Ob England, Spanien, Italien oder Frankreich: Immer wieder werden schwarze Fußballer in diesen Ländern rassistisch beleidigt. Oftmals ohne konkreten Anlass. Besonders in den südlichen Profiligen des Kontinents, aber natürlich nicht nur dort, werden Spieler nichtweißer Hautfarbe nicht selten von Fans und Funktionären aufgrund Herkunft, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit diffamiert und beleidigt. Ein Abbild der dortigen Gesellschaft?
Jüngstes Beispiel ist die rassistische Entgleisung um den brasilianische Fußball-Stürmer Vinicius Junior vom spanischen Topclub Real Madrid. Dort ist ein heftiger Streit zwischen dem Profi und dem Chef der spanischen Profi-Liga, Javier Tebas, entbrannt. Nachdem der Brasilianer am vergangenen Sonntag im Meisterschaftsspiel beim FC Valencia (0:1) von Zuschauern rassistisch beleidigt worden war und der Liga und dem spanischen Verband vorgeworfen hatte, Rassismus als „normal“ zu betrachten, hatte Tebas entgegnet, der Spieler müsse sich besser informieren.
Darauf reagierte Vinicius am Montag mit einer erneuten Attacke auf Tebas. „Anstatt Rassisten zu kritisieren, erscheint der Liga-Präsident wieder einmal in den sozialen Medien, um mich anzugreifen“, schrieb der 22-Jährige auf Twitter. Tebas stelle sich „mit den Rassisten auf eine Stufe“. „Ich will Taten und Strafen“, forderte er.
Die erneute Antwort von Tebas ließ nicht auf sich warten. Weder Spanien noch „LaLiga“ seien rassistisch, betonte er. Rassismus-Vorfälle würden „mit aller Härte verfolgt“. Diese Saison habe man neun rassistische Vorfälle bei der Justiz angezeigt, acht davon gegen Vinicius.
Der talentierte Braslianer, der 2022 mit Real Madrid die Champions League gewann, sei nach spanischen Berichten von einem Fan vom FC Valencia beleidigt worden. Daraufhin sei das dreistufige Rassismus-Protokoll eingeleitet worden. Wäre die Situation eskaliert, wäre das Spiel abgebrochen worden. Kurz vor Abpfiff sah Vinicius nach einer Rudelbildung auch noch die Rote Karte.
In den vergangenen Monaten ist es immer wieder zu rassistischen Beleidigungen gegen Vinicius gekommen. Der Spieler schrieb in seinem ersten Tweet, in Brasilien gelte Spanien deshalb als „Land der Rassisten“. Tebas warf ihm daraufhin vor, LaLiga zu verleumden.
Welche Bestrafungen er fordert, sagte Vinicius nicht. Tatsächlich werden rassistische Vorfälle im spanischen Fußball verfolgt und geahndet. Was die Täter aber offenbar nicht daran hindert, schwarze Menschen weiter rassistisch zu beleidigen. Der FC Valencia kündigte am Sonntagabend an, man werde den oder die Täter von allen Heimspielen ausschließen. Ähnlich hatten in der Vergangenheit andere Clubs der Primera División reagiert. Neben Anzeigen bei der Justiz veranstaltet LaLiga mehrere Aktionen gegen Rassismus. Auch nach dem jüngsten Zwischenfall kündigte die Liga eine Untersuchung an. „Sollte ein Hassverbrechen festgestellt werden, werden wir die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten“, hieß es. Laut Medien wurde ein Täter bereits von der Polizei identifiziert.
Vor knapp zwei Monaten empörte nach dem Stadtderby in Rom zwischen Lazio und AS Rom das Verhalten und Auftreten der Fans von Lazio Rom, die mit rassistischen und antisemitischen Ausfällen negativ auffielen. Einige Fußball-Anhänger von Lazio hatten während des 1:0-Sieges gegen AS Rom auf den Rängen verleumderische und zum Teil judenfeindliche Gesänge angestimmt, wie diverse Medien berichteten.
Damals verurteilte Ruth Dureghello, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Roms, dies auf Twitter. Sie veröffentlichte das Foto eines Fans aus dem Stadion, dessen Trikot mit dem Namen „Hitlerson“ und der Nummer 88 beflockt war. Die 88 ist eine Chiffre in Neonazi-Kreisen und symbolisiert die Buchstaben HH. Auch viele schwarze Spieler wie der ehemalige italienische Nationalspielstürmer Mario Balotelli mussten sich auch immer wieder in der Vergangenheit rassistisch beleidigen lassen.
In Spanien oder Italien und Frankreich, wo es auch immer wieder zu derartigen Vorfällen kommt, fühlen sich viele Menschen von der Vielzahl an Migranten, speziell aus Afrika, in ihren Ländern offenbar überfremdet. Einige sprechen gar von Bedrohung. Weite Teile der Bevölkerung hegen Vorurteile und haben Abneigung gegen Migranten oder Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Politisch wird diese starke Abneigung von extremen rechten Parteien und skrupellose Populisten aufgegriffen und entsprechend ausgeschlachtet. Nicht neu ist, dass dieser regelrechte Hass auf schwarze und fremde Menschen auch in die Stadien schwappt und sich nicht selten in emotionsaufgeladenen Spielsituationen entlädt. Dennoch ist jeder Fall rassistischer oder antisemitischer Beleidigung in Fußball und in der Gesellschaft einer zu viel und das Thema wegen aktuellen Anlässen leider immerzu gegenwärtig. Wobei der Fußball doch eigentlich vereinen und versöhnen denn trennen oder Hass schüren sollte.
In den 2000er-Jahren war offen zur Schau gestellter Rechtsextremismus in den deutschen Profistadien rückläufig, informiert die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). „Zum einen waren Ultras auf den Plan getreten und hatten rassistische Schmähgesänge verdrängt, zum anderen fand er sich in den Amateurligen wieder.“ Das Problem ist also vom Profi- in den Amateurbereich verlagert worden. Doch, so berichtet die bpb weiter und beruft sich auf Experten der Fan- und Fußballszene, unterliegt diese Entwicklung jüngst einer Kehrtwende. Heißt also: Rassismus und Schmähgesänge nehmen auch im deutschen Profifußball wieder zu.