Die Frage gehört zu den immer noch ungeklärten Rätseln der Weltgeschichte: Warum oder woran das Römische Weltreich zerbrach? Man darf daran erinnern, dass in seiner Blütezeit fast alle Teile Europas und von Nordafrika wie auch des Nahen Ostens dazu gehörten. Rom, das war der Mittelpunkt der Welt, mit einem straff organisierten Heer, mit Waffenfabriken, es war der Inbegriff der Zivilisation mit Zentralheizung und Bädern, überhaupt der feinen Lebensart. Dieses Römische Weltreich, zumindest das Weströmische, wurde 476, so behaupten es die einen, durch einen bürokratischen Akt des germanischen Heermeisters Odoaker beendet. Odoaker schickte den damaligen Kaiser Romulus Augustulus in den- wenn man so will- vorzeitigen Ruhestand(er ließ ihn nicht ermorden) und sandte die kaiserlichen Insignien nach Konstantinopel. Nicht wenige Historiker bezweifeln diese Theorie des Untergangs. Aber egal, wie man es sieht. Dieses Rätsel, den Untergang des Römischen Reiches, versucht eine Ausstellung in Trier zu lösen, oder zumindest ihm näher zu kommen, als das bisher der Fall ist. Das vorweg: Es ist eine Ausstellung von großem Format.
Dass die Ausstellung in Tier stattfindet, ist fast normal. Wo denn sonst, wenn nicht in der ältesten deutschen Stadt, in der man noch heute bei jedem Bauvorhaben auf Reste aus römischer Zeit trifft. Im zweiten Jahrzehnt vor Christus als Augusta Treverorum gegründet, war Trier in der späteren Antike einer der wichtigsten Orte des weströmischen Reiches, es war die größte römische Stadt und kaiserliche Residenz nördlich der Alpen, Dreh-und Angelpunkt vieler politischer Entscheidungen. Hier haben neun römische Kaiser residiert. Noch heute sieht der Besucher quasi auf den ersten Blick, was Trier einmal war. Die Porta Nigra steht dafür. Vor kurzem hat man Reste eines Töpferofens entdeckt, ausgebuddelt. Das Grundstück wurde umzäunt, eine Sache für Archäologen. Übrigens sind die Ruinen des Amphitheaters, der Barbarathermen und der Kaiserthermen mitten in der Stadt, dort nahmen die feinen, die reichen Zeitgenossen einst ein Bad und ließen sich von Sklaven einölen. Historische Vermächtnisse.
Von Portugal bis Ägypten
Das Römische Reich war, man muss es sich auf einer Karte anschauen, unvorstellbar in seinen Ausmaßen. Von Portugal bis Syrien, von Britannien bis Ägypten. Trier stand damals neben Städten wie Ravenna und Konstantinopel. Grenzen über Grenzen, die bewacht werden mussten, und die dennoch immer öfter von Flüchtlingen überwunden wurden in jenen Zeiten. Weil es Klimaveränderungen gab, Dürren, die die Ernten vernichteten, Hungersnöte, Seuchen, die die Menschen ihre Heimat verlassen ließen aus Not, sie zogen gen Westen.Man könnte auf heute verweisen.
Der Untergang eines solchen mächtigen Reiches vollzog sich über lange Zeiten. Nicht nur das gute Lasterleben der Römer hat das Reich zugrunde gerichtet, wie man früher annahm. Es waren auch nicht nur die Hunnen und die Goten oder die Alemannen oder Burgunder oder die Franken oder die Vandalen und all die Flüchtlingsströme ins Reich, die den langsamen Untergang herbeiführten. Es waren viele Gründe, die man anführen kann wie zum Beispiel die kaum mehr zu kontrollierende Grenze des Riesenreiches, innere Streitigkeiten, Intrigen, pausenlose Kriege, die die Staatskasse leerten. Die Dimension des Reiches macht vielleicht diese Angabe deutlich: im Jahr 469 ließ Valentinian die Flussgrenze des Reiches auf einer Länge von 2400 Kilometern mit 1200 Wachtürmen verstärken, alle zwei Kilometer also zeigte das Reich Präsenz und Stärke und konnte dennoch ein Durchdringen oder Überwinden der Grenzen nicht verhindern. Auch weil die römischen Legionen immer öfter angewiesen waren auf fremde Soldaten, die man anwarb oder die freiwillig für das Reich dienen wollten, weil sie auf der Suche nach Geld und Essen waren.
Verzicht auf Russland-Exponat
In Trier wird der Untergang eines Weltreiches in drei Ausstellungen gezeigt. Im Rheinischen Landesmuseum, das mir am besten gefallen hat, wird die historische Entwicklung gezeigt, das Museum am Dom würdigt die Rolle des Christentums und im Stadtmuseum Simeonstift ist eine Zeitreise durch „Das Erbe Roms“ dargestellt durch Bücher und Bildnisse. Leihgaben aus über 130 Museen aus 20 Ländern bereichern die Ausstellung. Ausgeliehen haben sie zum Beispiel das Zepter aus dem Nationalmuseum in Rom. Es ist aus Eisen und Oreichalkos, einer goldähnlichen Messing-Legierung, darauf eine Kugel aus grünem Glas. Das Zepter wird dem Usurpator Maxenius zugeordnet, der im Jahr 312 in der Schlacht gegen seinen Rivalen Konstantin I. starb. Interessant, dass die Ausstellungs-Macher auch Exponate aus Russland im Sinn hatten, darunter ein Silbermedaillon aus der Eremitage in St. Petersburg, aber sie verzichteten darauf, nachdem Kreml-Herrscher Putin den Krieg gegen die Ukraine angezettelt hatte. Andere Exponate kommen aus dem Britisch Museum in London, dem Nationalmuseum in Athen und Budapest sowie dem Vatikanischen Museum in Rom. Ein Gemälde von John William Waterhouse stammt aus Adelaide in Australien.
In der Ausstellung nimmt man Abstand vom Begriff der Völkerwanderung, wie wir es noch in der Schule gelernt haben, weil es nicht homogene Völker waren, die Rom zusetzten. Man spricht mehr von Flüchtlingsgruppen, aufgerüsteten Großverbänden, kriegerischen Einheiten, vorübergehenden Interessenverbänden. Ein Relief zeigt den Zusammenprall der Zivilisationen als Zweikampf, ausgeliehen aus dem Louvre.
Hygienische Standards
Was lange undenkbar war, passierte dennoch, die Toten wurden auch in Trier innerhalb der Stadtmauern begraben, hygienische Standards gingen verloren, Latrinen liefen über, die Wasserversorgung versiegte. Ob dadurch die Elite so dezimiert wurde und der Staat in seiner Gänze geschwächt, wie früher behauptet, steht dahin. Interessant für die heutige Diskussion über die sogenannte Klima-Katastrophe, dass Roms Untergang auch eine Folge von Dürren und Klimaveränderungen gewesen sein konnte.
Es gibt drei Kataloge zur Ausstellung: Der Untergang des Römischen Reiches. 40 Euro. Das Erbe Roms. 12 Euro. Im Zeichen des Kreuzes. 35 Euro.