Das Thema Vorratsdatenspeicherung ist für Sozialdemokraten kein Gewinnerthema. Zu unterschiedlich sind die Interessen. Die einen sehen die Datensammelei des Staates als Schutz vor Verbrechen und möglichen Attentaten. Für die anderen ist das Sammeln von Daten durch den Staat des Teufels und ein Angriff auf die Selbstbestimmung des einzelnen.
In der Abwägung war die Partei bis Anfang des Jahres entschlossen, den Bedenken der Gegner Rechnung zu tragen und dem Drängen der Koalitionspartner CDU/CSU auf einen neuen Anlauf zu einem VDS-Gesetz zu widerstehen. Zumal das Bundesverfassungsgericht 2010 ein erstes Gesetz aus der vorigen großen Koalition auseinander genommen hatte, zumal auf eine einheitliche europäische Richtlinie gewartet werden sollte. Und zumal die Attentate Anfang des Jahres in Paris gezeigt hatten, dass die in Frankreich praktizierte Vorratsdatenspeicherung die Verbrechen nicht hatte verhindern können.
Aber gerade die Anschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo bewogen den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel dazu, per Interview im Alleingang den bisherigen Kurs über den Haufen zu werfen und seinen Justizminister Heiko Maas, einen entschiedenen Gegner der Vorratsdatenspeicherung, zu zwingen, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ein einsamer Entschluss, der das schwierige Thema endgültig zu einem Verliererthema für die SPD zu machen droht.
Denn seither toben die Gliederungen der Partei. Ganze Landesverbände, viele Unterbezirke und Ortsvereine proben den Aufstand, wollen das Gesetz abwenden und werfen der Parteiführung, namentlich Gabriel, vor, die Akzeptanz der SPD vor allem bei der großen Gemeinde der Nerds und Netzaktivisten aufs Spiel zu setzen. Deren erbitterter Kampf gegen das Gesetz trägt freilich auch bigotte Züge: Während sie zum Kampf gegen die Datenkrake Staat aufrufen, ertragen sie es gelassen, dass die ungleich totalere und globalere Sammel-Allgegenwart der Googles und Facebooks – und wie die Datenmultis alle heißen – ihre Persönlichkeiten bis ins Kleinste auseinander nehmen.
Nicht zu beneiden ist Heiko Maas, dem es überlassen ist, die aufgebrachten Teile der Partei hinter das Gesetz zu bringen. Er tingelt derzeit durch die Republik, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein schwieriges Geschäft, da die Debatte nicht unbedingt von allen rational geführt wird. Doch wenn es ihm auch nicht gelingt, die Genossen in der Sache hinter sich zu bringen, in einem Punkt kann er persönlich auf Unterstützung hoffen: Alle wissen, dass er nur widerwillig einen Auftrag des Parteivorsitzenden erfüllt. Und dass dieser Parteivorsitzende sich in dieser Woche bei der traditionellen Spargelfahrt des parteirechten Seeheimer Kreises auch noch über Maas lustig machte, indem er sich über dessen Karriere als „anständiger innerer Sicherheitspolitiker“ ausließ, verbitterte Gegner und Befürworter von Maas Auftragsarbeit.
So ist die Stimmung nicht gut, wenn am kommenden Samstag auf dem Parteikonvent über das Gesetz abgestimmt werden soll. In der Sache werden sich Kompromisse finden lassen. Bleiben aber wird die Verbitterung, dass der Parteichef die Partei vor sich her getrieben und in Wallung gebracht hat. Für ein Thema, das an der Gefühlslage großer Teile der Bevölkerung vorbeigeht. Gerade aber das hatte der Parteikonvent ursprünglich erbringen sollen: Nach Themen suchen, mit denen die Sozialdemokratie wieder näher den Puls der Menschen spüren kann.
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