„Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn Menschen in Deutschland an die Macht gelangen, die Meinungsbildung und demokratische Prozesse bereits innerparteilich unterlaufen und praktisch bedingungslose persönliche Loyalität zu Parteiführern einfordern.“
Diese Worte nutzt der ehemalige verkehrspolitische Sprecher der AfD Bundestagsfraktion, Dirk Spaniel, als er erklärt, warum er aus der Partei und Fraktion ausgetreten ist. Der Stuttgarter galt als Widersacher von Alice Weidel im baden-württembergischen Landesverband. Die Kanzlerkandidatin der Rechtspartei hat es geschafft, den lästigen Spaniel daran zu hindern, wieder in den Bundestag einzuziehen, so der Vorwurf. Mit dem Austritt von Dirk Spaniel schrumpft die AfD Fraktion auf 76 Abgeordnete, gestartet waren sie mit 82 Mandatsträger
Auch der ehemalige Bundesvorsitzende Jörg Meuthen fand harte Worte, als er die Partei verlies.“ Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts“, sagte er damals. „Teile der Partei stünden nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung.“
Die hessische Bundestagsabgeordnete Joana Cotar sah ebenfalls viele rote Linie überschritten. Sie warf der Partei „Dauermobbing“ vor und fand die „Anbiederung an die diktatorischen Regime in Russland, China und jetzt auch Iran“ sei einer „aufrechten, demokratischen und patriotischen Partei“ unwürdig. Den Rechtsruck der Partei bemühten schon die sächsischen Landtagsabgeordneten Ivo Teichmann, Wolfram Keil und Christopher Hahn, die 2021 die Partei verließen.
Diese Liste lässt sich beliebig verlängern, zu rechts, innerparteilich undemokratisch, oder aber auch zu wenig rechts, wie bei Andre Poggenburg aus Sachsen-Anhalt. Dieses ehemalige Flügel-Mitglied fällt jetzt durch rechtsradikale Auftritte auf, u.a. verbrennt er öffentlich Regenbogenflaggen.
Von den führenden Gründungsmitgliedern haben sich die allermeisten verabschiedet: Konrad Adam, Hans Olaf Henckel, Bernd Lucke, Frauke Petry, um nur einige Namen zu nennen, sind nicht mehr in der Partei. Von den 18 Gründern sind 10 ausgetreten, 2 verstorben,6 sind noch Mitglied, u.a. Alexander Gauland und Beatrix von Storch.
AfD nahe Kreise bezeichnen diese Austritte als notwendige Reinigung, Alexander Gauland nannte die AfD mal einen „gärigen Haufen“. Doch neben diesen fadenscheinigen Begründungen ist eins nicht zu verkennen: Die AfD harmonisiert sich, und das auf einem sehr rechten Niveau. Alice Weidel, die vor Jahren mal Björn Höcke aus der Partei werfen wollte, hat ihren Frieden geschlossen mit der völkischen Partei. Immerhin beschert ihr das den Posten der Kanzlerkandidatin, für eine Person ihres Formats und Sendungsbewusstseins ein sicherlich erstrebtes Amt. Sie fungiert weiterhin gemeinsam mit Timo Chrupalla als öffentliche „Erklärorgan“, wenn sie nicht selbst empörende Attacken gegen Regierung oder demokratische Opposition fährt.
Für die Verbotsdebatte liefern diese Austritte aber interessante Kronzeugen über den internen Umgang miteinander, den internen Diskussionen und Strategien, was der Öffentlichkeit meist verborgen bleibt. Das hilft bestimmt ein authentisches Bild der Partei zu zeichnen. Es ist zu vermuten, dass der Verfassungsschutz sehr daran interessiert ist, die bei den Ausgetretenen vorhandenen internen Dokumente der Partei zu studieren und einzuordnen. Sie werden sicherlich Aufschlüsse geben, die in den nächsten, bald zu erwartenden Einschätzungen der Behörden auf Bundes- und Landesebene Einfluss haben.
Austrittserklärung von Dirk Spaniel: