Am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Es folgten in schneller Folge Kriegserklärungen des deutschen Reiches an Russland, dann an Frankreich. Das Unheil nahm seinen Lauf, es war nicht mehr aufzuhalten, auch weil zu viele Politiker, Kaiser und Generäle den Krieg wollten. 17 Millionen Menschen kamen in diesem Krieg ums Leben, der Waffenstillstand wurde am 11. November 1918 im Wald von Compiegne unterzeichnet. Ein Krieg, der im Westen wie im Osten mit aller Härte geführt wurde, zu Lande, auf hoher See und in der Luft.
Seit Monaten wird immer wieder in den Medien über den Ausbruch des 1.Weltkriegs und die Ursachen dieser „Urkatastrophe des 20.Jahrhunderts“ berichtet. Dabei geht es nicht darum, die Schuldfrage neu zu stellen. Das hat auch Christopher Clark mit seinem Buch „Die Schlafwandler“ nicht bezwecken wollen. Aber er hat herausgearbeitet, wie das zerstrittene Europa in diesen Krieg hineinschlidderte. Schuldig waren viele Staaten-Fürsten und Politiker, auch das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Serbien nicht zu unterschätzen, und all die anderen, die sich vertraglich so aneinander gebunden hatten, dass der einen Kriegserklärung die nächste folgte.
Der 1. Weltkrieg, so haben es Historiker analysiert, führte fast automatisch zum 2. Weltkrieg, sodass man vom zweiten Dreißigjährigen Krieg reden kann. Gerade heute, 100 Jahre später, heute, da es im Osten der Ukraine kriegerische Auseinandersetzungen gibt, von denen niemand sagen kann, wie diese tödlichen Schießereien enden werden. Heute, da fast ganz Europa mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über Kreuz liegt, weil man Putin heftige Vorwürfe macht, diesen Konflikt mit der Ukraine schüren zu wollen, um seine zerbröselnde Macht mit Gewalt zusammenzuhalten. Man greift ihn an, weil er sich die Krim einverleibt hat, weil seine Rolle am Flugzeug-Absturz oder besser Flugzeugabschuss weiter ungeklärt ist, man aber davon ausgeht, dass Putin zumindest politische verantwortlich gemacht werden kann für diese Katastrophe, der 298 Menschen, zumeist Holländer zum Opfer fielen.
Die halbe Welt diskutiert über die Ursachen des 1. Weltkriegs, um herauszufinden, wie alles geschah und wer der Schuldige war. Dabei hatten sie alle irgendwie Schuld. Und heute?
Im nächsten Jahr werden es sieben Jahrzehnte her sein, dass der 2. Weltkrieg mit weltweit über 55 Millionen Toten zu Ende ging. Seit 1945 hat Deutschland Frieden mit den Nachbarn Frankreich, Polen, den Benelux-Staaten, mit Großbritannien, Russland, ja wir sind umzingelt von Freunden. Seit Jahren leben wir in der Europäischen Union Seite an Seite mit den Freunden, die früher mal als Erzfeinde galten, was Ergebnis einer üblen Propaganda war. Seit Jahren macht Deutschland Geschäfte mit allen Teilen der Welt, auch mit Russland. Soll das etwa durch Sanktionen gegenüber Moskau aufhören? Wohin führt das? Das Motto gilt doch weiter: Wandel durch Handel.
Vor Wochen las ich eine Schlagzeile, in er es hieß: Krieg? Das darf doch nicht wahr sein. Sind da irgendwelche verrückt geworden? Kein Konflikt ist so groß, dass er nicht friedlich gelöst werden könnte. Man denke an 1914. Das tödliche Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo musste nicht zwangsläufig zum Krieg führen.
Die Toten des 1. Weltkriegs mahnen zum Innehalten, zum Nachdenken. Schauen wir uns die Kriegerdenkmäler an, auf denen die Namen der Gefallenen stehen, auch die aus unterer Nachbarschaft. Jeder kleinste Ort hat einen hohen Blutzoll gezahlt. Das darf nicht vergessen werden und sich nicht wiederholen. Wir sind doch nicht wahnsinnig. Wir müssen Putin an den Verhandlungstisch zwingen, mit ihm über alles reden, auch über die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Osten der Ukraine, auch über die Krim, über das Unglück mit dem Flugzeug. Wir sollten ihn nicht in eine Ecke stellen, aus der nur schwer herausfindet. Wir brauchen Russland, auch Putin.
Der friedliche Aufbau Europas auf den Ruinen des 2.Weltkriegs darf nicht umsonst gewesen sein. Die Väter Europa haben uns ein großes Welk hinterlassen. Darauf muss aufgebaut werden. Die Toten des 1. Weltkriegs sind Mahnung genug an alle. Gerade am 28. Juli 2014, 100 Jahre nach dem Ausbruch der Urkatastrophe.
Bildquelle: Lübeckische Anzeigen vom 2. August 1914, Wikipedia de:Wilhelm Dahms