Auschwitz, Buchenwald, Flossenbürg, Bergen-Belsen, jetzt Dachau, einige Namen von Ortschaften mit schwerer historischer Vergangenheit, hier hatten die Nazis Konzentrationslager errichtet oder sogar Vernichtungslager, um Menschen, die ihnen nicht passten, Juden, Kriegsgefangene, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Sozialdemokraten, Kommunisten, Menschen, die anderer Meinung waren als die braunen Barbaren, zu foltern, sie zu quälen, sie blutig zu schlagen, sie zu erschießen, zu vergasen, um Persönlichkeiten zu brechen. 80 Jahre ist das nun her, dass das KZ Dachau von den Amerikanern befreit wurde. Dachau war das erste KZ, unmittelbar nach dem Ermächtigungsgesetz Hitlers 1933 errichtet, vor und unter den Augen vieler Menschen, es sollte das letzte Lager sein, das kurz vor Kriegsende, am 29.April 1945, befreit wurde.
80 Jahre danach werden wir in diesen Tagen immer wieder an die schrecklichen Jahre der NS-Terror-Herrschaft erinnert, an den Krieg, den die Nazis über die Welt brachten mit rund 55 Millionen Toten, wir werden erinnert an die sechs Millionen Juden, die die Nazis umbrachten, weil sie Juden waren. Wir werden an die Verbrechen erinnert, die geschahen, an die Konzentrationslager, in denen Millionen Menschen gehalten wurden wie Tiere. Dachau war im Grunde ein Muster-KZ für alle folgenden, Himmler hatte sich das Regelwerk und das Schreckens-Szenario ausgedacht und aufschreiben lassen.
Ort des Grauens
Dachau war ein Ort des Grauens und keiner wollte etwas davon gewusst haben. Dabei wurden die Häftlinge in Zügen in die Nähe des Lagers transportiert und marschierten in Reih und Glied, bewacht von der SS und ihren Schergen, ins KZ-Gefängnis, aus dem es für viele kein Entrinnen mehr gab. Die Menschen schauten sich das Schauspiel an und es kam vor, dass sie die Häftlinge bespuckten oder sie beleidigten. Es stand sogar in der Zeitung. Nichts gewusst? Von wegen.
Am 29. April 1945 nahmen die Amerikaner in den frühen Mittagsstunden das Lager ein. Ihnen bot sich ein Bild, das ihnen die Luft zum Atmen nahm. Die Menschen, besser ihre Skelette lagen nackt oder mit einem Fetzen Stoff am Körper auf dem Boden, ausgemergelt, um Jahre gealtert durch die Folter der SS, die Augen steckten fast im Hinterkopf, sie lagen da und konnten nichts sagen, kein Wort. Leichenberge fanden sie auf einem LKW. Wie schon bei anderen KZ-Befreiungen mussten sich US-Soldaten angesichts der Bilder übergeben. Aus dem Land der Dichter und Denker war ein Land der Richter und Henker geworden.
München-Hauptstadt der Bewegung
Einen Tag später, am 30. April nahmen die Amerikaner dann die Stadt München ein, einst die Hauptstadt der Bewegung. Hier hatte die NSDAP, die insgesamt rund 15 Millionen Mitglieder hatte(zwischendurch gab es einen Aufnahmestopp der Hitler-Partei, weil sie der Menschen-Massen, die Mitglieder werden wollten, nicht Herr wurden) am Königsplatz ihre Parteizentrale. Heute steht dort ein NS-Dokumentationszentrum, es ist in weißer Farbe gehalten, was sich historisch gut abhebt von dem einst braunen Platz. Ja, die Begeisterung für die Nazis war groß, besonders für Hitler, sie schrien sich ihren Enthusiasmus aus der Seele, rissen die Arme hoch. Als die Amerikaner Wochen später von den Deutschen Genaueres wissen wollten über den Verbrecher-Staat, schüttelten viele den Kopf, weil sie angeblich nicht in der Partei gewesen waren.
