Brennende Flüchtlingsunterkünfte, Hassreden, Hetzparolen, Drohungen gegen Politiker und Journalisten, die auch noch Prügel und Tritte einstecken müssen. Galgen-Bilder mit den Gesichtern von Merkel und Gabriel. Die Medien werden als Lügenpresse beschimpft, der deutsch-türkische Autor und Rechtspopulist Akif Pirincci spricht in einer Rede bei der Pegida-Veranstaltung in Dresden davon, dass es „natürlich auch andere Alternativen gäbe, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Wo leben wir eigentlich, dass dies Tag für Tag bei uns möglich ist? Warum lässt sich der Rechtsstaat das gefallen? Nehmen wir das feige Messerattentat auf Henriette Reker, die nach hoffentlich baldiger Gesundung die Geschäfte als Oberbürgermeisterin von Köln aufnehmen wird. Der Täter hat eindeutig Kontakte ins rechtsradikale Milieu, die aber nicht weiter verfolgt wurden. Warum nicht? Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen an sich gezogen.
Wie war es möglich, dass eine rechte Mörderbande zehn Jahre unbehelligt durch Deutschland ziehen und Morde begehen konnte, ohne dass die Sicherheitsbehörden die Spur aufnahm? Der NSU-Prozess darüber dauert nun schon wieder Jahre und Frau Zschäpe führt sich auf, als hätte sie nichts damit zu tun. Sehr zum Leidwesen der Angehörigen der Opfer.
Hängt das alles, auch der lasche Umgang, wieder mal damit zusammen, dass die Dienste auf dem rechten Auge blind sind?
Die Würde des Menschen ist unantastbar. So lautet Artikel 1 des Grundgesetzes. Wir haben in unserem Blog mehrfach diesen Artikel zitiert. Bewusst haben die Verfassungsmütter und –väter kurz nach dem Zweiten Weltkrieg diese Version gewählt und die unantastbare Würde nicht nur auf die Deutschen beschränkt. Die Würde des Menschen, dazu gehören auch Moslems, Juden, Christen, Farbige, alle.
Ausländerfeindliche Tendenzen
Schon im Namen grenzt sich Pegida davon ab, indem man vor der angeblichen Islamisierung in Deutschland warnt. Schon kurz nach der Gründung vor einem Jahr waren die ausländerfeindlichen Tendenzen dieses Vereins deutlich zu spüren, aber man ließ ihn gewähren und mancher lief einfach mit. Hätte sie oder er genauer hingeschaut und hingehört, hätten alle von Anfang gewusst, wes Geistes Kind hier die Trommeln rührt. Nein, es sind nicht die Demokraten, die hier auf die Straße gehen, es sind die Feinde der Demokratie, es sind darunter Fremdenfeinde, Neonazis, andere Rechtsradikale.
Ja, es gibt Probleme bei der Aufnahme so vieler Flüchtlinge. Probleme, die zu meistern, wir alle aufgerufen sind. Das Wort der Kanzlerin- „Wir schaffen das“- ist ja nicht einfach so dahingesagt, Angela Merkel weiß selbst genau, dass das eine Herausforderung darstellt, die möglicherweise jene im Zusammenhang mit der deutschen Einheit noch übertrifft. Merkel hat richtigerweise betont, dass es eine Obergrenze beim Asyl nicht gibt. Politisch Verfolgte genießen Asyl. So steht es in unserer Verfassung. Und bei allen Versuchen, dieses Recht zu verändern, der Grundsatz bleibt bestehen: Politisch Verfolgte genießen Asyl. Und das muss auch weiter gelten. Die deutschen Demokraten, einst von Hitler und seinen Nazis verfolgt, wären froh gewesen, wenn es dieses Asylrecht zum Beispiel für sie gegeben hätte.
Populisten fordern, den Flüchtlingsstrom zu stoppen, die Grenzen dicht zu machen. Wollen wir Zäune ziehen, Mauern bauen, über die die Menschen klettern würden? Wollen wir diese neuen Grenzen mit Stacheldraht versehen, sollen Soldaten mit Gewehren diese Grenzen sichern? Denkt jemand vielleicht an die Wiederbelebung des Schießbefehls? Das kann doch nicht wahr sein. Der Eiserne Vorhang ist vor 25 Jahren auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, zum Glück für Millionen Menschen aus Osteuropa, die seitdem hingehen können, wohin sie wollen.
Ursachen der Flucht bekämpfen
Die Ursachen der Flucht müssen bekämpft werden, was aber Jahre dauern wird. Kein Syrer bleibt freiwillig im Land des Despoten Assad, vor dem schon Millionen geflohen sind. Den Krieg dort zu beenden, mit Hilfe der Russen, des Iran, der Saudis, das ist ein Ziel, das aber noch in Ferne liegt. Die Ursachen bekämpfen, geht das mit einer Wirtschaftsordnung, die die Menschen in Afrika und Asien über den Tisch zieht, indem sie ihnen Hungerlöhne zahlt, aber deren gefertigte Produkte hier in Europa teuer verkauft?
