Volkswagen will in den nächsten fünf Jahren 23.000 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen und nennt das „Zukunftspakt“. Das sind von den bisher ca. 120.0000 VW- Arbeitsplätzen in Deutschland fast 20 %. Ein bisher einmaliger Kahlschlag an Arbeitsplätzen. VW will erst einmal kurzfristig ca. 5.000 sg. Leiharbeiter, die allerdings meist auch schon seit Jahren „fest“ bei VW beschäftigt werden, loswerden. Bei den Stammkräften will man eher auf den demografischen Faktor und Altersteizeit-Modelle setzen. Klingt sozialverträglich, dient aber erst einmal der „Befriedung“ des innerbetrieblichen und gewerkschaftlichen Widerstandes. Der Zukunftspakt wurde von VW-Markenchef Herbert Dies so begründet: „Wir bauen hervorragende Autos, verdienen damit aber zu wenig Geld!“
Angesichts von 11 Millionen Dieselfahrzeugen, die mit Abgas-Betrugs-Software ausgestattet sind, eine nur schwer nachvollziehbare Aussage. Auch in Anbetracht der Probleme beim eher unbedeutenden Nischenprodukt „Erdgasautos“ ist diese Aussage mehr als dreist zu erachten. Seit Monaten werden an vielen Erdgastankstellen VW-Fahrzeuge abgewiesen, weil VW ein manifestes und für betroffene Besitzer von VW-Erdgasautos wie Tankstellenbetreiber lebensgefährliches Sicherheitsproblem mit den eingebauten Gastanks hat. Hervorragend kann man diese „Qualität“ und den großen Abgasbetrug ja eher nicht nennen. Einsicht oder auch ein angemessenes Unrechtsbewusstsein ist in der VW-Spitze nicht im Ansatz vorhanden.
Gehaltsexzesse mit System
Bei der Bezahlung der Top-Managern hat sich das Prinzip Gier durchgesetzt. VW ist dafür nach wie vor ein Paradebeispiel. Seit 2009, dem Beginn des Betrugs bei den Abgaswerten hat VW seinem Vorstandsteam ungefähr 380 Millionen Euro Gehalt und Boni überwiesen. Der ehemalige Vorstandschef Martin Winterkorn strich davon ca. 80 Millionen ein. 2015 ließ sich VW seinen Vorstand 63,4 Millionen kosten. Der deutlich profitablere Daimlerkonzern gönnte seinem Vorstandsteam dagegen fast als bescheiden zu bezeichnende 37 Millionen. Bei VW wurden allein für den neuen Vorstandschef für Nutzfahrzeuge eine „Antrittsprämie“ in Höhe von 11,5 Millionen Euro gezahlt. Aufsichtsratschef Dieter Pötsch sogar für 2015-2017 über 15 Millionen Euro. Solche Summen kassieren sonst nur Neymar, Messi und Co.
Noch 2014 verdiente Martin Winterkorn – als Hauptverantwortlicher ja der „Vater“ des Betrugs und auch für die verfehlte bzw. fehlende Zukunftsstrategie des Konzern – mit 16 Millionen Euro mehr als 10x so viel wie die Nobelpreisträger für Ihre bahnbrechenden der Menschheit nutzenden Lebensleitungen erhalten, mehr als das 66fache der Bundeskanzlerin, mehr als das 400fache Gehalt gut bezahlter VW-Mitarbeiter. Dazu eine Altersabsicherung, die ihm jedes Jahr fast anderthalb Millionen aufs Konto bringt. Selbst als Ruheständler bekommt er damit ungefähr das sechsfache Gehalt der Bundeskanzlerin. Bei VW fangen die Ruhestandsbezüge für den Vorstand sofort bei 50% an und steigen mit jedem jahr der Betriebszugehörigkeit um 2% bis auf 70%. Aktuell sind mehrere 100 Millionen Euro für die Altersversorgung zurückgestellt sein. Selbst im internationalen Vergleich eine fürstliche – nicht zu Unrecht auch schon mal als obszön bezeichnete – Absicherung. Wenn man über Profitabilität nachdenkt, sollte man auch darüber einmal nachdenken bevor man bei den Arbeitsplätzen die Axt anlegt.
Die Zeche zahlen Mitarbeiter und Kunden
Die Dieselgate-Katastrophe ist an den Luxusbezügen der Vorstände nahezu spurlos vorbeigezogen. Und das trotz der Rekordstrafe und Kundenentschädigungen in den USA in Höhe von bisher 15,3, Milliarden EURO. Am Ende werden es eher über 20 Milliarden werden. Für VW dennoch (fast) ein guter Deal, da in den Jahren des Betrugs ja auch fast 65 Milliarden EURO Gewinn eingefahren wurden und die betrogenen Kunden außerhalb der USA leer ausgehen. Ein fairer Umgang mit Kunden zählt nicht (mehr) zur Ethik der Vorstandsetage bei VW.
