Der Jubel in den blau/braunen TikTok/Telegram- und X-Kanälen ist groß.
Der angekündigte Rücktritt des Grünen Vorstands werten die Populisten als ihren Erfolg.
Aber ist das so?
Schauen wir uns die Fakten an. In den letzten vier Landtagswahlen haben die Grünen dramatisch verloren, in Thüringen und Brandenburg sogar so stark, dass der Einzug in den Landtag verpasst wurde.
Einer der Gründe für die Niederlagen liegt im Verlust der Jungwähler. Vor nicht allzu langer Zeit hatten die Grünen hier Topwerte. In Thüringen lagen sie bei den 18–24-Jährigen an sechster Stelle, bei der Europawahl waren es nur 11% der 16–24-Jährigen, ein Minus von 23%.
Erklärt werden diese eklatanten Veränderungen mit der Verschiebung der Wahlmotive. Waren es 2019 vor allem die Klima- und Umweltpolitik, fand sich 2024 das Thema auf Platz vier wieder. Davor stehen Friedenssicherung, Soziale Sicherheit, Zuwanderung als wichtigere Themen. (Infratest dimap 2024) Und in diesen Feldern halten die Befragten die Grünen nur zu 5% für Kompetent, die Aufgabe zu lösen.
Vor diesem Hintergrund war das Politikmanagement des Grünen Vorstandes suboptimal. Vor allem den Kampagnen der rechten und reaktionären Kräfte hat die Parteiführung kaum Adäquates entgegenzusetzen. Die in den russischen Strategiepapieren empfohlene „Verächtlichmachung der Grünen“ hat großartig funktioniert. Handwerkliche Fehler (Heizungsgesetz), zu öffentlich ausgetragene Koalitionskonflikte, harte Ablehnung der deutschen Politik in Bezug auf den Ukrainekrieg und den Krieg in Gaza spielten dabei sogar eher nur eine untergeordnete Rolle. Mehr als die „grünen“ Regierenden geriet die Doppelspitze ins Zentrum eines Shit-Hurrikans, der von Rassismus, Bodyshaming und anderen Hassattacken dominiert wurde. Die AfD rieb sich fast verwundert die Augen, dass von der CSU, CDU und BSW das noch deutlich befeuert wurde. Es gab kein Einschreiten gegen diese Art von Hassattacken, die mit keinem Demokratieverständnis kompatibel sind. Der Lohn populistischer Politik waren zu verlockend, als das hier Söder & Co. die Reißleine gezogen hätten. Auch mangelnde Kontrolle der social Media und – leider muss man das weit über die Springerpresse hinaus feststellen – ein weitgehendes Medienversagen sind hier verantwortlich. Alle griffen ins Waffenarsenal der Shit-Storms zu: Söder, Merz, Linnemann, die komplette AfD, und die verbundenen Medienhäuser bei Burda, Funke, Springer und nicht zuletzt Nius, mit dem Grünen Hasser Julian Reichelt.
Wenn man allein mal durchzählte, was alles an Lügen und Fakenews und persönlichen Attacken von AfD-Politikern öffentlich gesagt werden durfte, muss man konstatieren, hier hat es in den letzten Jahren einen Zusammenbruch journalistischer Qualitätsstandards und ethischer Prinzipien gegeben.
Die Social-Media-Kanäle wurden vollgestopft mit Mems voller Grünen Bashing. Gefakte Bilder von Ricarda Lang, die die Dresdner Brücke zum Einsturz bringt, Sprüche von Dieter Nuhr, der keine Ernährungstipps von Ricarda Lang entgegennehmen will. Söder, der Steffi Lemke mit Margot Honecker gleichsetzt und behauptet, die Grünen wollen, dass alle Insekten essen. Merz behauptete, die Grünen wollen allen die Gendersprache aufzwingen. In der AfD galt „Dick und Doof“ als Synonym für den Parteivorstand. Im Moment ist „Kinderbuchautor“ Robert Habeck der Totengräber der (Auto)-Industrie. Die Liste kann beliebig verlängert werden, das Ergebnis wäre gleich. Die Partei lebte seit über einem Jahr in einem permanenten Shitstorm. Das grüne Wahlkämpfer körperlich angegangen wurden, ist nur die logischen Konsequenz aus dieser Hetzkampagne. Insofern ist Ricarda Lang und Omid Nouripour großen Respekt auszusprechen, dass sie das so lange ausgehalten haben.
Wer werden die Neuen sein, die sich dieser Lage aussetzen werden?
Gehandelt werden in Berlin die Namen Franziska Brandtner, zurzeit Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium sowie die Herren Abgeordneten Felix Banaszak aus NRW oder Andres Audretsch aus Berlin. Man hört auch die Namen von Konstantin von Notz, MdB und Tarek al Wazir, ehemaliger Wirtschaftsminister in Hessen.
Egal wer es wird, die Aufgabe wird es sein, die Partei wieder Kampagnenfähig zu machen. Deutlich zu machen, dass Grüne mehr können und wollen als nur Klimaschutz. Das Beteiligung an einer Regierungskoalition nicht bedeutet, die eigenen Ideale und Ideen zu verlieren. Und vor allem eine digitale Kommunikationsstrategie, die dem permanenten Bashing etwas entgegensetzt. Denn es geht um mehr als die Grüne Partei. Die Populisten und Feinde der Demokratie wie die AfD haben ihre Hebel bereits angesetzt, das etablierte System zu stürzen, um andere Verhältnisse zu erreichen, wie beispielsweise in Italien. Wenn wir das nicht wollen, müssen sie stark zurückkommen, die Grünen.