Das Wasser ist ein freundliches Element für den,
der damit bekannt ist und der es zu behandeln weiß.J.W. v. Goethe: Die Wahlverwandtschaften
Teil 1: „Wassermangel auf dem Wasserplaneten Erde?“
oder „Wasserverknappung in einer globalisierten Welt?“
1.1 Einführung
Wasser ist für Menschen, Tiere und Pflanzen die Quelle allen Lebens. Es ist für Natur und Mensch eine unentbehrliche Ressource und war über Millionen von Jahren die Grundlage für die Entstehung von Leben auf unserem Planeten. Wasser hat die Evolution der Pflanzen und Organismen ebenso wie das Relief der Erdoberfläche geformt. Es hat, wie T. Tvedt es in seinem 2013 erschienenen „Reisebuch“ zum Wasser treffend ausdrückt, „die Geschichte der Gesellschaften entscheidend beeinflusst, bis hin zu ihren religiösen Zeremonien, kulturellen Ritualen und politischen Verhältnissen“ und es ist eine der zentralen Fragen, wie es die Zukunft unseres Planeten beeinflussen wird. Ein besonderes Freistellungskriterium von Wasser – so würde man es vielleicht im heutigen Sprachgebrauch ausdrücken – liegt darin, dass es sowohl Eigentum aller (Gemeingebrauchsrecht) als auch einer einzelnen Person und dabei gleichzeitig Grundlage allen Lebens ist. Diese Ambivalenz macht es schwierig Wasser im Sinne des Zitats von Goethe in allen Facetten so zu behandeln, dass es für uns Menschen ein „freundliches Element“ ist. Dies setzt ein umfassendes Wissen von den Besonderheiten des Elements Wasser sowie seine nachhaltige Bewirtschaftung voraus. Zur Erweiterung dieses Wissens möchte die folgende Artikelserie beitragen.
Die Frage der Versorgung der Menschheit mit Wasser – aktuell haben weltweit 1 Mrd. Menschen keinen Zugang zu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser und 2,8 Mrd. Menschen keine ausreichende Versorgung mit Wasser für sanitäre Zwecke – rückt in den letzten Jahren zunehmend in den Focus der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei ist es nicht so, dass es auf diesem Gebiet in den letzten Jahrzehnten keine internationalen Bemühungen gegeben hat; so erhielten nach Angaben des Stockholm International Water Institute (SIWI, 2004) zwischen 1990 und 2000 weltweit zusätzlich 1 Mrd. Menschen Zugang zu sanitären Einrichtungen und dem dazu notwendigen Sanitärwasser. Dieser Erfolg der internationalen Bemühungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen auf der Erde wurde jedoch durch die gleichzeitig deutliche Bevölkerungszunahme mehr als aufgehoben, so dass absolut gesehen im Jahre 2000 500 Mio. Menschen mehr als 1990 in ungesunden sanitären Verhältnissen leben mussten. Beim Blick in die Zukunft zeichnet die Global Water Partnership, der führende Zusammenschluss internationaler Wasserorganisationen auf globaler Ebene und das International Water Management Institute (IWMI, 2000) auf regionaler Ebene ein düsteres Bild und prognostizieren für das Jahr 2025 eine dramatische Verknappung des Wassers. Die Wasserverknappung schränkt zunehmend die Produktion von Nahrungsmitteln in vielen Regionen der Welt ein, wie der UN World Water Development Report III (2009) und andere internationale Studien (IAASTD, 2009) belegen. Wachsende Bevölkerung und veränderte Essgewohnheiten erhöhen den Wasserbedarf, während gleichzeitig der Klimawandel in einigen Regionen der Welt das Wasserdargebot, also das verfügbare Süßwasser in Oberflächengewässern und im Grundwasser als Teil des Wasserkreislaufs der Erde, verringert (Morgenschweis, 2010).
