Jede Minute stirbt ein Mensch an Wasser. Entweder, weil keines da ist – nicht zum Trinken oder um Lebensmitteln anzubauen. Oder weil das, was verfügbar ist, verunreinigt ist und krank macht. Weil zu viel Wasser in Form von Flutkatastrophen ganze Viertel auslöscht. Oder weil zu wenig Wasser zu gewaltsamen Verteilungskonflikten führt, in denen Menschen ihr Leben lassen.
Wie schlimm ist die Lage aktuell?
Über 2 Milliarden Menschen haben nach wie vor keinen Zugang zu sauberem Wasser – Tendenz steigend. Die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu adäquaten Sanitäranlagen mit dramatischen Folgen für die Gesundheit – Tendenz steigend. 3 Milliarden Menschen waren letztes Jahr von Naturkatastrophen, wie Überflutungen durch Starkregen oder lange Dürreperioden betroffen – Tendenz – Sie ahnen es – steigend. Wasser gefährdet unsere Ernährungssicherheit, unsere persönliche und gesundheitliche Sicherheit, die Sicherheit unserer Gesellschaft und unsere Umweltsicherheit.
Die wachsende Kluft in der Einkommensverteilung ist mit ein Grund für diese hohen Zahlen: aufgrund gestiegener Energie- und Nahrungsmittelkosten hängt es immer öfter vom Geldbeutel ab, ob Menschen im Globalen Süden sich sauberes Wasser leisten können. Krisen durch Klimawandel, Dürre und Pandemie verstärken das Problem weiter.
Es ist Zeit zu handeln! Als Weltgemeinschaft müssen wir erheblich gegensteuern und so schnell wie möglich die politischen Hebel in Bewegung setzen, die eine wassersichere Zukunft ermöglichen. Wie kann das aussehen?
Die drei Game Changer für globale Wassersicherheit: Geschlechtergleichstellung, Geld und gutes Management
Um Wassermangel zu bekämpfen, Wasserverfügbarkeit zu steigern, Wasserqualität zu verbessern und Wasser insgesamt sicherer zu machen, gibt es mehrere Wege, die ich als Entwicklungsministerin gemeinsam mit den Partnerländern des BMZ beschreite:
Geschlechtergleichstellung: Wasser zur Frauensache machen
In vielen Ländern ist Wasserbeschaffen eine körperlich schwere Arbeit, die häufig die Frauen übernehmen. In Subsahara-Afrika verbringen Mädchen und Frauen jährlich 40 Milliarden Stunden damit, Wasser zu holen. Das entspricht der jährlichen Arbeitszeit der gesamten berufstätigen Bevölkerung in Frankreich. Diese Zeit fehlt ihnen für Bildung und bezahlte Arbeit
Viel schlimmer sind jedoch die körperlichen und seelischen Folgen des Mangels von Wasser- und Sanitärversorgung. In Pakistan werden 80% der Frauen beim Wasserholen Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. In Indien werden viele Frauen diskriminierter Kasten und Minderheiten beim Wasserholen oder der Nutzung öffentlicher Toiletten belästigt oder erniedrigt. Doch Frauen nur als Opfer der Wasserkrise zu sehen, greift zu kurz. Denn Frauen sind vor allem der Schlüssel für eine wassersichere Welt.
Im Rahmen meiner feministischen Entwicklungspolitik setze ich zusammen mit unseren Partnerländern auf Bildung, Arbeit und Vernetzung. Weltweit müssen Frauen als Expertinnen, Fach- und Führungskräfte im Wasser- und Sanitärsektor anerkannt und gefördert werden. In Jordanien zum Beispiel werden Frauen gezielt eingebunden, um für eine gerechte Verteilung von Wasser in den Gemeinden zu sorgen und Konflikte zu entschärfen. Ziel unserer Projekte ist es, dass sich Frauen persönlich und fachlich weiterentwickeln, vernetzen und öffentlich sichtbarer werden.
Geld: Wo Wasser versiegt, können Geldquellen helfen
Wasser wird immer teurer. Um das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen weltweit zu garantieren, bräuchte es dreimal so viele Investitionen wie heute – über 110 Milliarden USD pro Jahr. Das vorhandene Geld muss sich nicht nur vermehren, sondern auch effizienter eingesetzt werden, um den Wassersektor nachhaltiger und krisenresistenter zu machen.
Daher hat Deutschland, zusammen mit der EU und den Niederlanden, einen neuen Finanzierungsmechanismus entwickelt: Die Urban Water Catalyst Initiative. Die Initiative richtet sich gezielt an städtische Wasser- und Abwasserbetriebe im Globalen Süden und unterstützt Versorgungsunternehmen mit technischem Know-how sowie Investitionen in Betrieb und Infrastruktur. So können Wasserbetriebe ihre Leistung schrittweise verbessern und damit für andere Investoren attraktiver werden. Langfristig können sie so finanziell unabhängiger werden – und damit der Bevölkerung einen adäquaten Zugang zu Trinkwasser und Toiletten ermöglichen.
Gutes Management: Grenzenloses Wasser
Wasser kennt weder politische noch geografische Grenzen. Aber durch Klimawandel, Verschmutzung und Übernutzung nehmen die Konflikte um Wasser immer stärker zu. Gemeinsames grenzüberschreitendes Wassermanagement muss die einseitige Übernutzung des Wassers durch einen Staat auf Kosten eines anderen verhindern. Ziel meiner Entwicklungszusammenarbeit sind Win-Win-Lösungen, zum Beispiel indem benachbarte Staaten gemeinsame Investitions- bzw. Bewirtschaftungsprojekte aufsetzen. Auf der UN-Wasserkonferenz im März hat das deutsche Entwicklungsministerium zusammen mit der Europäischen und der Afrikanischen Union die Team Europe Initiative gestartet. Gemeinsam mit sieben EU-Mitgliedstaaten arbeiten wir mit 38 afrikanischen Partnerländern zusammen. Mit der Initiative möchten wir vor Ort Vorhaben stärken, um Flüsse, Seen und Grundwasserleiter über Grenzen hinweg nachhaltig zu bewirtschaften. Damit erhöhen wir die Wassersicherheit ganzer Gesellschaften und tragen zu einer friedlichen Gesamtentwicklung in den Regionen bei.
Kein Tropfen auf den heißen Stein
Werden wir als Weltgemeinschaft das globale Nachhaltigkeitsziel erreichen, bis 2030 sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle Menschen weltweit bereitzustellen? Damit unser bisheriges Engagement kein Tropfen auf den heißen Stein bleibt, muss die internationale Staatengemeinschaft die genannten Game Changer aktivieren. Freiwillige Verpflichtungen sind dafür nur ein erster Schritt. Es braucht klare politische Verbindlichkeiten wie zum Beispiel Zusagen für die Urban Water Catalyst Initiative, um die Maßnahmen zur Erreichung des Ziels „Saubere Wasser und Sanitärversorgung für alle“ auf internationaler Ebene stringent umzusetzen – jetzt sofort.
Zur Autorin: Svenja Schulze ist Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung