Böller-Verbote zum Jahreswechsel liegen im Trend. Sie haben verschiedene Ursachen, die von Brandgefahr und Lärmschutz über die Verletzungsrisiken bis hin zu touristischen Motiven reichen. Neu hinzu kommt in diesem Jahr die Sorge, Menschen aus Kriegsgebieten könnten durch die Knallerei in Panik versetzt und retraumatisiert werden. Der Regierungspräsident in Arnsberg hat mit dieser Begründung das Zünden von Feuerwerkskörpern an Flüchtlingsunterkünften generell untersagt.
In der Silvesternacht muss es krachen, je lauter und schriller umso besser. Zischende Raketen, Knallfrösche und Chinaböller gehören zur Tradition eines kollektiven Feuerwerks. Sie vertreiben die bösen Geister und begrüßen freudig das neue Jahr. Um die hundert Millionen Euro lassen sich allein die Bundesbürger das Spektakel jedes Jahr kosten, und zwar – so ist das mit dem Aberglauben – je schlechter die Lage, desto mehr. In Krisenzeiten knallt es daher umso kräftiger, und auch bei denen, die es sich am wenigsten leisten können.
Slogan wirbt für „Brot statt Böller“
Seit mehr als drei Jahrzehnten wirbt der Slogan „Brot statt Böller“ dafür, das Geld für Entwicklungshilfe zu spenden, statt es in der Luft zu verpulvern. Regelmäßig ernten die Initiatoren dafür den Vorwurf der Lustfeindlichkeit. Die Armut in der Welt gehe nicht auf die Silvestertraditionen zurück, sondern auf eine ungerechte Wirtschaftspolitik. Ein Appell an die weltweite Solidarität laufe ins Leere, wenn er mit Leidensmiene und erhobenem Zeigefinger einhergehe, sagt beispielsweise Hans Wolf von der „Aktion 3. Welt Saar“ dem „Domradio“.
Nun sind es also nicht Spendenaufrufe, die das Böllern zu Silvester dämpfen, sondern behördliche Verbote wie das von der Bezirksregierung Arnsberg. „Wir weisen die Bewohner unserer Unterkünfte in mehreren Sprachen darauf hin, dass sie aus Sicherheitsgründen nicht knallen dürfen und daher erst gar keine Böller kaufen sollten“, sagte Sprecher Christoph Söbbeler. In den Flüchtlingsheimen hingen entsprechende Plakate. „Wer aus einem Kriegsgebiet kommt, verbindet Knallerei eher mit Schüssen und Bomben als mit Silvesterraketen. Das könnte die Traumata der Leute neu aufbrechen lassen“, sagte Söbbeler.
Verbote in 56 holländischen Städten
Aus der Gemeinde Reichenberg in Unterfranken wird hingegen über eine Art Generalprobe für die Silvesternacht berichtet. Den neuen Ortsbewohnern aus Syrien und Afghanistan „soll die Angst genommen werden“, wie die Sprecherin des dortigen Landratsamts dem „Tagesspiegel“ sagte. Also werden „einige Raketen im Hellen gezündet“ – mit Sondergenehmigung, denn normalerweise ist Feuerwerk nur in der Silvesternacht von 16 bis 6 Uhr erlaubt.
Aus wissenschaftlicher Sicht bekommt Reichenberg Zuspruch für die Silvester-Probe. „Es ist wichtig, die Flüchtlinge frühzeitig über Silvester aufzuklären und deutlich zu machen, dass dieses Fest mit Freude verbunden ist“, sagt die Würzburger Psychologie-Professorin Andrea Kübler der „Augsburger Allgemeinen“. Dort wird sie auch mit dem Satz zitiert: „Silvester ist eine kulturelle Gegebenheit, mit der man früher oder später zurechtkommen muss.“ Doch dieses Muss sehen mehr und mehr Menschen nicht ein. In den Niederlanden haben fast 56 Städte und Gemeinden private Feuerwerke verboten. Das nächtliche Spektakel beschränkt sich auf die offizielle Böllerei.
Kein Feuerwerk in vielen Kärntner Gemeinden
Ein ähnlicher Trend ist in Österreich zu beobachten. Aufgrund der großen Waldbrandgefahr nach der Trockenheit im November und Dezember wird in vielen Kärntner Gemeinden das Feuerwerk ganz verboten, die Steiermark mahnt eindringlich zur Zurückhaltung.
In Deutschland gibt es gesetzlich geregelte feuerwerkfreie Zonen. In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sind Raketen und Knallkörper verboten. Auch an Reet- und Fachwerkhäusern darf nicht gezündelt werden. Und wie in Österreich hat auch hier die Touristikbranche eine neue Zielgruppe entdeckt: Für Hundehalter und junge Familien, die Silvester lieber leise begehen, bietet sie entsprechende Urlaubsziele an, historische Altstädte oder Reetdachgegenden, in denen höchstens Mal ein Sektkorken knallt.
Bildquelle: Wikipedia, Carol M. Highsmith – ID highsm.04694, Library of Congress, gemeinfrei