Der sorgsame Umgang mit der Ressource Wasser wird die Herausforderung des 21. Jahrhunderts“, mit diesen Worten eröffnete Staatssekretär Peter Bleser die Welternährungskonferenz „Global Forum for Food and Agriculture“ (GAAF) am 19.1.12017 in Berlin. Das Motto “Landwirtschaft und Wasser – Schlüssel zur Welternährung“ der diesjährigen Veranstaltung hat für die Industrienationen wie Deutschland sowohl ernährungspolitische, als auch innen- und sicherheitspolitische Relevanz. Der Hunger und die Perspektivlosigkeit in den afrikanischen Staaten treiben die Landbevölkerung als Flüchtlinge nach Europa oder in die Arme der islamistischen Extremisten. Die Ursachen für diese dramatische Entwicklung liegen nicht nur in einer global wachsenden Bevölkerung, sondern insbesondere auch in den abnehmenden Wasserressourcen und den Beeinträchtigungen der Wasserqualitäten begründet. Damit sind die Herausforderungen, die aktuell unsere politische Agenda bestimmen, unmittelbar auch von der Balance von Wasser und Landwirtschaft in den Herkunftsländern der Menschen abhängig, die eine sichere Zukunft suchen.
Über 1.500 Experten aus 100 Ländern waren der Einladung zu den Expertenforen gefolgt, um Lösungen und Konzepte zu erarbeiten. Die Sustainable Development Ziele stellen Politischer Höhepunkt war die 9. Berliner Agrarministerkonferenz mit Ministerinnen und Minister aus 83 Staaten, Vertreter der EU-Kommission und internationaler Organisationen wie die FAO, die im verabschiedeten Abschlusskommuniqué für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser eintreten. Die Nachhaltigkeit ist in den einzelnen Sustainable Development Zielen verankert, mit denen der Hunger und Wasserknappheit in der Welt bewältigt werden sollen (siehe Abbildung). Nachfolgend schildere ich einige Aspekte, die mir als Teilnehmer der GFFA zu Denken gegeben haben.
Konkurrenzen bei der Wassernutzung durch Partizipation und Kooperation lösen
Mit 70 Prozent benötigt die Landwirtschaft heute mit Abstand am meisten Wasser. Bis 2030 wird dieser Bedarf um 40 bis 60 Prozent ansteigen. In vielen Staaten der Dritten Welt geht es daher um die Verteilung der knapper werdenden Wassermengen. Eine wachsende Bevölkerung erzeugt einen stetig steigenden Bedarf nach Lebensmitteln. Dagegen steht der Wasseranspruch von Industrie, Haushalten und nicht zuletzt der Energieversorgung. Die Lösung kann nur in einer stärkeren Ausgewogenheit zwischen den Nutzungsansprüchen liegen. „Vor Ort fällt der Frieden nicht vom Himmel, wenn es Ressourcenkonflikte gibt. Es braucht mehr Partizipation!“, forderte Nicole Podlinski, Bundesvorsitzende Katholische Landvolkbewegung, auf einem der Fachforen. Die kleinbäuerlichen Strukturen bilden in vielen Regionen Afrikas und Lateinamerikas Stütze der Landwirtschaft. Sie sind aber häufig zu schwach, um sich den Wirtschaftsinteressen zu widersetzen. Daher muss die Politik in den betroffenen Ländern, aber auch die Entwicklungshilfe aus Europa und supranationalen Institutionen wie die Weltbank und die UN auf eine intersektorale Gerechtigkeit hinwirken. Till Wahnbaeck, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe, sah die Kleinbauern sogar als Schlüssel. „Man kann den Menschen zwar das Fischen beibringen, aber das bringt nichts wenn um den Teich ein Zaun steht, und die Fischer nicht drankommen,“ relativierte er die Erfolge des entwicklungspolitischen Mantra „Hilfe zur Selbsthilfe“. Er will die Position der Kleinbauern im Verteilungskampf stärker unterstützen. Das wird auch notwendig sein, denn in diese Konkurrenz stossen neue, einflussreiche Akteure: die Agrarinvestoren. Sie