Selber Schuld, Union, CDU und CSU. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verkleinerung des Bundestag ist älter als zehn Jahre. Es wäre also viel Zeit gewesen und es hätte viele Gelegenheiten der verschiedenen Koalitionen unter Führung von Angela Merkel(CDU) gegeben, dem Urteil aus Karlsruhe zu folgen. Aber das verhinderten vor allem die Christsozialen, die heute laut aufschreien und von unfair und verfassungswidrig daherreden. Sie hatten es in der Hand, selber eine Reform zu beschließen, die ihren Wünschen gemäß gewesen wäre. Jetzt ist die Reform da, nach den Vorstellungen der Ampel-Regierung. Ich wundere mich, dass einer wie Wolfgang Schäuble(CDU) sich wie früher bissig zu den Plänen der Ampel äußert, hat er doch selber als Bundestagspräsident kein Gesetz in dieser Sache auf die Reihe gekriegt, was auch für Norbert Lammert gilt, seinen sonst sehr klugen Amtsvorgänger.
Der Bundestag ist groß, viel zu groß, aufgebläht vor allem durch Überhang- und Ausgleichsmandate. Und dass die Debatte im Parlament so hitzig verlief, zeigte nur, wie getroffen besonders CSU und Linke waren, die plötzlich einer Meinung waren bei einem Thema, das sie beide angeht. Weil CSU und Linke -und auch andere Parteien- schrumpfen werden, sie müssen abgeben, verzichten, was etwas ganz Neues darstellt in unserem von Wachstum verwöhnten Land. Das sind sie nicht gewöhnt, sie wollen immer nur mehr. Und sie tun die ganze Zeit so, als seien sie überrannt worden von der Ampel. „Eine verlogene Debatte“, wie ich aus der SPD höre. Es sei alles bekannt gewesen. Die Wahrheit sei, dass sich die Union lange geweigert habe, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Dies sei erst Ende Januar passiert
Eine bayerische Regionalpartei
Vor allem die bayerische CSU sieht sich in ihrer Eigenartigkeit oder genauer Einzigartigkeit bedroht. Sie ist nun mal eine Regionalpartei, die nur in Bayern kandidiert, die aber stets bundespolitische Ansprüche stellte. So taten es Strauß und Stoiber, um nur die zwei aus der Vergangenheit hervorzuheben. Und mit dieser Vorstellung setzten sie auch auf anderen Ebenen ihre Wünsche durch, zum Beispiel sind sie bei sogenannten Elefanten-Runden im Fernsehen nach allen Landtagswahlen vertreten, obwohl sie weder im Düsseldorfer Landtag noch in dem von Hannover oder Mainz oder Stuttgart etwas zu melden haben. Das ist das Mia-san-mia-Denken der CSU. Oder nehmen wir die unverfrorene Schelte des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Parteichefs Horst Seehofer an der Kanzlerin Angela Merkel, die er auf dem CSU-Parteitag einst abkanzelte. Gerade so, als hätte er das Sagen und wüsste er es natürlich besser.
Man muss sich das mal vorstellen im Zusammenhang mit anderen Parteien. Zum Beispiel muss die FDP bei jeder Wahl um die Fünf-Prozent-Hürde kämpfen, die CSU ist durch die alte Regelung mit den Direktmandaten in Bayern von dieser Gefahr ausgenommen. Sie hat im Grunde eine Garantie, durch ihre bayerische Überlegenheit ist sie in Berlin immer im Bundestag. Das kann sich ändern, wenn das Gesetz wird-und nicht von Karlsruhe einkassiert-, was gerade mit Mehrheit beschlossen wurde. Deshalb das Geschrei der Dobrindt und Söder, der zudem daherfaselte von „One Man- One Vote“, was man nur aus dem Freiheits- und Unabhängigkeitskampf der Schwarzen unter Nelson Mandela vor allem in Südafrika her kennt. Als wenn man Bayern und Südafrika miteinander vergleichen könnte.
Das neue Wahlrecht schafft Ausgleichs- und Überhangmandate ab. Ferner soll künftig die Fünf-Prozent-Klausel die alles entscheidende Hürde sein, die Parteien überwinden müssen für den Einzug in den Bundestag. Wer bundesweit- und das ist das alarmierende für die CSU und die Linke- nicht über diese Fünf-Prozent-Hürde kommt, ist draußen, auch dann, wenn die Partei eine bestimmte Anzahl von Direktmandaten gewinnt. Diese sogenannte Grundmandatsklausel sieht vor, dass dafür drei direkt gewählte Abgeordnete ausreichen. Davon profitierte auch die Linke, die bei der letzten Wahl zwar die Fünf-Prozent-Hürde verfehlte, aber dank der erwähnten Klausel mit 39 Abgeordneten in den Bundestag einzog. Die CSU erreichte bei der Wahl 2021 -bundesweit gerechnet- 5,2 Prozent. In Bayern lag sie meilenweit vor der Konkurrenz, dort gewann sie 45 von 46 Bundestagswahlkreisen. Für die Berechnung des Zweitstimmenergebnisses ist das aber uninteressant. Immer vorausgesetzt, die beschlossene Neuregelung des Wahlrechts mit dem Wegfall der Grundmandatsklausel bleibt unangetastet und wird nicht vom BVG verworfen.