Zu fliehen aus der Heimat, in der ein Bürgerkrieg tobt, wo man verfolgt wird, das ist für die Flüchtlinge kein Spaß. Sie geben alles auf, verkaufen ihr Hab und Gut und machen sich auf eine lange und gefährliche Reise, um das Leben ihrer Familie zu retten. Nicht alle schaffen das, das Mittelmeer trägt ja schon den traurigen Beinamen „Totenmeer“, weil hier Tausende buchstäblich abgesoffen sind, weil die Boote, die sie nach Europa bringen sollten, nicht tauglich waren, umkippten und nie das sichere Ufer erreichten.
In diesem Ausmaß hat das niemand erwartet, schon sprechen wir von einer Völkerwanderung. Millionen sind schon geflohen, Millionen sind auf dem Weg, weitere werden folgen. Niemand weiß, wie viele kommen werden. Europa muss sich der Lösung des Problems stellen, wir brauchen eine gerechte Verteilung der Menschen in Not. Wenn Europa hier nicht endlich beweist, dass es dazu fähig ist, dann sollte es darauf verzichten, weiter eine Wertegemeinschaft sein zu wollen, die auf Toleranz setzt, auf das friedliche Miteinander von Menschen aller Rassen, Religionen und Hautfarben.
Sie müssen sich hier anpassen
Wir brauchen Wohnungen, Tausende und Abertausende, Lehrer, die Flüchtlinge unterrichten, wir brauchen sicher auch Schulräume für die vielen Kinder, die da kommen und schon gekommen sind, Ausbildungsplätze, Arbeitsplätze, Helfer an vielen Ecken, um den Fremden den Weg in die neue, in unsere Welt zu weisen. Dass die Syrer, Iraker, Afghanen, Eritreer und all die anderen sich anpassen müssen, dass unser Recht und unsere Gesetz hier gelten, dass das Grundgesetz nicht verhandelbar ist, das müssen wir ihnen in aller Ruhe und Klarheit deutlich machen. Aber darüber besteht über Parteigrenzen hinweg zumindest Einigkeit bei den großen Volksparteien.
Es ist ein Hohn, wenn die Pegida-Demonstranten sich mit schwarz-rot-goldenen Fahnen schmücken, die aber mit ihrer deutsch-nationalen, ziemlich dumpfbackigen Gesinnung nun wirklich nichts zu tun haben. Schwarz-Rot-Gold, das war immer die Farbkombination der Deutschen, die um die Freiheit, namentlich die Presse- und Meinungsfreiheit kämpften. So war das 1832, damals beim Hambacher Fest, als Tausende, Studenten und Handwerker, zum Hambacher Schloss – das liegt in der Pfalz, unweit von Speyer, nah an Neustadt an der Weinstraße und Deidesheim – strömten und Freiheit für sich und andere forderten und gegen Fürstengewalt aufmuckten. Man kann das restaurierte Denkmal seit Jahr und Tag besichtigen, kann eine Führung machen. Auch bei der Revolution 1848 hießen die Farben der Deutschen Schwarz, Rot und Gold. Und die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert in ihrem „Aktuellen Lexikon“ den Dichter und Freiheitskämpfer Ferdinand Freiligrath mit den Worten: „Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold! Pulver ist schwarz, Blut ist rot, Golden flackert die Flamme.“
Polizei und Justiz müssen eingreifen
Die Hass-Mails mit ihrer fremdenfeindlichen Hetze sind widerlich, ekelhaft, abstoßend. Da hat NRW-Justizminister Kutschaty Recht, wenn er fordert, die Polizei zu verständigen. Pegida, so der SPD-Politiker, sei nicht die Verteidigung des Abendlandes, sondern dessen Ende. Überhaupt müssen Polizei und Justiz konsequenter eingreifen, wenn fremdenfeindliche Parolen gebrüllt werden, wenn Hass und Hetze gegen andere Menschen verbreitet werden. Und verfassungsfeindliche Bestrebungen sind vom Verfassungsschutz zu verfolgen. Dafür ist er doch da. Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, aber man kann Demonstrationen auch verbieten.
Die Stärke des Rechtsstaats liegt auch darin, dass er selbst seinen Feinden Rechte gewährt. Aber er darf sich nicht alles gefallen lassen, er darf nicht alles erdulden, was Rechtsradikale ihm und uns zumuten. Rechter Terror muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Es ist Zeit.
Comments 1