Vor mehreren 100 Jahren begannen Menschen aus Europa in Gebiete auf andere Kontinenten auszuwandern. Die Zielgebiete waren sehr dünn besiedelt und zwar von Menschen mit wesentlich geringeren technischen Fähigkeiten, die sich daher nicht gegen die Einwanderer wehren konnten. So gerieten sogar ganze Kontinente unter eine europäische Mehrheit, die lange brauchte, um die Ureinwohner als gleichwertige Bürger der neuen Staaten Amerikas und Australiens anzuerkennen.
Auch nach Asien und Afrika begannen vor über 100 Jahren europäisch geprägte Menschen auszuwandern. Die von der „Urbevölkerung“ der Zielgebiete nicht gebilligte Einwanderung konnte zumeist unter dem Schutz englischer Kolonialpolitik stattfinden.
In zwei besonders intensiv aufgesuchten Gebieten in Südafrika und Palästina führte die uneingeladene Immigration zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen. Dabei behielten die mehrheitlich aus Europa Zugewanderten die Oberhand und errichteten Staaten, in denen diese Herrschaft der Eingewanderten festgeschrieben wurde. Die Konsequenz war die Ungleichberechtigung, ja Drangsalierung, der unterlegenen Urbevölkerungen, Morde und Vertreibungen inclusive. Zwar existierten in beiden Fällen jenseits der eroberten Gebiete Staaten und Menschen, die den Unterdrückten und Verdrängten nahestanden; aber auch diesen regionalen Mächten gelang es nicht, die Mehrheitsregime der Eingewanderten zu beseitigen – weder durch militärische noch durch diplomatische Maßnahmen.
Ein Grund für diese Misserfolge war die Unterstützung der europäisch geprägten Oberherrschaft durch die westliche, freie Welt der USA und Europas durch enge Zusammenarbeit und militärische Rüstungsgüter. Ein gemeinsamer Grund für diese Unterstützung waren wohl geostrategische Überlegungen, aber darüber hinaus eine Mischung heterogener Motive zwischen ethnischer Solidarität bis zu Schuldgefühlen wegen ethnischer Verfolgung in Europa. So wurden beide Staaten anerkannte Mitglieder der Vereinten Nationen.
Die regionale Isolation der beiden Einwanderungsstaaten führte zu einer Radikalisierung der jeweiligen Herrschaftsideologie, um der ethnisch-rassisch und teilweise auch religiös definierten Einwanderungsgesellschaft die dauerhafte Herrschaft über die mitunter als minderwertig bezeichneten anderen Bürger in den eroberten Gebieten zu sichern.
In beiden Fällen gab es immer wieder auch liberalere Strömungen in der herrschenden Teilgesellschaft, die die allen humanitärer Grundsätzen widersprechenden Ordnungen in Richtung demokratischer Gleichberechtigung ändern wollten. Aber auf der anderen Seite standen uneinsichtige Vertreter dauerhafter Minderheitsherrschaft, die sich auch für ferne Zukünfte keine Gleichheit aller Bewohner des von ihnen beherrschten Territoriums vorstellen konnten oder wollten.
Wenn man nun aus der heutigen Situation auf die beiden hier angesprochenen Beispiele blickt, kann man feststellen, dass die Geschichte durch zwei einsichtige und weise Führer den einen Fall vor 30 Jahren bereinigt hat. In dem anderen Fall glaubt auch heute noch eine Mehrheit der Israelis, man könne ein anderes Volk in einer militärisch eroberten Nachbarschaft dauerhaft beherrschen. Nur Russlands Führung fördert ähnliche Gefühle gegenüber Balten, Ukrainern, Moldawiern und Völkern des Kaukasus.
So steht das heutige Israel allein mit seinen Ansprüchen, denn immer weniger westliche Demokratien unterstützen solche Machtfantasien über andere Völker – nicht einmal ähnlich imperialistisch gesinnte Russen. Darin liegt die tiefe Tragik des Staates Israel, dessen Existenz als demokratischer Rechtssaat in den Grenzen von 1967 mir am Herzen liegt, ja deutsche Staatsraison ist, dessen Herrschaftsanspruch aber scheitern muss und wird wie die des südafrikanischen Apartheidstaates.
Zur Erinnerung und Mahnung: Vor 30 Jahren wurde Nelson Mandela in der ersten freien Wahl zum Präsidenten Südafrikas gewählt, nachdem er und sein weißer Vorgänger – mit dem Friedensnobelpreis geehrt – das Apartheidregime 1993 friedlich beendet hatten. Die nach Mandela vorherrschende ökonomische und politische Misswirtschaft mahnt (wie auch Vorgänge in Libyen, Irak und Somalia), Übergänge zu demokratischen Ordnungen nicht sich selbst zu überlassen, sondern trotz des Scheiterns in Afghanistan international stabilisierend zu begleiten, wenn das irgendwie durch Konsens der Welt realisierbar sein sollte.
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