen Redakteurs Auf der Grundlage diskutiert er mit dem Journalisten am anderen Ende der Leitung, und wenn man sich nicht einig wird, verabredet man sich für den frühen Nachmittag. In der Zwischenzeit kann der Zeichner ein paar Skizzen in die Redaktion mailen, wenn er Glück hat, ist ein Treffer darunter. Spätestens zur so genannten Abendkonferenz, die am Nachmittag stattfindet, muss das Thema stehen.
Heiko Sakurai(Jahrgang 1971), der aus Recklinghausen stammt und in Köln lebt, hat schon als ganz junger Mann für die Lokalredaktionen der WAZ gearbeitet, er studierte Germanistik in Münster und hatte einen Lehrauftrag für Karikatur an der dortigen Westfälischen Wilhelms-Universität inne. Er hat Karikaturen-Workshops abgehalten für Studenten. Heiko Sakurai zeichnet für die WAZ, die Berliner Zeitung, die Rhein-Neckar-Zeitrung, den Kölner Stadtanzeiger, die Schwäbische Zeitung und weitere Tageszeitungen. Er hat die Biografie „Peer Steinbrück“ illustriert wie auch den Polit-Comic „Miss Tschörmänie“. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem zweiten Preis der Rückblende 2006, dem dritten Preis der Rückblende 2012 und dem ersten Preis der Rückblende 2013.
Heiko Sakurai: Cartoons des Jahres. Schaltzeit-Verlag, Berlin 2017. 176 Seiten.17.90 Euro