Man wusste ja einiges über den Alten aus Rhöndorf, Konrad Adenauer, den listigen Fuchs, der seine innenpolitischen Gegner gern austrickste. Man lächelte respektvoll ob der Schlau- oder besser Gerissenheit des CDU-Kanzlers. Jetzt hat der Historiker Klaus-Dieter Henke in seinem Buch „Geheime Dienste“ Erkenntnisse hervorgebracht, die auch 70 Jahre danach noch sensationell zu nennen sind und die ein mehr als dunkles Bild des ersten deutschen Regierungschefs nach dem 2. Weltkrieg und dem Ende der NS-Diktatur liefern: Adenauer ließ als Bundeskanzler mithilfe des BND-Chefs Gehlen und seines Kanzleramtschefs Globke die gesamte SPD-Spitze über Jahre ausspionieren. Spitzel im BND lieferten das Material. Der Historiker Henke spricht von „Deutschlands Watergate“, wäre es damals herausgekommen, Adenauer hätte es politisch nicht überlebt. Henke ist Sprecher der Unabhängigen Historiker-Kommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes(BND) und hat dazu Berge von Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung eingesehen und bewertet.
Ja, ein Abgrund von Spionage, ein übles Spiel des so geachteten ersten Kanzlers, der selber Nazi-Verfolgter war und dennoch einen wie Globke bei sich im Kanzleramt beschäftigte, jenen Globke, der Kommentator der Nürnberger Rassegesetze war und dessen Formulierung dazu beitrug, dass Juden festgenommen wurden oder mit dem Leben davon kamen. „Abgrund von Machtmissbrauch“ stuft er seine gesammelten Kenntnisse über Adenauers „private Spionageabteilung“ ein. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte schon in ihrer Wochenendausgabe die wichtigsten Teile und Erkenntnisse des Historikers veröffentlicht und hat in der Montag-Ausgabe die Berichterstattung und Kommentierung fortgesetzt. Auch wenn das alles lange her ist, dem kritischen Leser bleibt die Spucke weg, wenn er liest, dass Adenauer die SPD wie einen Feind bewertete, weil diese anfänglich keine Westbindung wollte und anderes mehr, was Adenauer in der neuen BRD eingeführt hatte. Und weil diese SPD vieles von dem nicht wollte, so warnte der Kanzler im Zusammenhang mit der SPD, käme sie an die Macht, vor dem „Untergang Deutschlands.“ Er behandelte ausgerechnet die Partei, die als enzige 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers gestimmt und die damals Deutschlands Ehre gerettet hatte, wie das ein anderer Historiker, Heinrich-August Winkler, beurteilte, „wie Staatsfeinde und Extremisten“(SZ).
Abgrund von Machtmissbrauch, Abgrund von Landesverrat, empörte sich Konrad Adenauer nach der Veröffentlichung eines Spiegel-Berichts 1962 unter dem Titel: „Bedingt abwehrbereit“. Spiegel-Chef Augstein wurde damals verhaftet, auch sein Chefredakteur Ahlers wurde festgenommen. Dabei war es Amtsmissbrauch eher von Adenauer, und vor allem von Verteidigungsminister Strauß(CSU), der seinen Hut nehmen musste. Es war der Versuch der Einschränkung der Pressefreiheit, ein Angriff auf das „Sturmgeschütz der Demokratie“, wie man das Hamburger Nachrichtenmagazin mit Fug und Recht würdigte. Heute kommt die SZ, den Skandal Adenauers mit BND und zu Lasten der SPD bewertend, zu dem Urteil im Leitartikel: „Der erste Kanzler führte das Land in die Demokratie und hintertrieb sie zugleich.“ Titel des Leitartikels: „Trotz Adenauer“. Die SPD reagiert empört, zu Recht, verlangt von der CDU, diesen Skandal aufzuarbeiten, der Adenauers Glanz kräftige Kratzer verpassen dürfte.
Die Nachfahren Adenauers nannten sich gern Enkel des Alten, Helmut Kohl sah sich in der direkten Nachfolge des angeblich so großen Christdemokraten, dessen Verdienste man nicht vergessen darf, denen man jedoch ein dickes „Aber“ hinzufügen sollte. Es kann nicht sein, dass zur Absicherung und Behauptung des Kanzleramts für Adenauer jedes Mittel recht sein durfte. Da musste man schon mehr als pingelig sein, um ein Wort des Rheinländers Adenauer zu verwenden.
Watergate, Adenauer-Gate. Da fällt mir eine andere Geschichte ein, nicht so kriminell wie damals in Washington, als US-Präsident Nixon seine Leute ins Hotel Watergate eindringen ließ, weil sie dort Wanzen anbringen sollten. Wie gesagt, es war ein Vorhaben, nicht mehr. Adenauers Spionage war da schon von anderem Kaliber. Eine kleinere Affäre hing einst, rund 12 Jahre ist es her, mit dem Namen des damaligen NRW-CDU-Generalsekretärs Hendrik Wüst zusammen. Der hatte die Oppositionschefin Hannelore Kraft(SPD) per Video beobachten lassen. Unschön so etwas, das machen doch Demokraten nicht. Da kannten wir die Akte Adenauer noch nicht, wie sie jetzt der Historiker Henke ans Licht befördert hat. Kraft wurde damals dennoch MInisterpräsidentin, Wüst von Rüttgers gefeuert. Auf Kraft folgte Armin Laschet, der Kanzler werden sollte, was misslang, und dessen Nachfolger besagter Hendrik Wüst wurde, der gerade seine Probleme mit der Umweltministerin Heinen-Esser hat, weil diese sich länger als im Untersuchungsausschuss angegeben auf Mallorca aufhielt, statt sich vor Ort um die Folgen der Flut-Katastrophe zu kümmern. In wenigen Wochen will Wüst wiedergewählt werden. Am 15. Mai findet die Landtagswahl statt.
Bildquelle: CDU, Fotograf: Peter Bouserath, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons