In dieser Woche, am 28.April, haben die Antisemitismusbeauftragten von Bund und Ländern eine Warnung vor der BDS- Bewegung ausgesprochen. „Der gegen Israel gerichtete Antisemitismus ist eine zentrale Integrationsideologie für antisemitische Bewegungen in Deutschland und weltweit“, heißt es im Positionspapier der Beauftragten mit Blick auf den BDS.
In der Jüdischen Allgemeine war unter der Woche zu lesen: „Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) und Oberrabbiner von Moskau, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, sagte am Mittwoch, die anti-israelische BDS-Bewegung sei `mit ein Wegbereiter einer neuen Welle des in Europa aufkommenden Antisemitismus, der immer aggressiver gegen hier lebende Juden verbal und auch tätlich ausgelebt wird`.“
Das Kürzel steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“, es ist gewissermaßen das Logo einer in vielen Ländern aktiven Organisation, die 2005 gegründet worden ist, die manche Kunstschaffenden in ihren Bann gezogen hat, aber auch staatliche und parlamentarische Reaktionen provozierte, wie die Willensbekundung des Deutschen Bundestages im Mai 2019, dem BDS kein Entgegenkommen zu zeigen, weil er in Teilen antisemitisch sei.
BDS fordert, Israel auf allen Ebenen zu isolieren, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bindungen zu kappen, damit das heutige Land der Juden und der zwei Millionen Palästinenser – nach BDS- Verständnis – vom Kopf auf die Füße gestellt werde, und dass alle aus Palästina seit 1948 geflüchteten Menschen sowie deren Kinder und Kindeskinder wieder zurückkehren könnten. In der Praxis läuft die Verwirklichung der BDS- Forderungen darauf hinaus, Land und Staat Israel zu zerstören.
Im vergangenen Dezember hatte sich eine „Initiative GG 5.3. Weltoffenheit“, zusammengesetzt aus namhaften deutschen Kunst- und Kulturschaffenden sowie Kulturbürokraten, in Berlin zu Wort gemeldet, die wegen der Willensbekundung des Bundestages die Meinungsfreiheit verengt und wohl auch die Atmosphäre verstänkert sieht.
Für die Amadeu Antonio Stiftung hat das Treiben der GG.5.3. einen „bitteren Beigeschmack“. Denn; „der Widerspruch, dass man vor einer vermeintlichen Zensur warnt, um im gleichen Atemzug Raum für eine Bewegung zu fordern, deren Agenda allein aus Boykott & Zensur besteht, scheint die Initiative nicht zu stören“, schrieb die Stiftung.
BDS hat in Deutschland keinen nennenswerten Stand entwickeln können, im Gegensatz zu Großbritannien und den USA oder auch Skandinavien. Dort ist der linke akademische Teil der Gesellschaften teils unter den Einfluss der Träger von BDS- Kampagnen geraten.
In der Bundesrepublik sind eine Reihe Regionalgruppen wie Bremen und Bonn im Zusammenhang mit palästinensischen Verbänden und Initiativen aktiv. Sie haben vor Jahren Supermärkte und Kauhäuser „besucht“, um nach israelischen Importen zu suchen und die als illegal zu kennzeichnen. Es war für mich damals so, als müssten manche Deutschen immer mal wieder etwas Jüdisches zu „kennzeichnen“ haben.
Im Laufe der Vorarbeiten zu diesem Text habe ich mit BDS- Sympathisanten telefoniert, um sie nach ihren Gründen zu fragen, die sie auf die Seite dieser Bewegung gebracht haben. Man sagte, Israel sei bereits von der Gründung ab ein Unrechtsstaat gewesen, andere vertreten die Auffassung, die Welt dürfe die Augen vor dem Unrecht nicht verschließen, das Israel den Palästinensern antue und angetan habe. Auf meine Frage, ob sie wie die BDS- Anführer Israel dem früheren Südafrika mit der Apartheit gleichsetzten, setzte einen Augenblick Überlegung ein, dann wurde geantwortet, im Prinzip ja. Auf meine weitere Frage, was denn aus den Juden in Israel werden solle, wenn Millionen frühere Einwohner Palästinas und deren Kinder und Enkel nach Israel strömten, sagte man mir, das sei nicht die entscheidende Frage, die Juden müssten sich eben arrangieren.
Ich will meine Position hier nicht verschweigen: Eine „Äquidistanz“ zu Juden und Israel auf der einen Seite und den arabischen Palästinensern und ihren Organisationen auf der anderen Seite bringe ich nicht auf. Will ich auch nicht. Ob es einmal Frieden zwischen diesen beiden Lagern geben wird, weiß ich nicht.
Mit einiger Spannung habe ich daher das 2020 erschienene Buch der beiden Autoren Alex Feuerherdt und Florian Markl aus dem Verlag Hentrich & Hentrich (194 Seiten, € 19,90) gelesen: „Die Israel-Boykottbewegung. Alter Hass in neuem Gewand.“ Die beiden Autoren sind namhafte Publizisten. Das Buch hat im Unterschied zu vielen anderen Publikationen zum Konflikt zwischen der arabischen Seite und Israel sowie den Juden den Vorteil eines gut angelegten Quellen-Registers. Man kann, wenn mal will, gut prüfen.
Der Staat Israel sei vom ersten Tag seiner Existenz an, schrieben die beiden, Gegenstand eines wirtschaftlichen Boykotts durch arabische Staaten und durch die Arabische Liga gewesen. Der Boykott habe über die Jahrzehnte hinweg wenig Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Israels gehabt. Der längste Boykott der Geschichte sei außerdem der Opportunität der beteiligten Staaten untertan gewesen.
Die Gründung des BDS gehe nicht auf Initiativen der „palästinensischen Zivilgesellschaft“ zurück. Er sei vom teils terroristischen Establishment der arabischen Gesellschaft im Westjordanland und im Gaza vorbereitet und mit dem verhüllenden Beinamen der Zivilgesellschaft versehen worden.
Die beiden Autoren berichten ausführlich über Zweck und Ziel der immer wieder von BDS- Betreibern vorgetragenen beziehungsweise behaupteten Unterschiede zwischen Staat und Zionismus auf der einen und den Juden auf der anderen Seite. Der Staat Israel ist eben für die Juden weltweit nicht irgendein Völkerrechts-Subjekt wie Luxemburg oder Ecuador; es ist der einzige Staat mit Grenzen und Sicherheit, der Juden aufnimmt, wenn sie bedroht werden. Wir hier in Germany mit Zugangsrecht zu allen EU-Staaten können uns die Bedeutung einer Heimstatt für Denken und Fühlen nicht vorstellen. Da wir alle darauf trainiert sind, Mythen zu zertrümmern, ist dieses Buch über den Charakter von BDS und dessen Ziele nur zu empfehlen.
Bildquelle: Schulministerium NRW