nutzen die Entwicklung. Ein ghanaischer Diskussionsteilnehmer beschrieb es mit einem Beispiel aus seiner Heimat: „Die Chinesen investieren in den Bergbau und vernichten dabei der dringend benötigten Wasserressourcen“. Bekannt ist, dass die Chinesen für ihre Agroindustrie große Flächen aufkaufen, um den wachsenden Wohlstand Chinas zu bedienen. Afrikanische Kleinbauern, die aufgeben müssen, verkaufen ihre Flächen an Großbauern und werden von Selbständigen mit „Bindung an die Scholle“ zu abhängig Beschäftigen, die eine neue Zukunft suchen. Viele landen dann in Flüchtlingsbooten auf dem Mittelmeer und in den europäischen Aufnahmelagern. Damit schliesst sich der Kreis, die Landflucht läßt somit uns Europäer nicht unberührt. Die sozialen Infrastrukturen und die Verteilungsgerechtigkeit bei den Medien Land und Wasser in den Entwicklungsländern erhält in Folge dessen eine Bedeutung für die Sicherheit Europas. Perin Saint Anne, Vize-Präsident der UN-Organisation International Fund for Agricultural Development (IFAD), drückt es noch drastischer aus: „Der Terrorismus hat seinen Nährboden in den ländlichen Gebieten dieser Welt. Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, damit die Menschen eine bleibenswerte Umwelt haben!“ Reflexartig kommt der Keim des Misstrauens auf: Wer sollte diese Voraussetzungen schaffen wollen, wenn die Industrienationen und die Verbraucher doch die Verursacher sind – auch wenn sie womöglich ihre Unwissenheit vor Verantwortung schützt. Aber darf das sein, frage ich mich und beobachte den Abschluss der Vorbereitungen zur Eröffnung der „Grünen Woche“, einer Agrarmesse, die unseren Reichtum an Nahrungsmittel und deren Vielfalt zur Schau stellt …
Investitionen in nachhaltiges Wassermanagement und Low-Tech-Lösungen sind dringend erforderlich
Bis 2030 werden der globale Wasserbedarf ansteigen, die Bevölkerung wachsen – gerade in den von Wasserknappheit betroffenen Regionen – und der Klimawandel die dramatischen Entwicklungen noch verschärfen. Wegen sinkender Grundwasserressourcen müssen sich die Bauern in Afrika heute schon zu 85 Prozent auf Regenwasser verlassen.„Wir brauchen Investitionen in nachhaltiges Wassermanagement,“ schlussfolgerte Claudia Ringier, International Food Policy Research Institute (IFPRI). Wasserrecycling und Tröpchenbewässerung, um konkrete Maßnahmen zu benennen, können einerseits das Wasserdargebot erhöhen und anderseits die Effizienz steigern. Der Italiener Marlos De Souza, Sekretär der Wasserplattform der FAO, sah in der Wiederverwendung keine Probleme und verwies auf die Mehrfachnutzung des Oberflächenwassers des Rheins und der Ruhr. Dort werde das Wasser sogar von Haushalten genutzt. Warum soll es nicht möglich sein, das recycelte Wasser für die Landwirtschaft zu verwenden – gerade in den Ländern mit Wasserknappheit. Sarantuyaa Zandarayas, Wasserexpertin der UNESCO, skizzierte eine denkbare Lösung, um die Landwirte an den Kreisläufen zu beteiligen: Die Landwirte geben ihre Nutzungsrechte für Grundwasser an die Kommunen ab, die für die Versorgung der Haushalte eine höhere Qualität benötigen, und erhalten im Gegenzug in einem lokalen Kreislauf das recycelte Wasser nebst einer Kompensation zurück. Um Akzeptanzproblemen beim Abwasserrecycling zu begegnen, schlug Steven N. Schonberger, Agrar- und Wasserexperte der Weltbank, im Hinblick auf die Akzeptanz eine semantische Korrektur vor: „Lasst uns über ‚recyceltes Wasser‘, statt über ‚wiederverwendetes Abwasser‘ sprechen.“ Diese Empfehlung dürfte auch bei der Strategie zur Wiederverwendung von Abwasser der EU Bedeutung erlangen.
