Teil 3:Wasserbedarf und Wassernutzung
Nach der vereinfachten, überschlägigen Betrachtung des Wasserdargebots ist zu klären, wie viel Wasser der Mensch grundsätzlich braucht. Wir nutzen Wasser in drei Kernbereichen
- in Haushalten als Trink- und Sanitätswasser (Kap. 3.1 u. 3.2),
- in der Industrie als Prozess- und Kühlwasser (Kap. 3.3),
- in der Landwirtschaft zur Erzeugung von Nahrungsmitteln (Kap. 3.4).
Die beiden ersten Bereiche nutzen i. W. das blaue Wasser, der dritte Bereich das grüne Wasser. Der größte Anteil des Wasserverbrauchs (70 bis 80 %) entfällt auf die Produktion von Nahrungsmitteln; dieser Bereich wird zusätzlich im Zusammenhang mit dem virtuellen Wasser ausgiebig erörtert.
3.1 Trinkwasser
Zum Überleben braucht jeder Mensch ca. 4 l Wasser pro Tag. Das ist erstaunlich wenig und entspricht lediglich einem Viertausendstel der weltweiten blauen Wasserflüsse; d.h. es besteht aus globaler Sicht mengenmäßig kein Engpass die gesamte Menschheit auch in Zukunft mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen. Problematisch dagegen ist in vielen Regionen die Qualität des Trinkwassers, da das blaue Wasser häufig durch unzureichende Reinigung z.B. von Industriewasser oder von durch Düngemittel- und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft belastetes Wasser, verschmutzt wird. Dadurch werden die Trinkwasser-Ressourcen z.T. erheblich reduziert oder die Kosten für die Wasseraufbereitung deutlich erhöht.
3.2 Sanitärwasser
Nach M. Falkenmark (2004) benötigt ein Mensch für ein gesundes und lebenswürdiges Dasein im Minimum 20 bis 40 l Sanitärwasser pro Kopf und Tag, d.h. 5 bis 10 mal mehr als Trinkwasser. Diese Wassermenge wird für persönliche Hygiene, Waschen der Lebensmittel und der Kleidung sowie den Abtransport von Abfällen einschließlich deren Umbau zu Nährstoffen eingesetzt. Historisch gesehen wurden durch die Einführung hygienischer Standards in Europa Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts Cholera-, Typhus- und Ruhrepedemien ausgerottet. Um diese Wassermenge von 20 – 40 l/Kopf und Tag weltweit zur Verfügung zu stellen, müssten lediglich 1 bis 3 %0 des Flusswassers genutzt werden, wovon nach Klärung und Reinigung ein Großteil für weitere Nutzungen (Stichwort „Reuse of wastewater“) wieder eingeleitet werden könnte. Daraus folgt, dass die Bereitstellung von ausreichendem Sanitärwasser weltweit ebenfalls grundsätzlich möglich ist.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf unserem Planeten ausreichend Wasser für die Basisversorgung von derzeit 7 Mrd. Menschen vorhanden ist. Nach Angaben der Weltgesundheitsbehörde (WHO) hatten 2010 jedoch 2,8 Mrd. Menschen keinen Zugang zu minimalen hygienischen Einrichtungen. Als Hauptursachen werden fehlende Infrastruktur und gesellschaftliches Bewusstsein, beides gekoppelt an unzureichende finanzielle Möglichkeiten und mangelnde Bildung angeführt. 75 % der Betroffenen leben in Asien, 18 % in Afrika (WHO/UNICEF, 2010). Als Folge sind in diesen Ländern viele wasserbedingte Krankheiten (bakteriell, viral, parasitär) häufig der größte gesundheitliche Risikofaktor (vor Malaria und Tuberkulose), wobei 90 % der Todesfälle tragischerweise Kinder unter 5 Jahren betrifft (Fewtrell, 2005).
3.3 Industriewasser
Bei industriellen Prozessen wird Wasser in vielfältiger Weise eingesetzt, wie z.B. zur Energieerzeugung, zur Reinigung, zur Veredlung landwirtschaftlicher Produkte etc. . Wasser wird dabei nur zu einem geringen Teil mengenmäßig verbraucht. Charakteristisch für die Industrieländer sind heute hohe Wiederverwendungsraten, darunter wird die Anzahl der Wiederverwendung eines bestimmten Volumens Wasser verstanden. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) lag die Wiederverwendungsrate im Jahre 2000 in Deutschland je nach Branche zwischen 11,8 und 32,7 und ist seit Anfang der 1950er Jahre um mehr als das Zehnfache gestiegen. Diese hohen Wiederverwendungsraten sind vor allem in der zunehmend eingesetzten Wärmerückgewinnung und Kosten-Nutzen-Analysen begründet.
Als Ergebnis liegt der durchschnittliche Industriewasserverbrauch in den entwickelten Industrieländern nach Shiklomanov (2000) bei nur 130 l/Einwohner u. Tag.
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang, dass viele wasserintensiven Industrien inzwischen in Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien ausgelagert worden sind; hier sei wiederum auf das Kap. zum virtuellen Wasser (Teil II) verwiesen.