Die meisten Zeitzeugen, die den Holocaust und die Nazi-Schrecken überlebt hatten, sind inzwischen tot. Wer etwas wissen will über die NS-Zeit, wird im NS-Dokuzentrum in München fündig oder bei einer Besichtigung der KZ-Gedenkstätte in Dachau. Die Persönlichkeit brechen, so begann das Einleben in das KZ Dachau. „Zur Begrüßung“ bekamen die Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten und andere Neuankömmlinge 25 oder mehr Schläge mit dem Ochsenziemer. Die jüdischen Häftlinge Wilhelm Aron und Louis Schloss, die am 15. Mai 1933 eingeliefert wurden, überlebten diese Willkommens-Prozedur nicht. Vom 12. April bis Ende Mai 1933 wurden allein in Dachau 13 Häftlinge ermordet. Berüchtigt war Lagerkommandant Theodor Eicke und seine „Disziplinar- und Strafordnung“, die nichts anderes bedeutete, dass Häftlinge „kraft revolutionären Rechts als Aufwiegler aufgehängt“ oder als „Meuterer auf der Stelle erschossen oder nachträglich aufgehängt“ wurden. Der Rechtsstaat hatte aufgehört zu existieren, es herrschte die Willkür der Nazis. Terroristische Gewalt war an die Stelle der bürgerlichen Freiheiten gerückt. Himmler hatte alle Macht als Chef der Polizei und Reichsführer SS. In der „Nacht der langen Messer“ am 30. Juni 1934 wurde Dachau zur Hinrichtungsstätte, Eicke selbst erschoss den Führer der SA, Röhm.
Kurt Landauer
Die Häftlinge in Dachau wurden wie Sklaven gehalten. Man kann das nachlesen in dem Buch von Dirk Kämpfer über den früheren Präsidenten des FC Bayern München, Kurt Landauer. Landauer war Jude, von den Nazis vertrieben, in Dachau eingesperrt, dort gequält, gefoltert, verprügelt, gedemütigt. Landauer kam frei, floh in die Schweiz und kehrte nach dem Krieg nach München zurück und wurde wieder aktiv für den FC Bayern. Vier seiner Geschwister wurden von den Nazis umgebracht. Die Geschichte von Kurt Landauer wurde erst vor wenigen Jahren bekannt durch die Ultras, also einer Fan-Gruppe der Bayern, durch einen Fernseh-Film erfuhr eine große Öffentlichkeit über das Leben und Leid des Juden Kurt Landauer. Auch der Klub geriet in der Nazi-Zeit unter den Einfluss der braunen Horden, der FC Bayern galt damals als Juden-Klub, nun mussten jüdische Mitglieder Hasstiraden ertragen.
Landauer erzählt in dem erwähnten Buch über die Quälerei: dass er sechs Stunden in der Kälte stehen musste, nachdem er die ersten Schläge auf den Kopf erhalten hatte. Dann nackt unter der Dusche, erst kochend heißes, dann eiskaltes Wasser, der geschundene Körper wurde brutal geschrubbt, wer aufschrie, bekam zusätzliche Prügel. Viele Ältere konnten sich kaum auf den Beinen halten, Landauer sah sie umkippen, sie starben am Boden liegend. „Dachau ist die Hölle“, wird er später sagen. Die jungen Bestien der SS schlugen zu, egal, in welchem Zustand der Häftling war. Kurt Landauer hatte übrigens im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft.
Kurt Schumacher
Einer der Häftlinge war Kurt Schumacher, der mit seiner SPD-Reichstagsfraktion 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers gestimmt hatte. Schumacher wurde später erster SPD-Vorsitzender der neuen Bundesrepublik. Man kennt die Bilder des körperlich geschwächten Sozialdemokraten, der in Dachau halbtot geprügelt worden war, gestützt auf seine Mitarbeiterin Annemarie Renger, Bundestagspräsidentin in der Zeit von Kanzler Willy Brandt. Schumacher hatte die Schwerstarbeit im Steinbruch zugesetzt. Im März 1943 konnte der schwer kranke Schumacher Dachau verlassen. Schon am 19. April 1945, neun Tage, nachdem die Amerikaner Hannover befreit hatten, berief Schumacher in der Stadt an der Leine ein ersten Treffen der SPD ein, wenige Wochen vor der Kapitulation von Hitler-Deutschland. Am 6. Mai 1945 wurde der erste Ortsverein der SPD in Hannover gegründet, das sogenannte „Büro Schumacher“ wurde zur ersten vorläufigen Parteizentrale der unter Hitler verbotenen Sozialdemokratie. Schumacher wurde dann Oppositionschef und Gegenspieler Adenauers im ersten Deutschen Bundestag.
