Am 6. Juni gewann die CDU bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 37,1 Prozent der Stimmen. Gerade mal zwei Wochen vorher kam sie in den Prognosen auf 22 Prozent. Mit der richtigen Strategie und einem überzeugenden Kandidaten Reiner Haseloff geschah das, was viele als das „Wunder von Magdeburg“ bezeichneten.
Und nun hoffen viele CDU-ler, dieses Wunder könnte sich in den beiden kommenden Wochen vor der Bundestagswahl wiederholen. Ein Irrglaube, weil die politischen und personellen Vorrausetzungen nicht vergleichbar sind. In Magdeburg ging es darum, ein Schreckgespenst, nämlich die AfD als stärkste Partei, zu verhindern. Doch Rot-Rot-Grün taugt heute nicht als Schreckgespenst, dass nur mit einer Stimme für die Union zu Fall gebracht werden kann. Ein Linker regiert geräuschlos als Ministerpräsident in Thüringen, ohne durch sozialistische Abendteuer aufzufallen. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident koaliert sogar mit der CDU und hat bisher noch kein Unternehmen aus dem Ländle vertrieben.
Und personell bietet die CDU einen Kandidaten, der im Wahlkampf nicht liefert – auch beim zweiten TV-Triell blieben solche Hoffnungen unerfüllt. So gelingt es dem ehemaligen Europaabgeordneten Armin Laschet z.B. nicht, die fundamentalen Unterschiede deutlich zu machen, die sich zwischen Union und Rot-Grün auf europäischer Ebene zeigen. Die SPD – Grüne und Linke sowieso – hätte kein Problem mit einer Fiskal- und Schuldenunion in der EU. Schon bei der Diskussion um den Europäischen Wiederaufbaufonds hat Olaf Scholz die Aufnahme gemeinsamer Schulden befürwortet. Im SPD-Wahlprogramm wird sogar eine europäische Arbeitslosenversicherung vorgeschlagen. Konkret heißt das, der deutsche Steuerzahler soll auch für Arbeitslose in Griechenland oder Portugal haften.
Und beim Thema Migration gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einer lockeren Einwanderungspolitik und einer geordneten Zuwanderung, die unser Sozialsystem nicht überfordert. Bei nationalen Wahlen die europapolitischen Konsequenzen stärker in den Fokus zu nehmen, wäre durchaus hilfreich. Und welche Folgen eine Wahlentscheidung auf die Handlungsfähigkeit der EU haben kann, wir uns seit geraumer Zeit von Ungarn und Polen vor Augen geführt.
Man mag sich lieber nicht ausmalen, was es für Europa bedeuten würde, wenn in Deutschland Rot-Rot-Grün und in Frankreich der Front National (Wahlen im April 2022) regiert. Programmatisch ist die Union mindestens auf zwei Gebieten nicht auf der Höhe der Zeit und könnte hier von unseren europäischen Nachbarn lernen. Bei der Altersversorgung sind die großen Abweichungen zwischen Beamtenpensionen und Normalrenten nicht mehr vermittelbar. Rentensysteme anderer EU-Staaten (z.B. Niederlande, liberal regiert) zeigen, wie Altersbezüge von 70 Prozent (satt 48 %) möglich sind. Klientelpolitik verhindert hier dringenden Reformbedarf.
Das gilt auch für den Bereich der Krankenversicherung, bei dem die Union am dualen System von GKV und privater Krankenversicherung unbeirrbar festhält. Dass einheitliche Versicherungssysteme nicht schlechter und sogar effizienter sein können, zeigen die Beispiele Österreich (konservativ regiert) oder Dänemark (sozialdemokratisch regiert). Der Bundestagswahl-Endspurt wäre für alle Parteien eine gute Gelegenheit, ihr europapolitisches Profil zu schärfen. Das Afghanistan-Debakel und Amerikas Konzentration auf den asiatischen Raum machen es zwingend, dass Europa sich neu aufstellt. Und ohne eine funktionsfähige EU kommen wir nicht voran – weder beim Klima, noch bei der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, noch bei der inneren und äußeren Sicherheit. Am 26. September geht es mehr denn je um die Zukunft Europas.
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