Die Beschäftigten hingegen haben schon für die vom Management verursachte Katastrophe bezahlen müssen. 2012 konnte jeder Mitarbeiter noch 7.200 EURO Bonus nach Hause tragen. Für 2015 wurde – immerhin trotz der Verluste auf Grund des „Dieselgate“ – noch 3.950 EURO ausgezahlt. Für 2016 und 2017 sieht es düster aus. Denn anders als bei den überbezahlten Vorstandsmitgliedern ist der Jahresbonus der Mitarbeiter an den Unternehmensgewinn gekoppelt. Die Vorstandsbezüge stiegen daher auch im Katastrophenjahr 2015 im 5 Jahresvergleich immer noch um ca. 12 %. Der nun ausgerufene Sparkurs geht übrigens völlig daran vorbei, dass die Personalkosten bei VW überhaupt nicht das drängendste Problem sind. Auch BMW und Daimler, ebenso wie Porsche bauen ja in Deutschland Autos und bezahlen ihre Mitarbeiter teilweise sogar deutlich besser. Die Probleme des VW-Konzerns sind in anderen Bereichen deutlich größer. Z.B. hohe Rohstoffkosten, eine im Vergleich überteuerte Verwaltung und hohe Kosten im Vertrieb.
Versäumnis Elektro-Mobilität
E-Mobilität spielt im VW-„Zukunftspakt“, den Vorstand und Betriebsrat am Freitag vorgestellt hatten, eine zentrale Rolle. Der vom Dieselskandal durchgeschüttelte Konzern solle „auch im Bereich Elektromobilität zum weltweit führenden Volumenhersteller“ werden, heißt es. Die verkündete Schaffung von angestrebten 9.000 neuen Arbeitsplätzen in diesem Bereich dienen aber eher als Feigenblatt dafür, dass neben den 23.000 Arbeitsplätzen bei VW Deutschland nach Expertenmeinungen auch noch fast 100.000 Arbeitsplätze bei den Zulieferern durch den „Zukunftspakt“ bedroht sind.
VW-Vorstandschef Matthias Müller wirft – frei nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ den deutschen Autofahrern eine Doppelmoral vor. „Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger“, so Müller in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Von welchem Angebot er angesichts der auf PS und hohen CO2-Austoß getrimmten VW-Modellflotte er spricht, bleibt schleierhaft. Auch die anderen deutschen Hersteller haben ja bisher keine für die Verbraucher brauchbaren und bezahlbaren Angebote. E-Mobilität ist zur Zeit eher ein Luxus. Müllers unverfrorene Behauptung dennoch: „Die Autoindustrie hat da nichts verschlafen. Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage.“
Die Ursache für die Problemlage bei VW ist dabei sehr einfach zu erklären: Ein selbstherrlicher Managementstil und eine Markenpolitik, die auf Grund zahlreicher Modelle und nahezu unüberschaubarer Varianten die Kosten u.a. auch für Entwicklung und Forschung enorm erhöhte und dazu Uneinigkeit unter den Gesellschaftern sowie wenig weitsichtige Eingriffe seitens der Politik. Ein sehr spezieller Cocktail, der auch ohne Dieselgate den Konzern in enorme Schwierigkeiten gebracht hätte.
Bei VW wurde zu kurzfristig gedacht und gehandelt. Das Auto der Zukunft war im Denken der Verantwortlichen bei VW ein überdimensionierter SUV mit Dieselantrieb und jede Menge Pferdestärken. Die Umwelt- und Verbrauchswerte wurden daher entsprechend schön gelogen. In einem Umfeld erfolgreichen Lobbyismus und einer SUV-betrunkenen Fachmedienlandschaft ein lange Zeit einfaches Unterfangen. In Wirklichkeit sind die VWs von heute keine innovativen Beispiele für „made in Germany“ sondern überwiegend Sprit- und CO2-Schleudern, angesichts des Klimawandels nicht nur eine Mogelpackung sondern eine Umweltkatastrophe.
E-Mobilität ist jetzt bei VW ein öffentlichkeitswirksam eingeführtes Thema, aber Konzept und Strategie sind immer noch nicht erkennbar. 2020 will man ein Auto auf die Straße bringen, das z.B. bei Opel – ausgerechnet Opel! – schon jetzt fährt. VW sollte schnell ernsthafter darüber nachdenken, ob die Unternehmen, die in den letzten Jahrzehnten Autos gebaut haben auch unbedingt die sein werden, die Autos in der Zukunft bauen. Tesla, Google und Apple lassen grüßen. VW kann, wie sich Freitag mit der Vorstellung des Zukunftspaktes gezeigt hat, mit einem Vorstandsteam wie Müller und Co. im Moment nicht mit großer Zuversicht in die Zukunft schauen.
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