SPD in Bayern abgeschlagen
Das heißt nicht, dass Markus Söder die Landtagswahlen in Bayern im Herbst nicht klar für sich entscheiden wird. Man kann schon heute darauf wetten, dass die CSU gewinnen wird, die Frage wird sein, ob sie unter 40 Prozent bleibt. 2018 waren es schlappe 37,2 vh, ein historisches Tief. Die SPD in Bayern ist kein Machtfaktor, seit Jahr und Tag in sich zerstritten und hat eher die Größenordnung einer Sekte bei Wahlen. Wenn jetzt gewählt würde, kämen die Genossen im Freistaat auf gut zehn, wenn sie viel Glück haben vielleicht auf 15 Prozent. Die FDP müsste um den Einzug in den Landtag bangen, die Grünen würden eine starke Oppositionspartei mit einem Anteil von rund 17/18 vh, mit der rechtsextremen AfD will niemand zusammenarbeiten, die Freien Wähler würden Söders CSU die Koalitions-Mehrheit im bayerischen Landtag garantieren.
Alles ziemlich klar, aber bundespolitisch wichtig, ja entscheidend ist der CSU-Anteil bei der Bundestagswahl: 2021 kam die CSU auf 31,7 Prozent der Stimmen in Bayern, umgerechnet auf den Bund waren das aber gerade mal 5,2 Prozent. (Zu Stoibers Zeiten waren es mal fast zehn vh)Deshalb die Aufregung bei Söder und seinen Hintersassen, als vor Monaten mal eine Meinungsumfrage signalisierte, die CSU schwächle bei rund 30 Prozent, da beginnt nämlich die Todeszone nach dem neuen Wahlrecht, unter Fünf-Prozent beginnt der Abstieg.
Söder, der ja bekanntlich 2021 kein Kanzlerkandidat der Union war, weil die CDU Laschet und nicht ihn wollte, und der es nach eigenem Bekunden in der Zukunft auch nicht mehr werden will, hat natürlich dennoch die nächste Bundestagswahl 2025 im Blick. Ohne die Grundmandatsklausel würde dann die Fünf vor dem Komma stehen müssen, sonst brennt die CSU-Hütte. Kurt Kister hat letzte Woche in der SZ für den schlimmsten aller Fälle die Aufgabe der Eigenständigkeit der CSU erwähnt. Mir fällt sofort Kreuth ein, damals 1976 mit Strauß, als die CSU die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufgeben und als eigenständige Partei bundesweit antreten wollte. (Übrigens war Theo Waigel, der heutige Ehrenvorsitzende der CSU, dagegen) Die Älteren werden sich erinnern, dass Helmut Kohl, damals Oppositionschef in Bonn, Kanzler war der SPD-Politiker Helmut Schmidt, Strauß insgeheim damit drohte, dann werde die CDU in Bayern „einmarschieren“. Strauß gab sein Vorhaben auf, weil es im anderen Falle mit der CSU-Herrlichkeit zu Ende gewesen wäre.
Der Untergang des Abendlandes
Aber man stelle sich vor, die CSU müsste sich heute quasi als Anhängsel der CDU organisieren und so in Bayern kandidieren. Aus wäre es mit Weiß-Blau, sie wäre nur noch eine Regionalpartei wie die CDU in NRW oder in Thüringen. Kister zufolge müsste sich Söder zum „Team Union“ bekennen, keine „Lega Süd“ mehr. Mein Gott, das wäre ja der Untergang noch nicht des Abendlandes, aber fast.
Der Bundestag wird kleiner, so oder so. Weil er muss. Alle werden dabei etwas aufgeben. 630 Abgeordnete statt 736, immer noch 32 mehr, als es im Paragraph 1 des Bundeswahlgesetzes steht. Ob die neue Regelung fair ist oder doch mehr eine Macht-Demonstration der Berliner Ampel-Regierung, ob sie verfassungsrechtlich problematisch ist? Der CSU-Wahlrechtexperte Alexander Hoffmann sieht das Demokratieprinzip verletzt. Sophie Schönberger von der Uni Düsseldorf findet, das neue Verfahren sei „verfassungsrechtlich erlaubt“ und die „Lösung ist absolut fair“. Alle Parteien würden prozentual gleich viel gewinnen oder verlieren, so die Rechtswissenschaftlerin. Ich überlasse das letzte Wort den Karlsruher Richtern, wenn CDU/CSU und die Linke- getrennt- wirklich das höchste deutsche Gericht anrufen wollen. Es war höchste Zeit, dass der Bundestag ein neues Wahlrecht beschlossen hat, das nicht deshalb beschlossen wurde, um der CSU oder der Linkspartei zu schaden. Gleichwohl bedroht das neue Recht-kommt es so-den „Status quo“ der CSU, so Kurt Kister. „Und wenn es eine Partei in Deutschland gibt, die von ihrem Status quo lebt, dann ist das die CSU.“ Kister prophezeit, dass Söder und Co „mutmaßlich aus dem Kampf gegen diese Reform in den nächsten Monaten einen Kulturkampf machen. Für die CSU geht es jetzt ums Ganze.“