Während in strukturschwachen Regionen unzählige Häuser leer stehen und verfallen sowie zigtausend Wohnungen verwaist sind, herrscht in Ballungsgebieten, vor allem in Großstädten inzwischen ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Fahrten durch die neuen Bundesländer sowie durch den Hunsrück, Westerwald, die Oberpfalz oder den Bayerischen Wald machen deutlich, dass in manchen Landstrichen eine schleichende Entvölkerung stattgefunden hat und sich weiter vollzieht. In München, Hamburg, Köln, Düsseldorf oder Frankfurt am Main ist es inzwischen für “Otto Normal-Mieter“ fast unmöglich, eine Wohnung zu finden und zu bezahlen. Hinzu kommt, dass viele Mietshäuser – etwa im Ruhrgebiet – so in die Jahre gekommen sind, dass sie kaum noch zu renovieren sind und zum Abbruch anstehen.
Vernachlässigter sozialer Wohnungsbau
Schon seit langem wird in Deutschland zu wenig gebaut. Insbesondere der Soziale Wohnungsbau ist vernachlässigt worden. So steht günstiger Wohnraum in Ballungsgebieten kaum noch zur Verfügung. Geringverdiener haben keine Chance, menschenwürdige “vier Wände“ dort zu finden. 55 % der Berliner Haushalte haben zum Beispiel einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, doch weniger als 10 % der angebotenen Wohnungen werden dort unterhalb der Mietobergrenzen des Sozialgesetzbuches angeboten. In anderen Mittel- und Großstädten sieht es nicht viel besser aus. Familien mit Kindern, Alleinerziehende und Studenten sind von der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt besonders betroffen. Und nun kommen die Flüchtlinge dazu, deren Integration nicht in den strukturschwachen Regionen, sondern vor allem in den wirtschaftsstarken Gebieten möglich sein wird.
Über 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen!
Das Institut der deutschen Wirtschaft hält den Bau von 430.000 Wohnungen pro Jahr bis 2020 erforderlich, um den Bedarf zu decken. Die Bundesbauministerin Barbara Hendricks peilt nur 350.000 pro Jahr als Ziel an. Allerdings weiß heute niemand genau, wie sich die Zahl der Bevölkerung in den nächsten Jahren entwickeln wird: Sie könnte von heute 82 Millionen bis 2020 auf 83,75 bis 85 Millionen ansteigen, wenn in den nächsten Jahren einige hunderttausend Asylberechtigte, Zu- und Einwanderer kommen.
Finanzielle Anreize verstärken!
Inzwischen hat der Bund seine Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf 518 Millionen Euro verdoppelt. Doch das dürfte kaum reichen. Die Länder müssen die Städte, in denen die Wohnungsnot bereits groß ist und wo Obdachlosigkeit droht, stärker finanziell unterstützen, denn sie sind für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Einige bieten bereits über ihre Förderbanken äußerst günstige Finanzierungskonditionen für Bauherren; allerdings liegen die Hypothekenzinsen derzeit bereits auf einem historischen Niedrigpreisniveau. Deshalb könnten mit direkten Zuschüssen kräftigere Impulse für den Neubau von Sozialwohnungen ausgelöst werden. Geradezu beispielhaft operiert die BIMA (Bundesimmobilienanstalt), die bundeseigene Grundstücke an Länder und Kommunen preisgünstig verkauft und für die Herrichtung von Wohnungen – etwa in nicht mehr genutzten Bundeswehrkasernen – sowie für den Umbau finanzielle Unterstützungen gewährt.
Wichtig ist, dass neue Sozialwohnungen nicht ausschließlich für Flüchtlinge gebaut werden, sondern dass davon in gleicher Weise Mieter, die bereits seit langem hierzulande auf Wohnungssuche sind, profitieren.
Hindernisse abbauen!
Zum anderen darf keine Zeit mehr mit langen Diskussionen und Planungen verloren gehen. Vielmehr muss jetzt schnell gebaut werden. Zum einen könnten Wohnungen in sogenannter Leichtbauweise in wenigen Wochen errichtet werden, bis dauerhafte Gebäude fertiggestellt sind. Ebenso gilt es, die Investitionen in den frei finanzierten Wohnungsbau zu stimulieren. Dies könnte mit erhöhten steuerlichen Abschreibungen – vor allem gezielt für die Errichtung von Wohnungen in Regionen mit besonders angespannten Wohnungsmärkten – geschehen. Allerdings werden schnelle Erfolge nur zu erzielen sein, wenn zum einen gerade die öffentlichen Gebietskörperschaften Flächen für den Wohnungsbau aktivieren. Zum anderen müssen manche der großen Bau-Beschränkungen reduziert oder gar ganz ausgesetzt werden. Das reicht von Stellplatzanforderungen über Energieeffizienzstandards bis zu vielen anderen spezifischen Baunormen. Um Mieten zu erreichen, die von Einkommensbeziehern im mittleren und unteren Bereich sowie von sozial Schwächeren bezahlbar sein sollten, dürften die Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche nicht bei 3.000 Euro und mehr liegen, sondern bestenfalls rund 2.000 Euro erreichen.
Wohlstand für alle = Wohnungen für alle!
Bund, Länder sowie Kommunen und ihre Wohnungsbaugesellschaften stehen vor einer riesigen Herausforderung, nämlich Wohnraum für alle zu schaffen. Die Not war bereits groß, lange bevor der Flüchtlingsstrom nach Deutschland kam. Der Mangel an preiswerten Wohnungen wurde seit Jahren dadurch verschärft, dass zwar jährlich viele Wohnungen aus der zumeist 20jährigen Sozialbindung fielen, aber nicht durch neue Sozialwohnungen ersetzt wurden. Zudem wohnen darin unzählige Haushalte als Mieter, die längst über die Einkommensgrenzen für Sozialmieter hinaus gewachsen sind. Selbst mit Fehlbelegungsabgaben, wenn sie denn erhoben werden, werden nur wenige zum Auszug bewegt.
Mit Blick auf die aktuellen Probleme sollte deshalb politisch auf Wohngeld für sozial Schwache umgestellt werden, das gezielt und begrenzt einzusetzen wäre.
“Wohlstand für alle“, einst von Ludwig Erhard als das große politische Ziel postuliert und jüngst auf dem CDU-Parteitag von der Bundeskanzlerin und für die Zukunft wiederholt, beginnt mit “einem Dach über dem Kopf“, mit einer Wohnung für alle. Gegen Obdachlosigkeit sollten alle politisch Verantwortlichen Front machen. In einem so reichen Land wie Deutschland sollte sie nicht existieren.
Bildquelle: Wikipedia, DerComputerChecker, Vorderansicht des Wohnkomplexes „Hannibal“ in Dortmund Innenstadt-Nord, CC BY-SA 3.0 de