3.4 Wasser für die Nahrungsmittelproduktion
Bevor der Wasserbedarf für die Ernährung abgeschätzt werden kann, muss zuerst die Frage geklärt werden, wie viel Wasser notwendig ist, um den täglichen Kalorienbedarf eines Menschen zu decken. Die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO hat 1996 definiert, dass ein Mensch bei ausgewogener Ernährung und durchschnittlicher körperlicher Bewegung im Schnitt 3.000 kcal pro Tag für ein gesundes Leben benötigt. Das ist unter internationalen Fachleuten unstrittig. Was allerdings unter „ausgewogener Ernährung“ zu verstehen ist, darüber gibt es erhebliche Meinungsunterschiede, wobei der Hauptknackpunkt der Anteil an tierischen Nahrungsmitteln ist. Bei der „Standard-Diät“ geht die FAO von 20 % tierischer Bestandteile aus und postuliert, dass sich der Bedarf von 3.000 kcal pro Tag aus 2.400 kcal für pflanzliche und 600 kcal für tierische Produkte zusammensetzt. Der hier zugrunde gelegte tierische Anteil ist im Vergleich zum Fleischkonsum in Europa (30 – 35 %) niedrig angesetzt.
Im Zusammenhang mit dem Wasserbedarf ist dies deshalb von großer Bedeutung, weil für die Produktion von Fleisch eine mindestens 8 Mal höhere Wassermenge benötigt wird als für die Produktion einer äquivalenten Menge pflanzlicher Kalorien, z.B. aus Getreide. So werden – in Wassermengen ausgedrückt – im globalen Durchschnitt pro Mensch und Tag 3.500 l Wasser, davon 1.200 l für pflanzliche und 2.300 l für tierische Produkte benötigt. Abb. 5 verdeutlicht dieses Zusammenhang eindrücklich.
Das heißt, dass die Zusammensetzung des Speiseplans und damit der Lebensstil der Menschen maßgeblich den Wassereinsatz für die Ernährung der Menschheit bestimmt. Diese globalen Aussagen werden in Teil II, da es große regionale Unterschiede gibt, auf nationale Ebene und einzelne Produkte heruntergebrochen und zur Diskussion gestellt. Auf den Zusammenhang zwischen Konsumverhalten und Wasserverbrauch wird in Teil IIb „Wasser im Einkaufskorb“ ausführlich eingegangen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Menschheit 50 bis 100 Mal mehr Wasser für die Nahrungsmittelproduktion einsetzt als für Trink-, Sanitär- und Industriewasser (Kap. 3.1 – 3.3). Daraus folgt, dass sich in diesem Kernbereich die Frage entscheiden wird, ob es eine globale Wasserkrise und damit zusammenhängend eine globale Ernährungskrise gibt oder in absehbarer Zeit geben wird?
Dieser Frage haben sich 2012 internationale Wasserexperten auf der renommierten Weltwasserwoche in Stockholm gestellt. M. Falkenmark hat dort Ergebnisse von globalen Simulationsrechnungen mit dem hochauflösenden Vegetations- und Bodenwassermodell LP[m] (Gerten et al., 2004) und daraus abgeleiteten Prognosen für das Jahr 2050 vorgestellt. Dabei wurde der Klimawandel nach dem moderaten IPCC-Szenario A2 berücksichtigt; ansonsten wurden Szenarien mit verschiedenen Ernährungszusammensetzungen durchgespielt. Erschreckend war, dass sogar bei der FAO-Standarddiät (3.000 kcal mit 20 % tierischer Nahrung), die noch weit von den aktuellen Ernährungsgewohnheiten der Industrieländer abweicht, alle Modellrechnungen zeigten, dass die verfügbaren Wasservorräte nicht ausreichen, um im Jahre 2050 die Weltbevölkerung (es wird von 9 Mrd. Menschen ausgegangen) ernähren zu können. Konkret bedeutet dies, das bei einem Verhalten der Menschheit nach dem Muster “business as usual“ spätestens in der nächsten Generation rd. die Hälfte der Menschheit unter chronischem Wassermangel leiden würde und nicht mehr adäquat ernährt werden könnte.
Dies sind alarmierende Signale, aber werden sie auch wahrgenommen? „Durchaus“ behauptet der schon oben zitierte norwegische Journalist und Hydrologe T. Tvedt . Er meint, dass das Wasserthema nach jahrelangen Diskussionen über den Klimawandel und seine Folgen langsam in den Alltag der Menschen einzieht und dass die „Unberechenbarkeit des Wassers“ zu einem zentralen Thema der Menschheit geworden ist. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem „Zeitalter der Wasserunsicherheit“.
Soweit so gut, was die Bewusstseinsbildung angeht. Aber welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, diese prognostizierte Katastrophe zu verhindern oder zumindest zu mindern? Im Folgenden sollen dazu in einem Überblick mögliche Handlungsperspektiven vorgestellt werden. Einige wesentliche Optionen sollen dann in eigenen Artikeln vertieft werden.
Zum Teil 4: Überblick über Handlungs- und Zukunftsperspektiven im Bereich Wasser