NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft(SPD) versuchte sich in der Sendung „Hart, aber fair“ hinter ihren schon länger umstrittenen Parteifreund, den Innenminister Ralf Jäger, zu stellen. Die Schande von Köln, wie die Sendung mit Frank Plasberg hieß, sei auf das Versagen der Polizeiführung zurückzuführen. Da aber widersprach ihr der Nebenmann auf dem Podium, Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“. Die „politische Verantwortung“ für das, was in Köln schiefgelaufen sei, liege nun mal beim obersten Dienstherr der NRW-Polizei, dem Innenminister des Landes. Da musste Frau Kraft passen, Prantl ist nicht irgendwer und schon gar nicht ausgewiesen als engagierter SPD-Gegner. Der Jurist weiß, wovon er redet, in Theorie und Praxis.
In der Tat trägt der Minister die politische Verantwortung für das Geschehene, das inzwischen das ganze Land in Verruf gebracht hat, Medien aus aller Welt berichten darüber, wie in einer Nacht Ordnung und Sicherheit in einer Stadt wie Köln aus den Fugen gerieten, wie besoffene Machos wohl aus Nordafrika die Macht in Köln übernahmen und Jagd auf Frauen machten, denen die Polizei keine Sicherheit mehr bieten konnte. Und das in Deutschland, eigentlich ein Hort der Sicherheit. Als Konsequenz dieses Skandals hatte Jäger den Polizeipräsidenten von Köln, Wolfgang Albers, in die Wüste geschickt, dem es nicht nur in dieser Sache an der nötigen Professionalität gefehlt hatte. Zu wenige Polizisten im Einsatz, keine neuen Kräfte angefordert, dann der Versuch, den Skandal mit all den Schweinereien, denen sich Hunderte von Frauen ausgesetzt sahen, zumindest herunterzuspielen, wenn nicht gar zu vertuschen. Und dass Jäger die Verantwortung für das operative Geschäft von sich wies mit der Begründung, schließlich sei auch der „Gesundheitsminister nicht für eine misslungene Blinddarmoperation verantwortlich“, setzte dem Skandal noch die Krone auf. Wie kam er nur auf diesen Vergleich, der völlig daneben liegt?
Kein unbeschriebenes Blatt
Albers war schon länger kein unbeschriebenes Blatt mehr. Der Präsident der größten Polizeibehörde der bevölkerungsreichsten Stadt in NRW hatte sich schon in der Vergangenheit eine ganze von Pannen und Peinlichkeiten geleistet. Und Jäger hatte ihn, den Parteifreund, ganz offensichtlich geschont. Anders kann man zum Beispiel den Umgang mit jener Randale aus dem letzten Jahr nicht betrachten, als 5000 Hooligans eine Stadt wie Köln als Geisel nahmen. Und Herr Albers war nur überrascht und lobte den Einsatz der Polizei. Dabei waren auch Reisende im Bahnhof terrorisiert worden. Oder man denke an die Übungen, die sich Neulinge bei der Kölner SEK unterziehen mussten, einschließlich des gefilmten Hubschraubereinsatzes über dem Rhein- aus Kosten der Steuerzahler.
Oder nehmen wir die Drogen- und Diebstahlszene um Hauptbahnhof und Domplatte, fest in der Hand von zumeist Nordafrikanern, und die Kölner Polizei unter Leitung des Präsidenten Albers ließ es geschehen. Wir reden hier nicht von Heidenau in Sachsen, nicht von Dresden, was schlimm genug ist, was dort passiert, sondern von No-Go-Areas mitten in Köln, im Schlagschatten des Weltkulturerbes Kölner Dom.
Dass die Opposition Jäger angreift, ist ihr gutes Recht. Das gehört zu ihren Pflichten. Zumal Jäger als starker Mann, als Macher in der geschwächten SPD in NRW gilt, die seit Jahr und Tag unter Mitgliederschwund leidet. Allerdings hat Jäger nicht nur die Causa Albers zu verantworten, den er einst eingestellt hatte, sondern in seine Amtszeit fällt auch die Loveparade in Duisburg und die schlimmen Geschehnisse im Flüchtlingsheim in Burbach. „Serientäter“ nennt ihn FDP-Chef Lindner, aber der Freidemokrat kämpft selbst um das politische Überleben seiner Partei, insofern verpufft seine Kritik leicht. Dass Armin Laschet ihm vorwirft, für die verloren gegangene Sicherheit verantwortlich zu sein, muss Jäger einstecken. Denn die Sicherheit ist nun mal das Revier des Innenministers. Und dass die Menschen in NRW nach und wegen Köln das Vertrauen in die Polizei verloren haben, das trifft den für die Sicherheit verantwortlichen Minister voll. Da kann er sich noch so wegducken. Verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, das wird nicht leicht in diesen ohnehin nicht leichten Zeiten. Die Flüchtlingsfrage ist eine riesige Herausforderung an alle, nicht zuletzt des Innenministers.
Immer wieder Laschet im Interview
Die Präsenz der NRW-Regierung ist ein besonders Thema, manchmal erweckt sie den Eindruck, als wolle sie absichtlich der Opposition die Meinungshoheit im Lande überlassen. Oder glaubt sie etwa, sie habe es nicht nötig, sich in die Niederungen des politischen Streits zu begeben? Es war jedenfalls erstaunlich zu beobachten, wie in der letzten Woche das ZDF, das WDR-Fernsehen Westpol und WDR2 immer wieder Laschet als Gesprächspartner präsentierten, um ein Interview mit einem namhaften Politiker aus NRW zu der Schande von Köln zu führen. Da fragte man sich schon: Wo war Jäger? Abgetaucht, heißt es in der SZ, „er, der sonst so gerne spricht, hatte sich selbst eine Nachrichtensperre verordnet.“ Und ein paar Zeilen später schreibt das Blatt zu Frau Kraft: „Kurz vor Jäger war am Wochenende auch Hannelore Kraft aus der Versenkung wieder aufgetaucht, absolvierte ihren ersten öffentlichen Auftritt seit den Geschehnissen an Silvester.“
Bei „Hart aber fair“ zeigte die Ministerpräsidentin, wie die Krawalle und sexuellen Angriffe von Machos auf Frauen in Köln sie betroffen gemacht hatten. Anders als Jäger kennt sie das Wort Entschuldigung, sie hätte, wie sie bekannte, sich gern bei allen Frauen für diese Schandtaten entschuldigt, aber das bringe ja nichts, aber sie sagte es zumindest und fügte hinzu: „Es tut mir außerordentlich Leid.“
Dass CDU-Generalsekretär Peter Tauber Jäger den Rücktritt nahelegt, muss man nicht zu hoch hängen. Generalsekretäre sind die Wadenbeißer ihrer Partei, die zum Angriff blasen. Aber das Staatsversagen in Köln, das Versagen der Sicherheitsorgane, wodurch Hunderte von Frauen hilflos wurden und sich allein gelassen fühlten, das wird sich Jäger ans Revers heften müssen. Ob er den Skandal politisch übersteht, ist am Ende seine und vor allem die Sache seiner Chefin, Hannelore Kraft. Einfach wird das nicht für die Regierung in Düsseldorf mit einem angeschlagenen Innenminister, der genau weiß, dass er sich auch nicht mehr den kleinsten Fehler leisten kann.
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