Bis 1969 hat der SPD ein strategischer Partner gefehlt, um eine Regierungsmehrheit unterhalb der absoluten Mehrheit, die utopisch war, zu erlangen. Erst als die FDP sich unter der Ägide von Scheel und Genscher von der Union lösen und dabei ihre rechtslastigen Ritterkreuzträger und Ostalgiker abdrängen wollte, wurde Regierungsmacht für die SPD möglich. Über Jahrzehnte war danach ein Regierungswechsel immer von der FDP abhängig. Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert. In der Regel sind auf absehbare Zeit drei Parteien für eine Regierungsbildung erforderlich, was die Schlüsselstellung der FDP stark gemindert hat. Sie kann nicht mehr ausschließlich entlang den Interessen der eigenen Klientel frei über Koalitionen entscheiden.
Die SPD ist deshalb darauf aus, langfristige Bindungen möglich zu machen. Die auch unterschiedliche Sachpositionen und Konflikte überstehen.
Olaf Scholz weiß sicher, dass für eine strategische Mehrheit die FDP besonders gepflegt werden muss, um dort allmählich eine bessere Partnerschaft als bei der Union zu sehen. Lindner steht auch ganz offensichtlich unter wachsendem Konkurrenzdruck durch den eloquenten Johannes Vogel, der ziemlich deutlich nur eine sehr begrenzte Vorliebe für ein Bündnis mit der Union hat.
Und für die Grünen sind die Kröten, die sie aktuell in der Regierungsarbeit schlucken muss, wesentlich kleiner und genießbarer als in der Umarmung durch die Union. Solche Bündnisse sind in der Landespolitik zwar inzwischen gang und gebe, weil es dort sehr selten um grundsätzliche Entscheidungen im Sinne der grünen Seele geht. Da fällt es der Union mit Ausnahme der Bayern auch überhaupt nicht schwer, mal geschmeidig von bundespolitischen Grundsätzen abzuweichen. Wenn es um Macht geht, wird selbst die CDU vegan.
In den Führungszirkeln der SPD wird diese Sicht der politischen Landschaft offensichtlich genauso beurteilt und damit die Bereitschaft gezeigt, Olaf Scholz in seiner Strategie keine Steine in den Weg zu legen. Daran ändern sogar die mageren Zustimmungswerte bei den Umfragen gegenwärtig nichts. Mit einiger Berechtigung wird erwartet, dass über die gesamte Legislaturperiode die gute Regierungsarbeit zählt und sich dies im Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler niederschlägt. Die Zankereien zwischen Grünen und FDP werden sich nur dann dauerhaft negativ auf die Gesamtbeurteilung der Regierungsarbeit niederschlagen, wenn wesentliche politische Entscheidungen ausbleiben und berechtigte Erwartungen nicht erfüllt werden. Und nicht zuletzt: Glanz geht von den gegenwärtigen Führungsfiguren der Union nicht wirklich aus. Merz, Söder und Spahn sind Sinnbilder für eine wenig reizvolle Vergangenheit in der Merkel Ära. Strahlende Zukunft sieht anders aus.