Wer in diesen Wochen Angela Merkel begegnet, spürt deutlich, dass sie nun wieder die Zügel fest in die Hand genommen und den Weg bis zur Bundestagswahl vor Augen hat. Nach zwei außerordentlich schwierigen Jahren, in denen die Flüchtlingskrise die Kanzlerin mehr als herausforderte, bescherten die ersten Monate in 2017 Erfolge bei den Landtagswahlen, die zuvor so nicht einzukalkulieren waren. Immerhin hatte die SPD Martin Schulz mit 100 % zu ihrem Vorsitzenden gewählt und ihn wie einen Messias gefeiert. Wo er auch immer öffentlich auftrat, verkündete er, dass er Bundeskanzler werden wolle.
Verpatzter Frühstart der SPD
Zwischenzeitlich schnellten die demoskopischen Werte für die SPD von rund 20 auf etwa 30 % und damit ganz nah an die der Union. Selbst bei der persönlichen Popularität rückte Martin Schulz eng an Angela Merkel heran. In der CDU und insbesondere in der CSU wurden gar Überlegungen angestellt, ob die Entscheidung Merkels, noch einmal für das Kanzleramt zu kandidieren, richtig war. Die Attacken von Seehofer, Söder und anderen CSU-Heckenschützen verursachten nicht geringe Schmerzen. Fast stereotyp forderten die Bayern eine Obergrenze für Migranten und piesackten die CDU-Vorsitzende mit immer neuen Nadelstichen. Einige Christsoziale kündigten gar an, im Bundestagswahlkampf keine Merkel-Plakate in bayerischen Gefilden zu kleben.
CDU-Siege bei 3 Landtagswahlen
Inzwischen hat sich vieles verändert. Der SPD-Lokomotive Schulz ist der Dampf ausgegangen, bevor der Zug überhaupt richtig ins Rollen gekommen ist. Die Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und insbesondere in Nordrhein-Westfalen waren schon mehr als Leberhaken, ja insgesamt fast ein Knock-out. Dabei hatten die CDU-Leute fast ausschließlich auf Landesthemen gesetzt – auf innere Sicherheit, Bildung und Infrastruktur. Annegret Kramp-Karrenbauer hatte auf diesen Feldern gute Ergebnisse für ihre Saarländer vorzuweisen und damit einen positiven Amtsbonus. Sie gewann deutlich nach Punkten, während ihre SPD-Gegenkandidatin kaum Rückenwind des Genossen Schulz verspüren konnte.
Dieser für die CDU gelungenen Premiere an der Saar folgte eine wahrlich überraschende Aufführung in Schleswig-Holstein. Der laufstarke Daniel Günther, der quasi als Nobody starten musste und kaum auf allzu große Popularität im eigenen Land wie in der gesamten Republik setzen konnte, errang einen wahrlich sensationellen Sieg gegen den Ministerpräsidenten Albig und die SPD mit dem stets sauertöpfischen Stegner an der Spitze.
Nur noch Herzflimmern in NRW
Aber es kam für die SPD noch dicker: In Nordrhein-Westfalen schaffte es Armin Laschet mit seiner CDU, der Regierungschefin Hannelore Kraft und ihren Genossen eine mehr als bittere Niederlage zuzufügen. In der Herzkammer der SPD, auf die der Vorsitzende Martin Schulz aus Würselen so sehr gesetzt hatte, war gerade noch ein Herzflimmern zu diagnostizieren. Die Kümmerin Kraft führte einen kümmerlichen Wahlkampf, in dem ihre bisherige Landespolitik als nutzlos, saftlos und kraftlos deutlich wurde. Von der Wucht dieses politischen Niederschlages im größten Bundesland der Republik dürfte sich die SPD nur schwer erholen. Die noch Anfang dieses Jahres von Martin Schulz verkündeten Hoffnungen auf das Kanzleramt sind erst einmal wie ein Luftballon zerplatzt.
Im Saarland regiert Annegret Kramp-Karrenbauer mit einer Großen Koalition weiter. In Schleswig-Holstein bemüht sich Daniel Günther um eine gemeinsame Koalition mit der FDP und den Grünen, die dort recht gut abschnitten und sich noch zieren, in ein schwarz-grün-gelbes Bündnis einzutreten. In Nordrhein-Westfalen beginnen die Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP; hier wird es für Armin Laschet auch nicht einfach, mit den Liberalen auf allen Politikfeldern zu einem Konsens zu kommen – insbesondere nicht bei der inneren Sicherheit.
Veränderte Gefechtslage zur Bundestagswahl
Mit Blick auf die Bundestagswahl gehen die Strategen im Wahlkampf-Team des Konrad-Adenauer-Hauses von einer im Vergleich zu den Landtagswahlen veränderten Gefechtslage aus. Inzwischen signalisieren CDU und CSU ein mehr oder weniger harmonisches Miteinander. Der einstige CSU-Vorsitzende Theo Waigel hat sogar schon einen „Merkel-Fanclub“ gegründet, der in Bayern mobilmachen soll. Obwohl Angela Merkel im Herbst 12 Jahre Kanzlerin sein wird, was manche fast -wie einst bei Helmut Kohl- als eine Ewigkeit empfinden mögen, genießt sie eine nahezu ungebrochene Popularität und hohe Anerkennung. Ihre politische Bilanz lässt sich sehen: Die wirtschaftliche Entwicklung ist bestens, der Arbeitsmarkt beschert immer neue positive Rekorde, die Einkommen steigen. Über 80 % der Deutschen sind mit ihrer persönlichen Lage zufrieden.
