Die selbstgesetzte Quote von 33% weiblichen Aufsichtsratmitgliedern in DAX-Unternehmen ist eindeutig gescheitert, nur ein einziges DAX-Unternehmen kann ein Drittel weibliche Mitglieder im Aufsichtsrat vorweisen. Trotzdem wollen die DAX-Unternehmen weiter an freiwilligen Selbstverpflichtungen festhalten. Dies lässt die Forderung nach gesetzlichen Regelungen erneut aufkommen.
Übliche Einwände gegen Quoten für weibliche Vorstandsmitglieder sind z.B., dass es zu wenige qualifizierte Frauen gäbe, Frauen kein Interesse an Führungspositionen hätten, nicht durchsetzungsfähig genug wären, dass Frauen es „aus eigener Kraft“ schaffen möchten, sowie die Angst vor Beurteilungen wie „eigentlich ungeeignet, aber durch Quote an den Job gekommen“. All diesen Einwänden liegt eine Vorstellung zu Grunde: Dass unser Wirtschaftssystem eine statische Gegebenheit ist, für die Frauen sich ändern bzw. härter kämpfen müssen, wenn sie Erfolg haben wollen. Das Problem liegt also angeblich nicht auf Systemebene, sondern beim Individuum.
Während Frauen, und natürlich auch Männer, in den letzten Jahrzehnten auf individueller Ebene unter immensem Aufwand ihre Rollen neu entworfen und eine große Anzahl an traditionellen Verhaltensweisen abgelegt haben, können sich Politik und Wirtschaft auf Basis dieser Argumentation entspannt zurücklehnen, ganz nach dem Motto: „Strengt euch halt noch ein bisschen mehr an!“ Eine Quotenregelung würde dagegen ein Mindestmaß an entgegenkommender Unterstützung darstellen. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD sind zumindest Pläne in Richtung einer Frauenquote von 30% in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen festgehalten. Dies betrifft allerdings nur etwa 120 Unternehmen, während bei den 2500 Unternehmen, welche entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, weiterhin auf freiwillige Selbstverpflichtung gesetzt wird.
Quotierung: Spitzenpositionen für Unqualifizierte?
Doch was bedeutet Quotierung eigentlich? Dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts anstatt ihrer Qualifizierung eingestellt werden? Da Frauen heutzutage ausreichend qualifiziert sind, geht es tatsächlich um genau das Gegenteil: Dass Frauen aufgrund ihrer Qualifizierung eingestellt werden und nicht durch die Tatsache, dass sie Frauen sind, und den damit verbundenen negativen Stereotypen, gegenüber gleich qualifizierten männlichen Bewerbern benachteiligt werden. Man könnte sogar sagen, dass zurzeit oft folgende (nicht unbedingt bewusst geplante) Quotierung besteht: Männer erhalten Führungspositionen aufgrund positiver Stereotype oder Normvorstellungen und nicht, weil sie objektiv besser qualifiziert sind. In einigen Branchen ist die Suche nach weiblichen Kandidaten sicher aufwendiger, da der Anteil an Frauen in manchen Arbeitsfeldern noch gering ist. Doch weiß ein Unternehmen z.B., dass es in den nächsten Jahren dringend mehr Informatiker braucht, jedoch nur wenige Informatiker auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind, so wird es frühzeitig mehr in die Rekrutierung investieren, das Unternehmen für Informatiker attraktiver machen, höhere Gehälter ausschreiben oder Informatiker im Ausland rekrutieren. Ähnliche Maßnahmen stehen auch bei der Suche nach Frauen für Aufsichtsratpositionen zur Verfügung und beinhalten nicht, dass ein Mangel an weiblichen Fachkräften dazu führt, dass unqualifizierte Frauen eingestellt werden, nur um eine Quote zu erfüllen.
Norwegen führte 2003 als erstes Land gesetzliche Regelungen für eine Frauenquote von 40% in Aufsichtsräten von 500 großen Unternehmen ein und beurteilt diese Regelung heute als sehr erfolgreich, vor allem da Unternehmen gelernt hätten, bei der Suche nach geeigneten weiblichen Bewerbern professioneller und gründlicher vorzugehen. Zudem waren die Auswirkungen weitreichender als erwartet, da die positiven Entwicklungen auch in kleineren Unternehmen beobachtet werden konnten, obwohl diese eigentlich nicht von der gesetzlichen Quote betroffen waren. In der deutschen Wirtschaft ist jedoch die Auffassung vom „Problem beim Individuum“ noch weit verbreitet. Eng verwandt damit ist z.B. auch das Argument, dass Frauen weniger verdienen, weil sie schlechter verhandeln könnten.
Was macht eine gute Führungskraft aus?
Genau bei derartigen Argumenten ist unser Denken jedoch von Stereotypen geprägt, die selten diskutiert und hinterfragt werden. Wer legt fest, dass traditionell maskuline Eigenschaften wie Dominanz und Durchsetzungsfähigkeit als wichtiger und wertvoller zu bewerten sind als traditionell feminine Eigenschaften wie Verträglichkeit und Empathie. Warum halten wir an einem System fest, das in seinen Grundannahmen völlig unzeitgemäß ist und nur denjenigen Frauen beruflichen Erfolg ermöglicht, welche die erwünschten maskulinen Eigenschaften ausreichend vorweisen können, während Personen (Frauen, aber auch Männer) mit sozialen Stärken als ungeeignet für Führungspositionen beurteilt werden? Wir unterstützen ein Wirtschaftssystem, das auf Wettkampf und Macht basiert. Aber wie sieht es mit zukunftsweisenden Schlagworten wie Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung aus? Diese Werte scheinen doch ein Umdenken in Bezug auf einst als feminin abgewertete Eigenschaften vorauszusetzen und schaffen somit für Unternehmen die Notwendigkeit einer Diversität in Bezug auf die Stärken der Mitarbeiter.
Quotierung ist ein erster Schritt, aber nicht das Ziel
Grundsätzlich geht es also bei der Quotierung nicht um eine Frauen-Frage, bei der Unternehmen weiblichen Arbeitnehmern einen „Gefallen“ erweisen sollen. Es geht um die Bekämpfung diskriminierender Denkweisen, welche gesellschaftlich und auch für das Unternehmen selbst von Nachteil sind.
Gesetzliche Quotierung wäre ein erster Schritt auf dem Weg zu wirklicher Chancengleichheit und einem Wirtschaftssystem, das in der heutigen Zeit angekommen ist. Es stellt eine Übergangslösung dar, bis Frauen in Führungspositionen nicht mehr als Sonderfall gesehen werden und Unternehmen gelernt haben, wie sie Vorurteile abbauen und ihr Unternehmen auch für weibliche Arbeitnehmer attraktiver gestalten können. Doch Ziel muss es sein, nicht nur eine Balance in der Anzahl an Frauen und Männern in Unternehmen zu schaffen, sondern eine Aufwertung von traditionell femininen Eigenschaften und Verhaltensweisen in der Wirtschaftswelt zu erreichen, anstatt Personen mit diesen Stärken ausschließlich an (schlechtbezahlte) soziale Arbeitsbereiche wie Kinderbetreung und Altenpflege zu verweisen. Denn hier handelt es sich um ein Potential an Weiterentwicklung, bei dem es sich zukünftig nur wenige Unternehmen leisten können werden, dieses ungenutzt zu lassen.