Erinnern sie sich noch: Der Spitzenkandidat der AfD, Berndt in Brandenburg, wurde gefragt, was seine erste Amtshandlung wäre, würde er Ministerpräsident werden: Er wollte „erlassen, dass keine Regenbogenfahnen mehr aufgezogen“ würden. Die Partei, die in einigen politischen wie wirtschaftlichen Bereichen dringenden Handlungsbedarf sieht, will als erstes ein Symbol verschwinden lassen. Die Fahne, die für Toleranz und Diversität steht, ist den Rechtsextremen ein Dorn im Auge. Und sie kriegen auch hier Unterstützung von anderen Populisten und der CDU.
Geschehen in Neubrandenburg. Der 65.000 Einwohner Ort in Mecklenburg-Vorpommern begrüßte Reisende am Bahnhof unter anderem mit der Regenbogenflagge. Und dies wird in Zukunft nicht mehr so sein. Denn der Rat der Stadt hat einem Antrag mehrheitlich -unter anderem alle AfD-Stimmen- zugestimmt, während Teile der CDU und BSW sich enthielten. Die rechte Szene in der Stadt frohlockte. Sie hatten wiederholt die Regenbogenfahne gestohlen und eine Hakenkreuzfahne aufgehängt.
Und der von CDU und BSW ermöglichte Sieg der Rechten brachte dann ein Fass zum Überlaufen. Der parteilose Oberbürgermeister der Stadt, Silvio Witt, gab am Tag nach der Ratsentscheidung bekannt, dass er sein Amt vorzeitig aufgeben wolle. Der homosexuelle 45-jährige will „seine Privatsphäre, seinen Ehemann, Familie und Freunde schützen“ schreibt er in einem kurzen Statement. Vorausgegangen waren viele Anfeindungen aus der rechtsextremen Ecke, homophobe Beleidigungen, Verleumdungen und persönliche Angriffe musste er über sich ergehen lassen.
Im Nachhinein ist das Entsetzen groß. In den Statements liegt aber auch schon fast ein Hauch von Resignation. Björn Bromberger, selbst schwul und Fraktionsvorsitzender der CDU im Stadtrat von Neunbrandenburg, ist ebenfalls vielen Anfeindungen ausgesetzt, sorgt sich aber nun um das Image der Stadt. Michael Stieber, Fraktionsvorsitzender der SPD/Grünen Fraktion, erkennt „Zeichen, dass sich die politische Landschaft nach rechts verschiebt.“.
Für die AfD sind solche Erfolge extrem wichtig, in den sozialen Netzwerken wird gefeiert. Neubrandenburg ist kein Einzelfall, immer mehr Aktionen gegen die Fahne und dahinterstehenden Ideen der Vielfalt, Offenheit und Toleranz finden statt. Andre Poggenburg, Ex-AfD, verbrannte eine Flagge auf dem Dresdner Altmarkt, natürlich so, dass die Aktion gefilmt wurde. Im niedersächsischen Burgdorf wurde sie noch am Fahnenmast vor dem Rathaus hängend angezündet. In Flensburg wurden Regenbogen-Banner, die auf Veranstaltungen der Rainbow Days hinweisen sollten, zerstört. Und auch die Fahne vor dem Rewe-Markt in der Nähe von Melsungen ging in Flammen auf. Natürlich ließen es sich auch die rechtsextremen Demonstranten gegen Christopher Street Paraden aus, das bunte Tuch anzuzünden oder in den Dreck zu treten.
In diesen Handlungen wird klar, worum es geht. Die mühsam erkämpfte Gleichstellung queerer Menschen soll zurückgedrängt werden, ihre Freiheit eingeschränkt und ihr Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung verhindert werden. Wir müssen uns bewusst werden, dass wir uns in einem Kulturkampf befinden, es geht nicht nur um Migration, es geht darum, die liberale Gesellschaft zu zerstören. Darum gilt auch hier: Nie wieder ist es jetzt!