Aus weiblicher Perspektive eine Antwort auf Klaus Vater zum Thema Gewalttaten an Kindern – hier die Wiedervorlage eines Artikels aus dem Jahr 2016:
Wenn du mich fragst – ich finde den Terminus technicus „sexueller Missbrauch“ äußerst frag-würdig. Eine solche Straftat ist KEIN KAVALIERSDELIKT – Kinder sind doch keine Dinge, an denen irgendwie fehlerhaft herumgemacht wird. Nach dem verharmlosenden Motto: Da hat einer wohl etwas übertrieben, konnte seine Finger etc. nicht ganz unter Kontrolle halten. Nun ja. Wenn es weiter nichts ist…
Hier ein Aspekt, den ich angesichts der neuesten juristischen Erkenntnisse über Straftaten in Kirchenkreisen – die armen Regensburger Domspatzen – kommunizieren möchte, auf dass evtl. ein Antrag im Parlament gestellt werde zu einer Formulierungs – Änderung im STGB!
Auch die MedienvertreterInnen würde ich gerne sensibilisieren, denn es klingt diese Begrifflichkeit eher voyeuristisch.
Es wird auch in bloßen Nachrichten-Texten immer wieder berichtet über „sexuellen Missbrauch“. Diese bagatellisierende Formulierung ist inflationär weit verbreitet, juristisch im STGB aber abgesegnet, und kaum einer denkt darüber nach, was sie eigentlich impliziert, nämlich, es gäbe einen irgendwie angemessenen G E B R A U C H von Kindern durch Erwachsene.
Das möchte ich bezweifeln, unbedingt!
Ich habe mich mit dieser Thematik der „sexualisierten Gewalt“ ausführlich auseinandergesetzt, auch 1994 einen Film darüber gemacht. Nie, auch wenn solche Übergriffe anscheinend nicht brutal verlaufen – nie geschieht da etwas freiwillig. Immer handelt es sich um ein Macht – Verhältnis, auch wenn das Kind stillhält, und so tun m u ß, als merke es nichts, oder es schlafe.
Wenn du mich fragst:
Solche Übergriffe traumatisieren immer. Nicht zu schweigen von der unendlichen Scham, die ein Opfer lebenslänglich paralysieren kann. Was jedoch missbraucht wird, ist das Vertrauen des Kindes durch den Täter, erst recht, wenn er aus dem nahen Umfeld kommt. Gerade weil das Unrechtsbewusstsein von Familienangehörigen nicht selten kaum ausgeprägt ist, können Kinder kaum sich orientieren: „Darf er das oder nicht…“. Die seelische Abhängigkeit von diesen Erwachsenen ist naturgemäß groß. Was in jedem Fall – in der konkreten Tat, im VERBOTENEN Übergriff auf den Körper eines Menschen – immer missbraucht wird, ist das ursprüngliche VERTRAUEN eines Kindes.
Umso wichtiger sind klare und verbindliche Aussagen. Also: „Sexueller Missbrauch“ sollte keine justiziable Kategorie mehr sein. Es geht um ein GEWALTDELIKT.
Stattdessen plädiere ich für folgende Formulierung: N.N. ist wegen sexueller Misshandlung seiner Tochter zu … Jahren Haft verurteilt worden. Oder: Pastor X. wird verdächtigt, ein Kind sexuell misshandelt zu haben. Ja, jemand handelt, jemand überschreitet Grenzen –Grenzen der körperlichen Unversehrtheit, die in der UN-Menschenrechtscharta festgelegt sind – in der Tat, er verachtet das kindliche Recht auf dessen körperliche Autonomie. Es geht um Verantwortung für das, was der einzelne Mensch tut, dem Anderen an-tut. Es handelt sich in solchen Zwangs-Verhältnissen mit minderjährigen Schutzbefohlenen immer um GEWALT – Taten, die jeweilige Ausführung kann sich allenfalls auf das Strafmaß auswirken.
Gott – oder wem auch immer – sei Dank – der Papst Franziskus passt inzwischen hoffentlich ganz gut auf, dass die frustrierten Priester ihre Autorität von Amtes wegen nicht weiter in eklige Misshandlungen von Kindern ummünzen. Und wenn du mich fragst: Wie kalt und ignorant dürften solche Christenmenschen sein, wenn sie das durch sie selbst verursachte konkrete Leiden von Kindern so brutal ausblenden. Vielleicht könnten wir ja mal die Frauen und auch Männer im Parlament verbindlich anfragen, wie die das so sehen. Denn: bestimmt ist der Begriff „sexueller Missbrauch“ damals von Herren so formuliert worden.
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