Nach 76 Sekunden fiel das 1:0 für Borussia Mönchengladbach, oder besser lag der FC Bayern mit 0:1 hinten. Es ging um Fußball, nicht um Halma. 20 Minuten später stand es 3:0 gegen die Bayern. Der Fernsehzuschauer rieb sich die Augen, ob das alles mit rechten Dingen zuging? Nein, wir hatten auch nicht den 1. April. Der große FC Bayern auf der Verliererstraße, am Boden, k.o. wie ein Boxer. Aber wer dem Pokalspiel am Mittwochabend zwischen Mönchengladbach und Bayern zuschaute, erlebte etwas, was man sich öfter wünschte. Der Kleine griff an, war schneller am Ball, überhaupt aggressiver, ohne unfair zu sein, der angeblich so Große dagegen stand nicht auf dem Platz, neben sich, wie man so schön sagt, die Spieler in Rot lieferten Fehlpässe am laufenden Band und sahen zu, wie die anderen die Bälle dem armen Manuel Neuer in den Kasten hauten. Am Ende hieß es 5:0 für MG, 0:5 gegen den FCB.
Unglaublich, historisch, kollektives Versagen bei den einen, der totale Rausch bei den anderen. Bedient war der Brazzo, wie der Manager der Bayern mit dem eigentlichen Namen Salihamidzic heißt. Vermisst habe ich das krebsrote Gesicht von Uli Hoeness. Ich denke, der wird die Blamage daheim am Tegernsee in seinem Landhaus angeschaut haben. Hoffentlich hat der Fernseher die Wutausbrüche des früheren Bayern-Präsidenten ausgehalten.
Noch zur Halbzeit meinte der einstige Bayern-Star Bastian Schweinsteiger, der sich seit Monaten als Fernseh-Fußball-Erklärer versucht, das Spiel sei noch nicht zu Ende. Die Bayern seien eine so starke Truppe, da könnte noch was passieren. Und das tat es dann in der zweiten Halbzeit auch. Patsch, stand es 4:0, dann 5:0. Und hätte nicht Neuer einige Paraden gezeigt, die Bayern wären mit 0:7nach Hause gefahren. Kurz vor Schluß mussten sie sich gar die nach Häme klingende Bemerkung des Fernseh-Kommentators Tom Bartels gefallen lassen: „Die Bayern gerade nah dran am 1:5.“ Und noch ein Wort zu Schweinsteiger: Schuster, bleib bei deinem Leisten.
0:5. Borussia Mönchengladbach : 5. FC Bayern München :0.Ja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Das hatten die Rothosen befürchtet, dass sie nun den Spott über sich ergehen lassen müssen, die Millionäre am Ball, die eigentlich immer gewinnen, in der Bundesliga vorn liegen, überhaupt seit 2013 neun Mal deutscher Meister geworden sind, in Serie. Ihre Meister- und Pokal-Siege sind kaum noch zu zählen. So groß ist ihre Überlegenheit im deutschen Fußball. Und jetzt das Debakel am Niederrhein. Früher haben wir gesungen, wenn die Bayern mal gegen Schalke oder Dortmund verloren: Zieht den Bayern die Lederhosen aus. Das ist das teure Kleidungsstück, das jeder Spieler des FCB hat, damit treten sie auf der Wiesn und bei sonstigen Festlichkeiten auf.
Die höchste Niederlage der Bayern im Pokal. Hat ein Experte geschrieben. Ein anderer hat herausgefunden, dass die Bayern zuletzt vor 43 Jahren mit 0:5 verloren. Der Untergang, titelte t-online seine Geschichte, nein, nicht der Titanic, sondern der des FC Bayern. Fassungslos, so Thomas Müller, der auch nicht besonders auffiel an diesem Abend. Wo war eigentlich Robert Lewandowski? Ob der gespielt hat? Gnabry wurde ausgewechselt, auch Goretzka war dabei, Sané, Kimmich, der Mann, der in der letzten Zeit für Schlagzeilen gesorgt hat, weil er sich nicht gegen Corona impfen lassen will. Vorerst. Hernandez, der eigentlich ins Gefängnis sollte, stand auch auf dem Platz wie Upamecano, der aber später gewiss froh gewesen wäre, hätte der Aushilfstrainer Toppmöller ihn zu Hause gelassen. Der Embolo wird ihm im Traum erschienen sein. Ob Nagelsmann etwas hätte retten können? Der Trainer ist an Corona erkrankt und ist in Quarantäne. Zu Hause.
Von Markus Söder habe ich nichts dazu vernommen. Erst die Wahl verloren und jetzt das mit dem Fußball. Gut, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef ist ja auch Fan des 1. FC Nürnberg, aber die haben ja auch verloren gegen den HSV. Jetzt muss der andere Münchner Klub, 1860 München, die Ehre des bayerischen Fußballs retten. Die 60er haben Schalke rausgeworfen mit 1:0, der Mölders hat sich gefreut wie Bolle. Der gewichtige Mann kommt aus dem Revier, hat früher für Rot-Weiß Essen gespielt. RWE und S04 waren nie befreundete Vereine, eher beinharte Konkurrenten. Wenn der eine verlor, hat sich der andere gefreut. Aber auch wenn der Pokal eigene Gesetze hat, werden die 60er denselben nicht gewinnen. Darauf wette ich. Egal, werden sie an der Grünwalderstraße frohlocken, die Bayern sind raus, wir sind dabei. Und schon werden sie singen: 58, 59, 60, 60. Der frühere deutsche Meister von 1966 kickt übrigens in der 3. Liga und muss aufpassen, dass er nicht den Rot-Weißen aus Essen folgt. In Liga 4.
Die Bayern mögen sich trösten. Es gab schon höhere Niederlagen, wenn auch nicht im Pokal . Selbst zu Zeiten des Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Gerd Müller verloren sie mal 0:7 gegen Schalke- zu Hause in München. Zugegeben, vor einem Jahr hauten die Bayern die Blauen mit 8:0 vom Platz. Zum Trost für die Schalker: ihre Vorfahren gingen mal gegen Gladbach mit 0:11 unter. Und damit die Borussen aus Dortmund sich nicht zu sehr über derartige Schalker Klatschen freuen: der BVB unterlag 1978 mit 0:12 gegen Mönchengladbach.
Letzter Satz: Fußball ist doch nur ein Spiel. Aber schön ist es schon, wenn der David den Goliath am Boden hat.
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