Bayern ist einmalig, ist die Vorstufe zum Paradies, Bayern ist schön und erfolgreich. Und der Freistaat ist deshalb so gut und einmalig schön, weil er von der CSU regiert wird. Oder wie es der viel zu früh gestorbene SZ-Journalist Herbert Riehl-Heyse in feiner Ironie mal in Buchform schrieb: „Die CSU ist die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat.“ Das hätte sie gern. Jeder politisch und sportlich interessierte Mensch kennt den Spruch, der mehr sagt als alles andere: Mia san mia.
Wahlkampf in Bayern ist deshalb auch kein richtiger Kampf um die Mehrheit, weil der Sieger eh schon feststeht: Söders CSU. Die Frage ist nur, wie stark die CSU dieses Mal abschneidet. Die angepeilten 40 Prozent erreicht sie nicht, aber 36, 37 Prozent sollen es schon sein. Ein schlechteres Ergebnis würde den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder schwächen. Aber gemach: Ernstzunehmende innerparteiliche Gegner hat der Franke nicht. Söder hat einen Fehler gemacht, indem er sich früh, viel zu früh an die Freien Wähler gekettet hat, an das Bündnis mit Hubert Aiwanger, ein Populist, der es auf diesem Sektor mit dem Chef aufnehmen kann. Und weil das so ist, hat Söder ein Bündnis mit den Grünen ausgeschlossen und dabei derartig auf die Umweltfreunde drauf gehauen, dass es nicht mehr schön war. Das Niveau des Bierzeltes.
Gendern und veganes Essen
Wahlkampf in Bayern, in Bierzelten, auf Volksfesten, auf der Wiesn. Die Grünen sind an allem Schuld. So Söder. Er wirft ihnen das mit den Gendern vor, er spottet über sie, weil sie ihm angeblich veganes Essen vorschreiben wollen, überhaupt seien die Grünen eine Partei, die nur von Verboten lebe. Alles stimmt so nicht, aber es lässt sich so gegen die Grünen polemisieren. Und sie kleinhalten. Es gab ja Zeiten, da waren sie auf dem Vormarsch und Söder hatte darüber zu entscheiden, ob er eine Koalition mit den Grünen oder den Freien Wählern eingehen solle. Er war wohl hin- und hergerissen, umarmte Bäume, um seinen Wandel hin zur Natur der Öffentlichkeit zu unterbreiten. Dann aber zog er die Freien Wähler als Partner vor, vielleicht auch, weil sie als Fleisch vom Fleisch der CSU beurteilt wurden. Ob er sie zurückholen wollte? Klar war, dass er die Grünen auf Distanz zur Macht halten, sie nicht salonfähig machen wollte, indem er ihnen die Tür zur Staatskanzlei geöffnet hätte.
Markus Söder präsentiert sich gern als Machtmensch, kontrolliert die CSU, die Minister, auf der Bühne breitet er die Arme aus: Sehr her, vor Euch steht der Söder, Markus, Euer Chef. Gern zieht er über die Klimaschützer her, macht Witze über sie und ihre angebliche Vorliebe für Verbote von Würstchen, Süßigkeiten und den Abschuss von Wölfen, die Nutztiere töten. Und dann tobt er sich immer wieder aus gegen die Ampel in Berlin, die schlechteste Regierung, die es je gab, sagt ausgerechnet der Chef einer Partei, die Jahre den Bundesverkehrsminister stellte mit dem Ergebnis, dass die Deutsche Bahn ein Sanierungsfall geworden ist und Straßen und Brücken marode sind. Und dann spielt das Essen eine große Rolle, wenn Söder den Populisten gibt: Söder isst, was Bayern ist. Zum Lachen, eigentlich.
Was das alles mit Bayern zu tun haben soll, erschließt sich dem Betrachter nicht so ganz. Das Poltern gegen die Ampel ist ziemlich billig, vom Niveau her wie das „Auf-den-Tisch-hauen“. Er wettert gegen Scholz und Co, weil die Berliner angeblich gegen ein starkes Bayern seien. Es passt in die Wahlkampf-Masche, dass wieder mal gegen den Länderfinanzausgleich gestänkert und geklagt wird, wobei der Kenner der schwierigen Materie Söder vorhält, dass Bayern über Jahrzehnte selber zu den Nehmer-Ländern zählte. Aber das nur am Rande, die schöne himmelblaue Bilanz soll nicht getrübt werden. Und zu dieser Bilanz gehört, dass der Ministerpräsident nicht so gern hört, wenn man ihn nach der Windenergie im Freistaat fragt. Da fehlt es an allen Ecken und Enden.
Der Populist Aiwanger
Auf der Klaviatur des Populismus spielt Hubert Aiwanger, der Niederbayern, Wirtschaftsminister, stellvertretender Ministerpräsident des Landes. Der 52jährige sieht sich und seine Partei als bürgernah. Wobei ich mit frage, was er alles darunter versteht. Gerade hörte ich, er sei dafür, dass weiter Auto gefahren werde. Aha. Hat jemand gefordert, das Auto abzuschaffen? Sein Auftritt in Erding, wo er polterte, man werde sich die Demokratie zurückholen, und denen in Berlin vorwarf, die hätten ja wohl „den Oarsch offen“. Da war das Niveau in Bayern, das sich so gern auch in Fragen der Bildung und Kultur als Vorbild sieht, auf einem neuen Tiefstand angekommen. Aber wer geglaubt hatte, schlimmer könne es nicht werden, sah sich dann durch die Flugblatt-Affäre Aiwangers eines Besseren belehrt. Ein solches Stück Papier mit klarem, verachtenswerten antisemitischem Inhalt, gefertigt von einem 17jährigen Schüler, Aiwangers Bruder Helmut übernahm die Urheberschaft, das Flugblatt befand sich in Hubert Aiwangers Schulranzen, Mitschüler bestätigten seine damalige Nähe zum NS-Jargon, die halbherzige Entschuldigung und dann der Angriff des Täters auf die SZ, der er eine Schmutzkampagne vorwarf, Hubert Aiwanger machte sich um Opfer. Und profitierte davon. In Umfragen legten seine Freien Wähler zu. Der Ministerpräsident geriet unter Druck, sah sich aber gezwungen, Aiwanger im Amt zu halten. Vertreter jüdischer Organisationen übten heftige Kritik, nahmen seine Entschuldigung nicht an. Der Wahlkampf in Bayern war auf einem neuen Höhepunkt angekommen.