Forum Blue Planet Dialog: Nachhaltige Lösungen für Wasser und Lebensmittelproduktion (Foto: Gendries)
Die Diskussion um die Steigerung der Effizienz wird mit „More Crops for Less Drops“ betitelt. Damit ist die Verringerung des Wassereinsatzes je Produkteinheit, wie einer Tonne Mais, gemeint. Hier wäre es notwendig, die in Regionen wie beispielsweise Israel, Australien und Kalifornien vermehrt eingesetzte Tröpchenbewässerung auch in den Entwicklungsländern „auszurollen“. Dieses Verb trifft den Kern, weil es sich zumeist um Schläuche handelt, die von auf Anhöhen stehenden Wasserfässern gefüllt werden, wie eine Vertreterin aus Sambia den Einsatz beschrieb. „Low-Rech“ ist daher gefragt, wenn nicht auch noch größere finanzielle Abhängigkeiten entstehen sollen, die wiederum die Agroinvestoren erstarken lassen. Die Digitalisierung kann dabei unterstützen, zum Beispiel mit Sensoren, die den Bewässerungsbedarf der landwirtschaftlichen Flächen aufzeigen und eine gezielte Bewässerung ermöglichen.
Die zweitägige Fachkonferenz mündete in einem hochrangig besetzten Forum der EU-Kommission unter dem Titel „Meeting the Twin Challenges: Food security and Water management“, in der Barnaby Joyce, der australische Landwirtschafts- und Wasserminister, aufgrund der Erfahrungen seines Landes die Anregung gab: „Wir brauchen mehr ökonomische Anreize an Stelle von mehr Verboten.“ Unter dem Slogan „Do not waste Food, save Water“ könnte man eine weitere Forderung subsumieren, nämlich den nachhaltigen und sorgsamen Umgang mit Nahrungsmitteln.
Landwirtschaftsminister wollen den Herausforderungen mit der Umsetzung der Agenda 2030 begegnen
In ihrem Abschlusskommuniqué bekräftigten die Landwirtschaftsminister ihren Willen zum nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser. Auf Basis der Empfehlungen der vorausgegangenen Fachkonferenz betonten sie vier zentrale Herausforderungen: Reduzierung von Wasserknappheitsrisiken, Reduzierung der Verunreinigung von Wasser, Management von Wasserüberschuss sowie Sicherstellung des ausreichenden Zugangs der Landwirtschaft zu Wasser. Zum Abschluss der Berliner Agrarministerkonferenz überreichte Bundesminister Christian Schmidt das Abschlusskommuniqué dem Generaldirektor der Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO), José Graziano da Silva. Die Weltgemeinschaft hat den nachhaltigen Umgang mit Wasser im Jahr 2015 prominent im Nachhaltigkeitsziel 6 der Agenda 2030 verankert. Mit dem Beschluss des GFFA-Abschlusskommuniqués verpflichten sich die Landwirtschaftsminister, die Umsetzung der Agenda 2030 damit aktiv zu unterstützen und fordern dazu auf, das GFFA als Beitrag der Landwirtschaft zur erfolgreichen Umsetzung der Agenda 2030 auf UN-Ebene zu kommunizieren.
Zum Nachlesen und Unterstützen:
Action Plan und die Deklaration der Agrarminister (vorerst in Englisch):
www.bmel.de/G20AgricultureActionPlan_EN und www.bmel.de/G20AgricultureDeclaration_EN