Im zweiten Anlauf hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das seit mehr als einem Jahrzehnt angestrebte Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD eröffnet. An den ersten drei Tagen im März beginnt die mündliche Verhandlung. Der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss. Ebenso unberechenbar sind die Folgen eines etwaigen Verbots der 1964 in Hannover gegründeten „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“. Sicher sagen lässt sich nur: Ein Verbot der NPD wird den Rechtsextremismus nicht aus Deutschland verbannen. Das menschenverachtende und verfassungsfeindliche Treiben am äußerst rechten Rand lässt sich mit letzter Konsequenz nur politisch bekämpfen, durch Aufklärung, Bildung, eine soziale und gerechte Politik.
Steuerzahler finanziert die Partei
Diese Einsicht spricht allerdings nicht gegen den vom Bundesrat Ende 2013 gestellten Verbotsantrag. Denn die geltende Gesetzeslage bewirkt, dass die Steuerzahler auch eine Partei finanzieren müssen, die mit der Demokratie und den Freiheitsrechten Schindluder treibt. Das ist unerträglich, und ein Gewährenlassen wäre das falsche Signal. Die wehrhafte Demokratie muss, wenn sie nicht länger ihre eigenen Feinde nähren will, auch den juristischen Weg gehen.
Erste Hürde genommen
Die erste Hürde auf diesem Weg ist genommen. Anders als 2001, als das Bundesverfassungsgericht den gemeinsamen Verbotsantrag von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zurückwies, weil der Verfassungsschutz die Partei mit V-Leuten durchsetzt hatte, wird das Gericht nun darüber verhandeln, ob die rechtsextreme NPD eine verfassungswidrige Partei und also zu verbieten ist. Die Anforderungen werden hoch sein, denn Parteien sind konstitutives Element unserer Demokratie und genießen den besonderen Schutz des Grundgesetzes. Widerliche Wahlplakate, martialische Demonstrationen und braune Parolen reichen da nicht; belastbare Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit müssen auf den Tisch.
Braune Spuk nicht auf einen Schlag vorbei
Spricht das Bundesverfassungsgericht am Ende ein Verbot aus, wird die NPD aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt. Ein Verbot erstreckt sich auch auf mögliche Nachfolgeorganisationen, und doch wird der braune Spuk nicht mit einem Schlag vorbei sein. Ein Blick auf die politische Landschaft zeigt, dass rechtsextremes Gedankengut breit verankert und auf dem Vormarsch ist. Auch wenn aktuell ein bundesweiter Wahlerfolg nicht abzusehen ist und ein Einzug der AfD in den Bundestag allein aufgrund der innerparteilichen Auseinandersetzungen weniger wahrscheinlich wird: Landtage, Kreistage und Stadträte sind bereits zum Terrain der Rattenfänger und Brandstifter geworden.
Wegfall der Sperrklausel
Mit dem Wegfall der Sperrklausel hatten die Rechtsaußen in den nordrhein-westfälischen Kommunen 2014 leichtes Spiel. Die Landesregierung ist alarmiert, seit Bürgermeister und Landräte vor einer Lähmung der demokratischen Prozesse warnen. Die „Selbstentzauberung“, auf die Beschwichtiger setzen, wenn sich die braunen Populisten erst im politischen Alltagsgeschäft beweisen müssen, tritt zwar mit einiger Sicherheit ein; jedoch geht sie zu Lasten der Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens. Auch das ist nicht untätig hinzunehmen. Der Landtag verständigte sich auf die Einführung einer neuen Sperrklausel von 2,5 Prozent zur Wahl 2020.
Zahlreiche Gruppierungen
In der jüngeren Geschichte machten neben der NPD die „Republikaner“ und die „Deutsche Volksunion“ (DVU) in der äußerst rechten Szene von sich reden. Heute sind es außer der „Alternative für Deutschland“ „Die Rechte“, „Der III. Weg“, „Die Freiheit“ und speziell in Nordrhein-Westfalen „pro NRW“. Hinzu kommen zahlreiche Gruppierungen, die sich mit Vorliebe „Kameradschaften“ und „Fronten“ nennen. Bei aller organisatorischen Unübersichtlichkeit herrscht eine auffallend hohe persönliche Kontinuität.
Arbeitskreise in Dortmund gegen rechte Szene
In Dortmund hat der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus (AKgR) die Szene seit zehn Jahren im Blick. Der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss von 15 Großorganisationen von Kirchen und Gewerkschaften über Parteien und Wohlfahrtsorganisationen bis zu Hochschulen und Jugendorganisationen sah sich seit seiner Gründung vor zehn Jahren mit einer äußerst brutalen Nazi-Truppe konfrontiert, die sich später „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) nannte. Mehr als ein NPD-Verbot fordert der Arbeitskreis ein massives Vorgehen des Staates gegen die seiner Ansicht nach ungleich gefährlichere Partei „Die Rechte“.
Nachfolge- und Ersatzorganisationen
Im August 2012 wurde der NWDO, der keinen Parteienstatus hatte, vom nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) verboten. Das Verbot schloss ausdrücklich Nachfolge- und Ersatzorganisationen ein, in denen sich ehemalige NWDO-Mitglieder sammeln könnten. Beinahe unmittelbar nach dem Verbot organisierte sich der harte Kern um die Aktivisten Dennis Giemsch, Michael Brück und Siegfried Borchardt („SS-Siggi“) tatsächlich neu: Im September 2012 gründeten sie den NRW-Landesverband von „Die Rechte“. Landesvorsitzender wurde Giemsch. Brück sein Stellvertreter. Kreisvorsitzender in Dortmund wurde Borchardt, der bei der Kommunalwahl 2014 in den Rat der Stadt gewählt wurde.
Verbot des Nationalen Widerstands
Eindeutig sind Landes- und Kreisverband von „Die Rechte“ eine Nachfolge- und Ersatzorganisation des alten NWDO. Und dennoch wird es mit dem von Ralf Jäger mehrfach angekündigten Verbot wohl nichts werden. „Die Rechte“ beruft sich auf das Parteienprivileg des Grundgesetzes. Zumindest formal kann sie das tun, wurde die Partei auf Bundesebene doch bereits am 27. Mai 2012 gegründet, also ein Vierteljahr vor dem Verbot des Nationalen Widerstands.
Ministerverbot greift hier nicht
Faktisch haben Giemsch, Brück und Co. im Ruhrgebiet zweifellos eine Nachfolgeorganisation der verbotenen Nazi-Truppe NWDO gegründet. Aus rechtlicher Sicht haben sie lediglich einen Landesverband einer bereits bestehenden Partei ins Leben gerufen. Hier greift ein Ministerverbot nicht, zuständig sind einzig die Verfassungsorgane als Antragsteller und das Bundesverfassungsgericht als letztendlicher Entscheider; siehe NPD.
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