Die Grünen und die SPD, die Aiwanger zu Recht attackierten, konnten von der Affäre nicht profitieren. Hubert Aiwanger verstieg sich sogar zu der Behauptung: „In meinen Augen wird hier die Schoa zu parteipolitischen Zwecken missbraucht“. Wenn er doch geschwiegen hätte, dieses eine Mal. Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde München und Oberbayern lobte ausschließlich Markus Söder: „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie sind unser Schutzpatron.“ Peinlicher kann es für Aiwanger nicht werden.
Söder zeichnet Bayern als ampelfreie Zone, was immer das bedeutet. „Kein Schwarz-Grün in Bayern. Dafür stehe ich“. Immerhin. Viel ist das nicht. Und dann folgt irgendwann noch so eine Art Eigenlob: „In Bayern lebt es sich einfach besser!“ Weiter-So als Prinzip. Aber Söder spürt, dass ihm der Aiwanger mit seinem Populismus die Schau stiehlt. Das Bündnis mit den Freien Wählern kann zur Belastung werden.
Ist die AfD für Christen wählbar?
Blieben noch ein paar Worte zur AfD, die ja gerade wieder auf sich aufmerksam gemacht hat. Man denke nur an die Fälle Chrupalla und Frau Weidel. Unter der Überschrift „Pfarrer gegen AfD“ wird in der SZ über einen Vorfall aus dem oberfränkischen Kulmbach berichtet. Da hat Pfarrer Hans Roppelt in einem Beitrag für das örtliche Gemeindeblatt die Frage gestellt: „Ist die AfD für Christen wählbar?“ Der Pfarrer kam zu dem Schluss, das müsse jeder Christ mit sich selber ausmachen. Roppelt nannte dann einige Argumente gegen die Rechtsaußen und urteilte für sich: Nein, die AfD sei nicht wählbar. Daraufhin verfassten, so steht es in der SZ auf der München-Bayern-Seite, die Kulmbacher Kreisvorsitzenden und Stadtratsmitglieder Georg Hock und Hagen Hartmann eine Reaktion in Form eines Flugblattes, das sie vor der Kirche verteilten. Darin verweisen die beiden AfD-Mitglieder darauf, dass in ihrem Wahlprogramm die christlichen Werte zentral seien-im Gegensatz zu den anderen Parteien.
Hartmann und Hock, der in der AfD als Rechtsausleger bekannt sei, empfehlen dem Pfarrer, er solle in den Privaträumen des Pfarrhauses Geflüchtete aufnehmen. Erst dann glaube man ihm, dass es ihm „nicht um Asylindustrie im Hintergrund“ gehe, mit der die Kirche „Millionen Euro “ erwirtschafte. Da Roppelt dies bereits tut, forderte Hock am Telefon den Pfarrer auf: „Dann soll er eben noch mehr aufnehmen“. In dem Flugblatt verlangte er weiter, der Pfarrer möge „in Schwarzafrika missionieren“, um dort „die vorwiegend junge männliche Bevölkerung“ davon abzuhalten, „als Asylforderer in das von Deutschland teuer bezahlte Sozialsystem einzudringen“. Die SZ ergänzt, Hock habe am Telefon noch gesagt, “ um die Schwarzen davon abzuhalten, in unser Sozialsystem einzudringen“. Der Autor des SZ-Beitrags wertet diese Aussage des AfD-Mannes „als sehr eigene Auslegung von christlichen Werten“. Um dann auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Darf Kirche Politik machen? Pfarrer Roppelt hat seine Antwort darauf gefunden: „Der Kirche werde vorgeworfen, in den dunkelsten Zeiten unseres Landes zu sehr geschwiegen zu haben“, schreibt Roppelt in einem Aufsatz, der mit der Feststellung endet: „Das darf nicht mehr geschehen“.
Am Schluss seien noch die letzten Umfragewerte genannt: CSU 36,6 vh, Freie Wähler 15,3 vh, Grüne 15,1 vh, AfD 14 vh, SPD 8,7 vh, FDP 3,7 vh. Wie man sieht, lohnt sich Populismus, kann man mehr Stimmen einfangen, wenn man gegen Asylforderer und Schwarze polemisiert, die angeblich in unsere teuren Sozialsysteme eindringen. Übrigens hatte das mit dem Sozialtourismus auch Söder vor Jahren gesagt und es später als schweren Fehler bezeichnet. Merzens Bemerkung mit den Zahnärzten, bei denen sich Asylbewerber behandeln ließen, was dazu führe, dass Deutsche keinen Termin bekämen, ist nicht viel besser. Es ist ein Armutszeugnis, wenn man gleichzeitig betont, die christlichen Werte des Abendlandes wie Nächstenliebe seien einem heilig.