Merkel als Fels in der Brandung
Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Deutschen Angela Merkel zutraut, unser Land auch in den international aufgewühlten Gewässern auf einem stabilen Kurs zu steuern. Sie verhandelt mit Trump und Putin, mit Erdogan und May auf Augenhöhe, vertritt die deutschen Interessen gegen Terror, Cyber-Attacken und andere Gefahren. Dabei sollten die internationalen Auftritte gerade im Wahljahr die Stärke der „Mutter der Republik“ demonstrieren. Der G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg bietet dafür eine besondere Gelegenheit: Die Staats- und Regierungschefs aus den USA, China, Russland, Frankreich und anderen Ländern werden dann an der Alster zu Gast sein.
Wahlprogramm für Zukunftsgestaltung
Besonderen Wert wird die Bundesvorsitzende der CDU jedoch auf ein Wahlprogramm legen, das den Deutschen Zukunftsorientierung vermitteln soll. Die geopolitischen Veränderungen, die demografischen Entwicklungen, der Wandel in der Wirtschaft etwa durch die Digitalisierung, die Zukunftsgestaltung der Arbeitswelt, die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Arbeitsplätzen, der Klimaschutz und die Energieversorgung, die Entwicklung der ländlichen Regionen, die Stabilisierung der EU, die Familien-, Steuer- und Infrastrukturpolitik sowie die Integration werden wohl in das CDU-Konzept für die nächsten Jahre aufgenommen, das gemeinsam mit der CSU abgestimmt beschlossen wird. Über allem wird es um die Sicherheit gehen – um die äußere, innere, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Sicherheit.
Rund 190 Tage vor der Wahl des 19. Bundestages gibt sich die Union zuversichtlich, aber keineswegs übertrieben optimistisch. Gewiss, es herrscht keine Wechselstimmung in Deutschland. Doch müssen CDU und CSU die Wähler erreichen und mobilisieren. Ein Zurücklehnen nach der Devise „Mutti macht´s schon“ soll auf jeden Fall vermieden werden. Mit Hausbesuchen und Online-Kampagnen sollen vor allem die unionsnahen Wähler zu den Wahlurnen bewegt werden.
SPD im demoskopischen Sinkflug
Da bleibt noch viel zu tun. Und vor Überraschungen ist keine Partei gefeit. Immerhin ist die Startposition für die Union recht gut: Das jüngste Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen bescherte der CDU/CSU einen Umfragewert von 38 % – mit steigender Tendenz. Die SPD kam gerade noch auf 27 % (- 1 %), die Grünen auf 7 % (- 1 %), die Linke auf 9 %. Die FDP konnte auf 8 % (+ 2 %) zulegen, während die AfD bei 7 % (- 1 %) landete. 53 % würden Angela Merkel zur Kanzlerin wählen, wenn sie es direkt könnten; dagegen würden sich nur 29 % für Martin Schulz entscheiden. Nicht einmal 15 % der Befragten meinen, dass der SPD-Kandidat Kanzler wird, während 76 % an die Wiederwahl von Angela Merkel glauben.
Völlig offen wird wohl die Frage bleiben, wer mit wem nach dem Wahltag am 24. September eine tragfähige Koalition bilden kann. Die Versuche der SPD-Führung, schon bei den letzten Landtagwahlen mit den Grünen und Linken gemeinsam Mehrheiten zu erreichen, fand bei vielen Wählern keine große Gegenliebe, sondern führte zu Blech- und Lackschäden an der Genossen-Lokomotive. Die Aussicht auf ein rot-rot-grünes Bündnis mit Martin Schulz als Kanzler wird mehr Bürger abschrecken als begeistern; ohnehin dürften diese 3 Parteien kaum die Mehrheit der Sitze im Bundestag erzielen, denn nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen befinden sich zumindest aktuell auf einem Sinkflug.
Dagegen signalisiert die CSU neue Liebesbezeugungen an ihre Schwesterpartei: Zwischen Merkel und Seehofer passe kein Blatt Papier mehr, so ist es aus München jetzt zu vernehmen – und das mit dem Hinweis: CDU und CSU seien nun „ein Herz und eine Seele“. Ob sich dies bei der Abfassung eines gemeinsamen Wahlprogrammes, in dem die CSU wuchtige Steuersenkungen und die Abschaffung des Solidaritätszuschlages verankert haben will, bewährt, das muss sich in den nächsten Wochen noch beweisen.
Bildquelle: Wikipedia, Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0 DE
Heute wurde nun nach langem Verhandeln eine Einigung in den Koalitionsverhandlungen erzielt. Die Medien überschlagen sich und schimpfen über das Debakel der CDU, weil sie sich zum Erhalt des Kanzleramts angeblich selber verraten hat.
Am Ende bleibt aber festzuhalten, dass Frau Merkel weiterhin Kanzlerin ist und sich inhaltlich im Koalitionsvertrag durchgesetzt hat, auch wenn die SPD zur Verwunderung vieler CDU Wähler wichtige Ministerien bekommen hat.
Für mich ein klares Zeichen dafür, dass der Koalitionsvertrag deutlich von der CDU gefärbt wurde und das ist auch gut so.
Weder Frau Kraft, die vor einigen Monaten noch als Stolperstein der CDU gesehen wurde, noch der Heilsbringer Herr Schulz haben der alten und nun neuen Kanzlerin das Amt streitig machen können und wenn nun viele wieder das Ende der Kanzlerin kommen sehen, werden sie in einigen Monaten wieder ernüchtert feststellen, dass Frau Merkel allen viele Schritte voraus ist.