200000 Menschen aus ganz Europa waren in Dachau zwischen 1933 bis 1945 eingesperrt, 41000 wurden ermordet oder starben an den Folgen der Schläge, an Hunger oder an Kälte. Viele Häftlinge mussten im Straßenbau arbeiten, in Kiesgruben, in Rüstungsbetrieben wie Krauss-Maffei und auch bei BMW. Sie waren Zwangsarbeiter. Immer wieder gab es Exekutionen, russische Kriegsgefangene wurden im Dutzend erschossen. Und als die Amerikaner anrückten, trieb die SS rund 7000 Häftlinge auf einen der berüchtigten Todesmärsche, viele kamen um. Wer unterwegs zu Boden ging vor Schwäche, wurde abgeknallt.
Erinnern an Georg Elser
Martin Niemöller, Mitglied der bekennenden evangelischen Kirche, war in Dachau eingesperrt wie der Sozialist Leon Blum aus Frankreich, den das Vichy-Regime an die Nazis ausgeliefert hatte. Kurt Schussnigg, österreichischer Regierungschef, wurde nach Dachau transportiert wie Josef Felder, SPD-Reichstagsabgeordneter, der die Schreckensherrschaft der Nazis überlebte und später Mitglied des Bundestages wurde. Es gilt an Georg Elser zu erinnern, der am 8. November 1939 mit dem Versuch scheiterte, Hitler mittels einer Bombe zu töten. Elser lehnte den Nationalsozialismus rundweg ab und wollte den Krieg in Europa verhindern, so sein Motiv, den braunen Despoten durch ein Attentat im Bürgerbräukeller in München in die Luft zu sprengen. Elser wurde in Konstanz gefasst und im KZ Dachau in Einzelhaft gehalten und dort am 9. April 1945 von den Nazis erschossen.
Geschichte nach 1945- so beginnt das letzte Kapitel des Buches über das KZ Dachau. „Verdrängen und Vergessen- so lässt sich die Haltung der Mehrheit der westdeutschen Gesellschaft im Umgang mit dem Erbe der Konzentrationslager beschreiben.“ Es waren die ehemaligen Häftlinge, die für die Errichtung einer Gedenkstätte kämpften, die schließlich 1965 eröffnet wurde. 80 Jahre nach Dachau. Und längst heißt es warnend und mahnend: Nie wieder! Weil die Sorge umgeht, es könnte wieder passieren, was 1933 geschah. Die AfD, in weiten Teilen rechtsextrem, die den Holocaust verharmlost-siehe Gauland. Und einer ihrer Führungsleute, Björn Höcke, bezeichnet das Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor in Berlin als Schande. Diese Partei, die in fast allen Länderparlamenten sitzt und zweitstärkste Kraft im Bundestag ist vor der SPD, gehört verboten, weil sie unsere Demokratie zerstören will, weil sie eine „Nazi-Partei“(NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst) ist, weil sie zwar demokratisch gewählt ist, aber keine demokratische Partei ist.
Nie vergessen
Die Geschichte des KZ Dachau darf nie vergessen werden. Das ist das Mindeste, was wir den Tausenden Opfern schuldig sind. Nicht vergessen, damit es nicht wieder passiert, fordert der Historiker Wolfgang Benz. „Die historische Stätte Dachau gehört zum Erbe der Nation und ist der Ort, an dem der Zivilisationsbruch begann… Sie ist Bestandteil unserer politischen Kultur, als Raum der Selbstvergewisserung, als Lernort , als Begegnungsstätte und nicht zuletzt als Platz, der Frieden stiftet.“
Wir müssen aufstehen gegen Rechts, offen Widerspruch leisten gegen jene, die den Hass predigen, die Fremdenfeindlichkeit, die spalten. Noch einmal Martin Niemöller, der Mitglied der NSDSAP war wie Millionen andere, und der später bekannte: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen. Ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen. Ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich nicht protestiert. Ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen. Ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es niemanden mehr, der protestierte“.
Bidquelle: CC0 Public Domain