Auf der anderen Seite sind Hydrologen wie der Norweger T. Tvedt (2013) oder der deutsche Geograph und Hydrologe W. Mauser (2007) der Meinung, dass es „keine globale Wasserkrise gibt, sondern nur mangelnde Fähigkeiten, Wasser zu kontrollieren, zu nutzen und angemessen zu verteilen“.
Einig sind sich die Vertreter beider „Lager“, dass es dringend kurz-, mittel- und langfristige Konzepte geben muss, um die zukünftige Wassernutzung so zu gestalten, dass sie generationsübergreifend und nachhaltig ist. Bevor dazu Handlungsperspektiven aufgezeigt und diskutiert werden, müssen einige grundlegende fachliche Zusammenhänge vorgestellt werden.
1.2 Wasserplanet Erde
Die Menschheit lebt auf einem blauen Planeten. Auf Satellitenaufnahmen des Weltalls wird das Bild der Erde im Gegensatz zu allen uns bekannten Himmelskörpern durch die blaue Farbe der Ozeane geprägt (Abb. 1).
Diese bedecken rd. 70 % der Erdoberfläche in flüssiger Form. Leider handelt es sich dabei im Wesentlichen (96,5 %) um Salzwasser, das vom Menschen nicht unmittelbar genutzt werden kann. Vom restlichen Süßwasser werden weltweit 1,7 % im Grundwasser, 1,77 % in Eisschilden und Gletschern und die restlichen 0,03 % in Flüssen, im Bodenwasser und in Permafrostgebieten gespeichert (Mauser, 2007). Das heißt, dass das von uns Menschen am ehesten wahrgenommene Wasser in Oberflächengewässern (Flüsse, Seen) im weltweiten Maßstab nur einen verschwindend kleinen Anteil (0,1 %) ausmacht. Dennoch bildete dieses Wasser über Jahrmillionen die Grundlage für die Entstehung von Leben auf unserem Planeten, prägte in historischem Zeitrahmen entscheidend die Entwicklung unserer Gesellschaft.
Nun zeichnet sich das Element Wasser durch einige Besonderheiten aus, die bei der weiteren Diskussion, z.B. über Fragen der Wasserknappheit, Wasserverschwendung u.a., eine wesentliche Rolle spielen:
1. Es ist grundsätzlich nicht vermehrbar, d.h. in einer endlichen Welt gibt es auch bei der natürlichen Ressource Wasser nach dem Ökonomen T. Jackson (2009) eine ökologische Grenze der Nutzung. Dies wird bei der Vorstellung des Konzepts des virtuellen Wassers und des Wasserfußabdrucks eine wichtige Rolle spielen.
(Teil II)
2. Wasser ist als natürlicher Bestandteil unserer Umwelt in ewiger Bewegung. Motor dafür ist die Sonnenenergie, die Wasser in einem stetigen Kreislauf verdunsten, als Niederschlag abregnen und in Flüssen und Grundwasser abfließen lässt. Dieser Wasserkreislauf läuft in verschiedenen Zeitskalen zwischen Sekunden und Jahren ab. Der oben beschriebene kurzfristige Kreislauf ist jedoch maßgeblich für die für Mensch und Natur maßgebende Verteilung des Wassers auf der Erde und damit Grundvoraussetzung allen Lebens ( Abb. 2).
Nach Gorshkov (2000) ist die Entstehung eines solchen Wasserkreislaufs kein Zufall, sondern dieser stellt letztendlich ein dynamisches Gleichgewicht dar, das sich im Laufe der letzten ca. 2,7 Mrd. Jahre in einem außergewöhnlichen Zusammenspiel physikalischer und biologischer Faktoren auf der Erde eingestellt hat. Wie lange dieses System Bestand hat, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten, ist ein wichtiger Aspekt bei der späteren Diskussion über die nachhaltige Nutzung der Weltwasservorräte.
Durch diesen endlosen Kreislauf vereint Wasser Land, Meere, Luft und Menschen; darin liegt nach T. Tvedt (2013) die besondere Ausstrahlung des Wassers.
Zum Teil 2: Wasserbedarf und Wassernutzung